OGH 4Ob134/19p

OGH4Ob134/19p22.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.‑Ing. K* H*, vertreten durch Sluka Hammerer Tevini Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1) Dr. G* S*, und 2) E* S*, ebendort, beide vertreten durch Mag. Gregor Sieber, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 11. Juni 2019, GZ 22 R 329/18p‑119, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E125948

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Im Mai 1996 erwarb die Tante des sie vertretenden Rechtsanwalts (die Investorin) eine repräsentative Liegenschaft in Salzburg. Sie beauftragte ihren Neffen auch mit der Projektabwicklung, zu der vor allem die Haussanierung gehörte; der Erstbeklagte wirkte an der Projektabwicklung mit. Im Anschluss daran sollten mit dem Neffen (für Kanzleiräumlichkeiten) sowie mit den Beklagten (für Wohnräumlichkeiten) unbefristete Mietverträge abgeschlossen und dabei die Leistungen im Rahmen der Projektabwicklung in Form vorübergehend verminderter Mietzinse berücksichtigt werden. Zudem war vereinbart, dass nach angemessener Abgeltung der Projektleistungen der angemessene Mietzins zu entrichten ist. Die Investorin war an einer langen Mietvertragsdauer und einer geringen Mieterfluktuation interessiert und hatte daher gegen eine unbefristete Mietvertragsdauer keinen Einwand. Die Umbau- und Sanierungsarbeiten fanden im Zeitraum 1996 bis 1998 statt. Die Investorin war mit der Qualität der Sanierungsarbeiten zufrieden.

Ende 1997/Anfang 1998 wurden die erwähnten Mietverträge abgeschlossen; darin wurde auch vereinbart, dass der Bestandvertrag jeweils zum 31. Dezember eines jeden Jahres unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist von beiden Vertragsparteien gekündigt werden kann. Es kann nicht festgestellt werden, ob die Investorin den Mietvertrag mit den Beklagten dann nicht abgeschlossen hätte, wenn sie (unter anderem) darüber informiert worden wäre, dass eine Befristung möglich ist, wie viel der angemessene Mietzins betragen hat und mit welchem Betrag die Leistungen des Erstbeklagten bewertet wurden.

Mit Kaufvertrag vom 20. Juni 2007 verkaufte die Investorin die Liegenschaft an den Sohn des Klägers, der diese mit Kaufvertrag vom 11. Juli 2008 an den Kläger weiterverkaufte. In den Kaufverträgen wurde jeweils auf den mit den Beklagten bestehenden Mietvertrag hingewiesen.

Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, begehrte der Kläger die Räumung der von den Beklagten bewohnten Räumlichkeiten im ersten Obergeschoss des Hauses. Die Investorin habe ihren Neffen mit der Projektabwicklung beauftragt, an der der Erstbeklagte mitgewirkt habe. Dabei seien die Interessen der Investorin durch den Abschluss unbefristeter Mietverträge mit reduzierter Anfangsmiete samt mündlicher Nebenrede über die künftige Anhebung der Mietzinse missachtet worden. Durch diese Vorgangsweise sei die Investorin arglistig getäuscht worden; außerdem liege ein Verstoß gegen die guten Sitten iSd § 879 Abs 1 ABGB vor. Der Erstbeklagte habe mit seinen Leistungen im Rahmen der Projektabwicklung auch eine unzulässige Nebenbeschäftigung iSd § 63 RStDG ausgeübt, was ebenfalls Nichtigkeit des Mietvertrags begründe.

Die Beklagten entgegneten, dass der Erstbeklagte über Ersuchen des Neffen der Investorin an der Generalsanierung und der Mietfreimachung des Hauses mitgewirkt habe, wofür ihm seitens der Vermieterin ein anfangs reduzierter Mietzins gewährt worden sei. Die Investorin habe den Mietvertrag genau so abschließen wollen, wie dies geschehen sei. Die geltend gemachten Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe seien nicht gegeben.

Die Vorinstanzen wiesen das Räumungsbegehren ab. Ein arglistiges Verhalten des Erstbeklagten liege nicht vor; dem Kläger sei in dieser Hinsicht auch der Nachweis der Kausalität nicht gelungen. Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit habe von den objektiven und subjektiven Umständen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auszugehen. Für den vom Kläger argumentierten Gesamtcharakter der Vereinbarung habe das Beweisverfahren keine ausreichenden Anhaltspunkte erbracht. Die Investorin habe trotz Kenntnis der relevanten Umstände bis zuletzt am Mietvertrag mit den Beklagten festgehalten. § 63 RStDG ziele auf die Erhaltung und Sicherung der Unabhängigkeit und Neutralität des Rechtsprechungsorgans ab. Verstöße dagegen könnten disziplinär geahndet werden, bewirkten aber keine zivilrechtliche Nichtigkeitssanktion in Bezug auf zivilrechtliche Vereinbarungen.

Rechtliche Beurteilung

Mit der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1.1 Der Kläger führt in seinem Rechtsmittel aus, dass die Investorin insbesondere über das Eintrittsrecht der Kinder des Erstbeklagten in den Mietvertrag, die Renditeerwartungen und die gegenläufigen Interessen der Projektabwickler arglistig getäuscht worden sei.

1.2 Ungeachtet des im Verfahren nicht relevierten Umstands, dass das Recht auf Anfechtung eines Vertrags wegen List oder Irrtums grundsätzlich nur dem getäuschten Vertragsteil gegenüber seinem Vertragspartner zusteht (vgl 6 Ob 20/68; 10 Ob 8/08m; vgl auch 3 Ob 66/06m), ignoriert der Kläger die sich zu seinen Lasten auswirkende Negativfeststellung zur Frage, ob die Investorin den Mietvertrag mit den Beklagten dann nicht abgeschlossen hätte, wenn sie über die Möglichkeit einer Befristung des Mietvertrags oder über die Angemessenheit des Mietzinses und die Bewertung der Leistungen des Erstbeklagten aufgeklärt worden wäre. Dazu hat das Erstgericht ausdrücklich festgestellt, dass die Investorin an einer langen Mietvertragsdauer und einer geringen Mieterfluktuation interessiert war.

2.1 Der Kläger stützt das Räumungsbegehren weiters auf die Nichtigkeit des Mietvertrags mit den Beklagten, die aus der Sittenwidrigkeit des „Generalplans“ der Projektabwicklung resultieren soll. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen sei bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit nicht nur auf die Umstände im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen. Vielmehr seien alle sich auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beziehenden objektiven und subjektiven Umstände zu berücksichtigen, wobei sich die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts nicht nur aus seinem Inhalt, sondern auch aus dem Gesamtcharakter der Vereinbarung ergeben könne. In dieser Hinsicht sei zu berücksichtigen, dass der Neffe der Investorin und der Erstbeklagte das Interesse der Investorin an einer sparsamen Sanierung sowie ihren Willen, dass eine Altmieterin im Haus bleibe, missachtet hätten.

2.2 Die vom Kläger ins Treffen geführten Sittenwidrigkeitsgründe betreffen die Geschäftsabwicklung und damit das Auftrags- bzw Geschäftsbesorgungsverhältnis zwischen der Investorin und ihrem Neffen, nicht aber den Mietvertrag mit den Beklagten. Die vom Berufungsgericht dazu vertretene Rechtsansicht, dass sich der Abschluss des Mietvertrags mit den Beklagten samt Vereinbarung über die künftige Mietanpassung zwar durch das Investitionsvorhaben ergeben habe, aber in keinem zwingenden Zusammenhang mit der Sanierung gestanden sei, begründet ausgehend von den Feststellungen keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.

3.1 Schließlich beruft sich der Kläger auf einen Verstoß des Erstbeklagten gegen § 63 RStDG. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen sei diese standesrechtliche Bestimmung sehr wohl ein gesetzliches Verbot iSd § 879 Abs 1 ABGB und ein Schutzgesetz. Der Erstbeklagte habe seine Nebenbeschäftigung in Bezug auf die Projektabwicklung nicht der Dienstbehörde gemeldet. Im Fall einer ordnungsgemäßen Anzeige wäre ihm diese Tätigkeit nicht bewilligt worden.

3.2 Gemäß § 879 Abs 1 ABGB ist ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig. Nichtigkeit infolge Gesetzwidrigkeit ist nach der Rechtsprechung aber nur dann anzunehmen, wenn diese Rechtsfolge entweder ausdrücklich normiert ist oder der Verbotszweck der verletzten Norm die Ungültigkeit des Rechtsgeschäfts notwendigerweise verlangt und sich diese nicht mit der Verhängung anderer Rechtsfolgen, wie beispielsweise mit einer Bestrafung, begnügt (RIS‑Justiz RS0016837; RS0016840; 2 Ob 173/12y). Die Annahme einer Nichtigkeitssanktion setzt im Allgemeinen voraus, dass der Inhalt des Vertrags die Übertretung eines gesetzlichen Verbots bewirkt bzw dazu verpflichtet oder dessen Ausführung eine verbotene Handlung erfordert, sowie dass bei einer Verneinung der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts die Erreichung des vom Gesetzgeber angestrebten Zwecks gefährdet wäre.

3.3 Die in § 63 Abs 6 RStDG vorgesehene Meldepflicht über die Aufnahme, die Art und das Ausmaß einer erwerbsmäßigen Nebenbeschäftigung soll die Dienstbehörde in die Lage versetzen, die Nebenbeschäftigung im Fall einer möglichen Behinderung bei der Erfüllung der Dienstpflichten zu untersagen. Eine Verletzung der Meldepflicht ist grundsätzlich als bloße Ordnungswidrigkeit zu beurteilen und daher nur in Ausnahmefällen als Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG zu ahnden (vgl RS0072648).

3.4 Die Vorinstanzen sind von den dargelegten Grundsätzen nicht abgewichen. Davon ausgehend hält sich ihre Beurteilung, dass der dem Erstbeklagten angelastete Verstoß gegen § 63 RStDG jedenfalls (ohne inhaltliche Prüfung der Frage, ob überhaupt eine erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung vorliegt) nicht die Unwirksamkeit des in Rede stehenden Mietvertrags nach sich zieht, im Rahmen der Rechtsprechung.

Richtig ist, dass Verstöße gegen standesrechtliche Bestimmungen nach dem jeweiligen Verbotszweck Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts begründen können. Entgegen der Ansicht des Klägers ist aber auch in dieser Hinsicht auf den konkreten Inhalt der jeweiligen Vorschrift Bedacht zu nehmen. Die vom Kläger ins Treffen geführten Beispiele aus der Rechtsprechung (6 Ob 553/92: Verstoß einer Honorarvereinbarung gegen § 16 Abs 2 bis 4 RAO; 9 ObA 80/00f: Verstoß gegen § 36 RL‑BA 1977 durch einen Vertrag über die Beteiligung eines Rechtsanwaltsanwärters am Unternehmen des Rechtsanwalts; 9 Ob 34/12h: Verstoß gegen das Bankgeheimnis) sind mit der hier zu beurteilenden Meldepflicht nicht vergleichbar.

4. Insgesamt gelingt es dem Kläger mit seinen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Dies gilt auch für die nur pauschal behaupteten sekundären Feststellungsmängel.

Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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