European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00049.19F.0911.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.569,68 EUR (darin 428,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin wurde im Titelverfahren (Schluss der Verhandlung erster Instanz 19. Mai 2016) als Bürgin und Zahlerin für einen Kredit der beklagten Bank an eine GmbH, deren Alleingesellschafterin sie war, verpflichtet, den vereinbarten Verbürgungsgrundbetrag von 175.000 EUR sA zu zahlen. Aufgrund dieses Exekutionstitels bewilligte das Erstgericht der Beklagten am 4. Mai 2017 die Exekution gegen die Klägerin.
Für den durch die Bürgschaft der Klägerin gesicherten Kreditvertrag diente auch ua eine Höchstbetragshypothek auf einer Liegenschaft der GmbH (Kreditnehmerin) als weitere Sicherheit, die der beklagten Bank schon zur Besicherung von zwei früher gegenüber der GmbH begründeten Kreditforderungen (Kreditkonten) eingeräumt worden war. Laut dem am 23. Jänner 2013 von den Streitteilen geschlossenen Bürgschaftsvertrag ist die Bank berechtigt, alle für den Kredit bestellten Sicherheiten nach eigenem Ermessen zu verwerten und den Erlös daraus sowie alle Zahlungseingänge auch auf andere als die durch die Bürgschaft gesicherten Forderungen zu verrechnen.
Im am 6. August 2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH, in dem die Beklagte ihre Forderungen aus den drei Krediten angemeldet hatte, kam es zur freihändigen Veräußerung der verpfändeten Liegenschaft.
Mit Schreiben vom 7. Juli 2016 meldete die Beklagte beim Masseverwalter der Kreditnehmerin (GmbH), ihre Gesamtforderungen aus den drei Krediten von 911.720,17 EUR zur Sondermasseverteilung wie folgt an: „[…]
Konto IBAN *****: Kapital EUR 257.235,41, Zinsen […] EUR 13.423,64;
Konto IBAN *****: Kapital EUR 350.824,30, Zinsen […] EUR 16.435,02;
Konto IBAN *****: Kapital EUR 258.903,73, Zinsen […] EUR 14.898,07;
Weiters geben wir Ihnen bekannt, dass […] der auf uns entfallende Verteilungserlös in Höhe von EUR 542.705,75 auf unser Konto IBAN *****, lautend auf [die Kreditnehmerin], überweisen werden möge – eine entsprechende interne Aufteilung behalten wir uns vor.“
Im Verteilungsbeschluss des Insolvenzgerichts vom 10. August 2016 erhielt die Beklagte 542.705,75 EUR zur Berichtigung ihres auf der Liegenschaft einverleibten Absonderungsrechts zugewiesen; weiters wurde festgehalten, dass im darüber hinausgehenden Ausmaß mangels ausreichender Verteilungsmasse die (anerkannte) Forderung nicht mehr zum Zug komme und die Sondermasse durch diese Zuweisung zur Gänze erschöpft sei.
Die Beklagte verbuchte diesen Zuweisungsbetrag nicht zugunsten des von der Bürgschaft der Klägerin besicherten Kreditkontos.
In ihrer am 6. Juni 2017 eingebrachten, gegen die eingangs erwähnte Exekution zur Hereinbringung von 175.000 EUR sA gerichteten (ON 18), in der Folge nicht eingeschränkten Oppositionsklage brachte die Klägerin vor, die Beklagte hätte den ihr im Insolvenzverfahren zugewiesenen Erlös aus der Sondermasse von 542.705,75 EUR nicht nur auf die beiden anderen Kreditkonten der GmbH verbuchen dürfen, sondern sie hätte diesen Erlös anteilig auch auf die (dritte) Kreditforderung gutschreiben müssen, für die die Klägerin gebürgt habe. Bei einer außergerichtlichen Verwertung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens seien – mangels einer gesonderten Vereinbarung – die Verteilungsgrundsätze der EO anzuwenden. Gemäß § 218 Abs 1 EO seien bei Unzulänglichkeit der Verteilungsmasse die eine gleiche Rangordnung genießenden Ansprüche nach dem Verhältnis ihrer Gesamtbeträge zu berichtigen; dies gelte auch für verschiedene Ansprüche desselben Gläubigers. Eine davon abweichende Vereinbarung im Sinn des § 214 Abs 2 EO liege nicht vor. Bei entsprechender (verhältnismäßiger) Tilgung aller drei Kredite sei nur noch ein wesentlich geringerer Betrag offen, als die titulierte Forderung. Außerdem habe die Klägerin „mittlerweile“ 94.882,35 EUR – gewidmet auf „offenes Kapital“ (errechnet durch die anteilige Reduktion bei Anrechnung des Erlöses auf alle Kreditkonten) – „an den Vertreter der verpflichteten Partei“ gezahlt. Nach „erfolgter Einschränkung und richtiger Anrechnung des Verteilungserlöses“ sei „die betriebene Forderung zur Gänze getilgt“.
Die Beklagte bestritt und wendete ein, nach dem Inhalt des Bürgschaftsvertrags habe die Klägerin mit der Beklagten wirksam vereinbart, dass die Wahl der Reihenfolge bei einer allfälligen Verwertung der Sicherheiten der Bank eingeräumt werde; diese sei auch befugt, nach eigenem Ermessen alle ihre sonstigen Sicherheiten zu verwerten und den Erlös hieraus auch auf andere als die verbürgten Forderungen zu verrechnen. Außerdem seien die Bestimmungen der EO dispositiv und eine Einigung der Beteiligten über die Verteilung (§ 214 Abs 2 EO) vorrangig; entsprechend der Vereinbarung (im Bürgschaftsvertrag und auch einer solchen mit dem Insolvenzverwalter) habe die Beklagte den ihr im Verteilungsbeschluss zugewiesenen Betrag zuerst auf Zinsen und in der Folge auf das Kapital zu den beiden anderen Konten gebucht; damit hafte die durch die Bürgschaft der Klägerin besicherte Kreditforderung noch zur Gänze unberichtigt aus. Für die Klägerin sei § 214 Abs 2 EO nicht anwendbar, weil sie als Bürgin und Zahlerin (für die Verbindlichkeit der Verpflichteten) keine Berechtigte im Sinn dieser Bestimmung sei. Die Beklagte habe keine einseitige Aufteilung des zugewiesenen Betrags vorgenommen, weil es eine Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter gegeben habe. Nach § 1357 ABGB hänge es im Übrigen ebenfalls von der Willkür des Gläubigers ab, ob er zuerst den Hauptschuldner, den Bürgen oder beide zugleich in Anspruch nehme.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Nach der Rechtsprechung dürfe ein Gläubiger den ihm exekutiv zugewiesenen Betrag nicht abweichend von den Regeln der §§ 216 ff EO auf eine weniger gesicherte Forderung verrechnen. Im Insolvenzverfahren sei der Beklagten ein Betrag zugewiesen worden, wodurch die dinglichen Sicherungsrechte, nicht jedoch nicht getilgte Reste der Forderungen aus dem Kreditverhältnis erloschen seien; welche Teile der Forderung(en) aber getilgt seien, richte sich nach der zwischen den Parteien des Kreditverhältnisses bestehenden Vereinbarung. Die Parteien hätten ausdrücklich vereinbart, dass die Beklagte alle ihre sonstigen Sicherheiten nach eigenem Ermessen verwerten und den Erlös oder Zahlungen des Hauptschuldners auch auf andere als die verbürgten Forderungen verrechnen dürfe. Die exekutiv betriebene Forderung sei daher nicht erloschen und das Klagebegehren daher abzuweisen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin dagegen nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Trotz unstrittiger Einschränkung der Exekution auf restliche 99.348,54 EUR sA habe die Klägerin ihr Oppositionsbegehren nicht entsprechend eingeschränkt; daher sei das darüber hinausgehende Klagebegehren schon mangels anhängiger Exekution abzuweisen. Im Meistbotverteilungsverfahren werde nur über den verfahrensrechtlichen Anspruch auf Zuweisung aus dem Meistbot entschieden, nicht aber über den materiell-rechtlichen Anspruch des einzelnen Gläubigers. Nach der Rechtsprechung stehe es jedoch bei einer exekutiven Zuweisung auch nicht im Belieben des Gläubigers, einseitig eine Schuld abweichend von den Regeln der §§ 216 ff EO zu verrechnen. Eine Vereinbarung gehe aber gemäß § 214 Abs 2 EO den gesetzlichen Verteilungsregeln vor. Hier habe sich die Beklagte sowohl auf eine Vereinbarung mit der Bürgin als auch auf eine solche unter Einbindung der Hauptschuldnerin (vertreten durch den Masseverwalter) berufen. Die Auslegung dieser beiden (wenngleich zeitlich auseinander fallenden) Vereinbarungen ergebe, dass damit alle Beteiligten der Überweisung des Betrags auf ein anderes Konto als das, für welches die Klägerin als Bürge haftet, zugestimmt hätten. Die Auslegung von Vereinbarungen sei einzelfallbezogen, weshalb die Revision nicht zulässig sei.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidung im klagsstattgebenden Sinn abzuändern, hilfsweise die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben.
Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.
1.1 Nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung hat das Insolvenzgericht im Verteilungsverfahren die Vorschriften der Exekutionsordnung einschließlich der Verteilungsgrundsätze der §§ 216 ff EO (mit näher geregelten Abweichungen zugunsten der Sondermasseforderungen) anzuwenden (8 Ob 271/00m; Riel in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 120 KO Rz 36 ff [Rz 45] mwN; Feil, Insolvenzordnung8 § 120 Rz 15).
1.2 Die §§ 216 ff EO enthalten – wie sich aus § 214 Abs 2 EO ergibt: dispositive (RIS‑Justiz RS0123192) – Regelungen über die Rangordnung der zu berichtigenden Ansprüche und die Verteilung der Masse sowie darüber, wie bei Unzulänglichkeit der Verteilungsmasse vorzugehen ist. Gemäß § 218 Abs 1 EO sind bei Unzulänglichkeit der Verteilungsmasse die eine gleiche Rangordnung genießenden Ansprüche samt Nebengebühren nach Verhältnis ihrer Gesamtbeträge zu berichtigen.
Diese Konstellation lag hier bei der Verteilung der Sondermasse (Verkaufserlös der Liegenschaft) vor, allerdings mit der Besonderheit, dass mehrere Forderungen desselben Gläubigers (der beklagten Bank) im gleichen Rang standen.
2.1 Nach den insoweit einhelligen Lehrmeinungen zu § 218 EO steht es dem Gläubiger, der mehrere Forderungen im gleichen Rang hat, frei zu erklären, inwieweit die Aufteilung des ihm (exekutiv) zugewiesenen Betrags vorgenommen werden soll. Er kann daher auch verlangen, dass der ganze Betrag auf eine einzige Forderung zugewiesen wird (Heller/Berger/Stix, EO4 II 1494; Angst in Angst/Oberhammer, EO3 § 218 Rz 2; Feil/Marent § 218 EO Rz 1).
2.2 Dem entspricht auch der Standpunkt der Klägerin in der Revision, wenn sie zusammengefasst die Ansicht vertritt, auch bei verschiedenen Ansprüchen desselben Gläubigers komme es zur anteilsmäßigen Befriedigung aller Forderungen, wenn er nicht die Berücksichtigung der einzelnen Forderungen in einem anderen Verhältnis oder die Berichtigung nur einer Forderung begehrt. Erkennbar geht die Revision aber davon aus, dass die beklagte Bank bei der Verteilung der Sondermasse ein derartiges Begehren nicht stellte.
2.3 Da sich die Klägerin in diesem Zusammenhang ua auf RS0003270 („Gleichrangige Ansprüche sind nach dem Verteilungsgrundsatz des § 218 Abs 1 EO mangels eines ausdrücklichen, eine andere Verteilung beinhaltenden Einverständnisses [§ 214 Abs 2 EO] verhältnismäßig zu befriedigen. Dies gilt auch für verschiedene Ansprüche desselben Gläubigers.“) beruft, ist Folgendes klarzustellen:
In der für den zweiten Satz dieses Rechtssatzes zitierten Entscheidung vom 9. Juni 1937 zu 3 Ob 466/37 (= SZ 19/195) findet sich diese Aussage zu Ansprüchen desselben Gläubigers (wie Markowetz in Burgstaller/Deixler‑Hübner, EO § 218 Rz 2, zutreffend anmerkt) nicht: Zu 3 Ob 466/37 wurde lediglich ausgesprochen, dass sich § 218 Abs 1 EO auf das Zusammentreffen verschiedener, im gleichen Rang Berechtigter (Gläubiger) bezieht. Im zu SZ 19/195 veröffentlichten Leitsatz zu dieser Entscheidung heißt es: „Ein Gläubiger, dem mehrere Ansprüche im gleichen Rang zustehen, hat das Recht, volle Befriedigung des einen Anspruchs vor den anderen zu begehren; § 218 Abs 1 EO findet darauf keine Anwendung.“ (= RS0003336 [3. Satz]).
Dennoch wird ua die Entscheidung SZ 19/195 in der Entscheidung 3 Ob 30/73 = SZ 46/29, die die Grundlage des RS0003270 bildet, als Beleg für die dort wiedergegebene Rechtsansicht zitiert; ebenso verfehlt ist das Zitat „ Heller – Berger – Stix , Komm. z. EO, 1494“, die – wie bereits dargelegt – den gegenteiligen Standpunkt einnehmen.
2.4 Der erkennende Fachsenat stellt hiermit klar, dass er an der bereits zu SZ 19/195 vertretenen und von der Lehre einhellig geteilten Rechtsansicht festhält, dass ein Berechtigter mehrerer Forderungen, denen der gleiche Rang zukommt, die Berücksichtigung der einzelnen Forderungen in einem anderen als dem anteiligen Verhältnis, aber auch die Berichtigung nur einer Forderung begehren kann.
3. Wie die Revisionsbeantwortung zutreffend aufzeigt, hat die Beklagte in ihrer Forderungsanmeldung zur Sondermasseverteilung ausdrücklich die Überweisung des auf sie entfallenden Verteilungserlöses zur Gänze auf eines der drei Kreditkonten begehrt, das nicht das durch die Bürgschaft der Klägerin besichert war.
Da die beklagte Bank von der Möglichkeit der freien Aufteilung im Verteilungsverfahren Gebrauch machte, stehen im vorliegenden Fall die Verteilungsgrundsätze der §§ 216 ff EO der von ihr vorgenommenen Verrechnung der exekutiven Zuweisung an sie nicht entgegen.
4. Eine Beeinträchtigung der Rechte der Klägerin als weitere Sicherungsgeberin (vgl RS0107393; RS0003441) war damit nicht verbunden. Sie stimmte nämlich in ihrer Bürgschaftserklärung unstrittig einer Verwertung aller sonstigen Sicherheiten für die Kreditforderungen durch die beklagte Bank nach deren Ermessen sowie der Verrechnung des Erlöses (sowie von sonstigen Zahlungseingängen) auch auf andere als die durch die Bürgschaft gesicherte Forderung zu.
Betreffend die Kreditnehmerin genügt der Hinweis, dass der Gläubiger, dem für dieselbe Forderung mehrere Sicherheiten zustehen, grundsätzlich frei entscheiden kann, welche Sicherheit er verwertet und ob er auf mehrere Sicherheiten gleichzeitig greifen will (RS0003455, RS0003648).
5. Die Klägerin kann daher ihr Oppositionsbegehren – entgegen ihrer Rechtsansicht – nicht erfolgreich darauf stützen, dass die Beklagte entsprechend § 218 Abs 1 EO den Erlös aus der Verwertung der Liegenschaft anteilig auf alle drei Kreditkonten hätte verrechnen müssen. Eine (teilweise) Tilgung der betriebenen Forderung ist daher nicht eingetreten, weshalb die Vorinstanzen das Klagebegehren zutreffend abgewiesen haben.
6. Gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Klageabweisung im Umfang der Einschränkung des Exekutionsverfahrens, der eine Einschränkung der Oppositionsklage nicht folgte, trägt die Revision der Klägerin nichts Substanzielles vor.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Streitwert der Oppositionsklage richtet sich nach der Höhe der bekämpften betriebenen Geldforderung (RS0001618; RS0001622), beträgt hier also (noch immer) 175.000 EUR.
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