OGH 7Ob55/19t

OGH7Ob55/19t28.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** AG *****, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A***** W*****, vertreten durch die Englmair Duursma-Kepplinger Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Wiederaufnahme, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Jänner 2019, GZ 129 R 116/18d‑32, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00055.19T.0828.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Sinn und Zweck der Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ist es, eine unrichtige Tatsachengrundlage des mit der Wiederaufnahmsklage angefochtenen Urteils zu beseitigen, nicht aber, Fehler der Partei bei Führung des Vorprozesses zu korrigieren (RS0039991).

Der Wiederaufnahmskläger ist deshalb dafür beweispflichtig, dass er ohne sein Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen vor Schluss der Verhandlung geltend zu machen (RS0044633; RS0044558 [T12]). Ein Verstoß gegen die prozessuale Diligenzpflicht kann auch darin bestehen, dass eine Partei nicht die ihr zumutbaren Erhebungen pflegt, um sich die zur Dartuung ihres Prozessstandpunkts erforderlichen Beweismittel (etwa auch eine Krankengeschichte) zu verschaffen (RS0109743 [T3]; RS0044619 [insb T9]). Eine Wiederaufnahme ist daher dann ausgeschlossen, wenn die Partei die Beweismittel bei Anwendung ordnungsgemäßer Aufmerksamkeit hätte finden können (RS0044533 [T12]). Die Voraussetzung, dass der zu beseitigende Nachteil ohne Verschulden der Partei entstanden sein muss, ist streng zu nehmen (RS0044623). Nur wenn die Partei im Vorprozess das Anbot von Beweismitteln unterließ, mit deren Vorhandensein sie auch bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht rechnen musste, liegt kein Verschulden vor (RS0044619 [T9, T10]).

Ob der Wiederaufnahmskläger die nach § 530 Abs 2 ZPO in Verbindung mit § 1297 ABGB zumutbare Sorgfalt angewendet hat, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einer Entscheidung darüber kommt grundsätzlich keine über diesen hinausgehende Bedeutung zu (RS0111578).

2. Hier ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass der wiederaufnahmsklagende Versicherer um die Bedeutung des im Lebensversicherungsantrag nicht angegebenen zweiten Krankenhausaufenthalts im September 2009 wusste und bei aufmerksamen Studium der Aussage des Hausarztes den zweiten Krankenhausschlussbericht aus diesem Monat rechtzeitig beischaffen hätte können, weil zwischen dessen Einvernahme und dem Schluss der Verhandlung mehr als ein Jahr lag und auch in dieser Zeit das aufmerksame Studium der Zeugenaussagen, das nach Ergehen das Ersturteils zur Anfrage an das Krankenhaus führte, erfolgen hätte können und müssen.

3. Das Berufungsgericht mag zwar im Sinne des Revisionsvorbringens teilweise den fraglichen zweiten Krankenhausaufenthalt vom September 2009 mit dem ersten vermischt haben, insgesamt hält sich sein rechtliches Ergebnis in Zusammenhalt mit den Ausführungen des Erstgerichts aber im Rahmen der angeführten Rechtsprechung und ist nicht zu beanstanden.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 1 ZPO).

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