OGH 12Os61/19s

OGH12Os61/19s12.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. August 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Strafsache gegen Samandar H***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Samandar H*****, Sangar Hu***** und Sanagul I***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 13. November 2018, GZ 23 Hv 4/18x-121, sowie über die Beschwerden der Angeklagten Sangar Hu***** und Sanagul I***** gegen zugleich gefasste Beschlüsse auf Widerruf bedingter Strafnachsichten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00061.19S.0812.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Samandar H*****, Sangar Hu***** und Sanagul I***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Relevanz – Samandar H***** jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (I./1./) und nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (I./2./) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (I./3./), Sangar Hu***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (II./1./) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (II./2./) und Sanagul I***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (IV./1./) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (IV./2./) schuldig erkannt.

Danach haben von Anfang 2016 bis November 2017 in I***** und an anderen Orten vorschriftswidrig

I./ Samandar H***** (zu 1./ und 2./) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung

1./ Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, und zwar 10.602 Gramm Cannabiskraut (975,4 Gramm reines THCA [24,38-fache Grenzmenge] und 84,8 Gramm Delta-9-THC [4,24-fache Grenzmenge]) im Urteil genannten Abnehmern (a./ bis f./) überlassen,

2./ Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 1.000 Gramm Cannabiskraut (92 Gramm reines THCA [2,3-fache Grenzmenge] und 8 Gramm Delta-9-THC [0,4-fache Grenzmenge]) einem verdeckten Ermittler angeboten, und

3./ Suchtgift, nämlich Cannabiskraut und Kokain, erworben und besessen, wobei er die Straftat „teilweise zum eigenen Konsum“ beging;

II./ Sangar Hu*****

1./ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, und zwar 9.730 Gramm Cannabiskraut (895,2 Gramm reines THCA [22,38-fache Grenzmenge] und 77,8 Gramm Delta-9-THC [3,89-fache Grenzmenge]) den im Urteil genannten Abnehmern (a./ bis c./) überlassen und an Aref R***** zu überlassen versucht (d./),

2./ Suchtgift, nämlich Cannabiskraut und Kokain, erworben und besessen, wobei er die Straftat „teilweise zum eigenen Konsum“ beging;

IV./ Sanagul I*****

1./ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, und zwar 1.004 Gramm Cannabiskraut (67,56 Gramm reines THCA [1,69-fache Grenzmenge] und 5,88 Gramm Delta-9-THC [0,29-fache Grenzmenge]) sowie 150 Gramm Kokain (30 Gramm reines Cocain [2-fache Grenzmenge]) im Urteil genannten Abnehmern überlassen (a./ bis c./) und zu überlassen versucht (d./);

2./ Suchtgift, nämlich Cannabiskraut und Kokain, erworben und besessen, wobei er die Straftat „teilweise zum eigenen Konsum“ beging.

Dagegen richten sich Nichtigkeitsbeschwerden, die der Angeklagte Samandar H***** auf Z 4, 5, 5a, 8 und 10, der Angeklagte Sangar Hu***** auf Z 5, 5a und 10 sowie der Angeklagte Sanagul I***** auf Z 5, 5a und 10, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, stützen.

 

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Samandar H*****:

Nach dem ungerügt gebliebenen Protokoll hat der Verteidiger in der Hauptverhandlung „einen Beweisantrag“ gestellt, „wobei er diesen auch schriftlich vorlegte“ (ON 119 S 4). Damit beruft sich der Beschwerdeführer im Ergebnis aber nicht auf einen mündlich gestellten, sondern bloß schriftlichen Beweisantrag, der allerdings irrelevant ist (vgl RIS-Justiz RS0099511). Damit können die – die unterlassene Beiziehung eines weiteren Sachverständigen monierenden (vgl dazu aber RIS-Justiz RS0117263) – Einwände der Verfahrensrüge (Z 4) auf sich beruhen.

Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall; nominell verfehlt auch Z 5a und Z 8) zuwider hat das Erstgericht den Angeklagten gar nicht mit einer ihm unbekannten Gerichtsnotorietät in Bezug auf den Reinheitsgrad des inkriminierten Suchtgifts überrascht (vgl dazu RIS-Justiz RS0119094 [T4]; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.131). Vielmehr haben sich die Tatrichter insoweit auf die Auswertungsergebnisse zu den sichergestellten Suchtgiftquanten sowie auf die Gutachtenserörterung in der Hauptverhandlung gestützt (US 29).

Entgegen der weiteren Beschwerdebehauptung hat das Erstgericht die belastenden Angaben des Zeugen K***** keineswegs nur zusammenfassend wiedergegeben, sondern kritisch gewürdigt (vgl US 18 f). Indem der Beschwerdeführer die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubhaftigkeit der Angaben dieses Zeugen als nicht stichhaltig erachtet, bekämpft er bloß deren Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

Daran geht die Subsumtionsrüge (Z 10) vorbei, indem sie die Feststellungen zum Reinheitsgehalt der manipulierten Suchtgiftmenge (US 12 f) bestreitet. Ebensowenig macht die Beschwerde deutlich, weshalb die Konstatierungen (US 13 f) zu einem auf mehrere Monate angelegten Zusammenschluss zwecks gemeinsamer Begehung von Suchtgiftgeschäften größeren Ausmaßes durch die Angeklagten die Subsumtion nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG nicht tragen sollten (vgl dazu Hinterhofer/Tomasits in Hinterhofer SMG 2 § 27 Rz 105 ff).

Da das Gericht dem Angeklagten das Vorbereitungsdelikt der Bandenbildung nach § 278 StGB gar nicht anlastete, ist das darauf bezogene Rechtsmittelvorbringen unverständlich.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sangar Hu*****:

Soweit sich die Mängelrüge (Z 5) auf die als belastend eingestuften Angaben des Zeugen K***** bezieht, ist sie auf die Erledigung des diesbezüglichen Beschwerdeeinwands des Angeklagten H***** zu verweisen.

Mit dem Vorbringen, die Angaben dieses Zeugen seien lediglich durch Verlesung (§ 252 Abs 2a StPO; vgl ON 119 S 5) Gegenstand des Beweisverfahrens geworden, erweckt die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen. Die Kritik, der genannte Zeuge habe über keine unmittelbaren Wahrnehmungen berichtet, trifft im Übrigen nicht zu (vgl US 18 f).

Mit dem Einwand, die Tatrichter hätten ihre Feststellungen zur Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung ausschließlich auf Zeugen vom Hörensagen (zur prinzipiellen Zulässigkeit vgl jüngst 12 Os 101/18x; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 2.195, 7.523) gestützt, bekämpft der Beschwerdeführer bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Der weiteren Beschwerde (Z 5 erster Fall) zuwider brachten die Tatrichter deutlich genug zum Ausdruck, dass sie von den – letztlich vor der Polizei zugestandenen – Mengenangaben des Zeugen C***** (ca 1.500 bis 1.600 Gramm Marihuana) ausgingen (US 20).

Ebensowenig wird mit dem Einwand, dass die Konstatierungen zum Reinheitsgehalt des Suchtgifts auf der Grundlage der Wirkstoffgehalte der sichergestellten Substanzen getroffen wurden, Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5 erster Fall StPO aufgezeigt.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sanagul I*****:

Soweit der Beschwerdeführer (nominell aus Z 5 dritter Fall und Z 10) die (versuchte) Suchtgiftübergabe von 674 Gramm Cannabiskraut an Aref R***** (IV./1./d./), hinsichtlich dessen die Tatrichter von einem niedrigeren Reinheitsgrad als bei den anderen Fakten ausgegangen sind (US 30), in eigenständiger Beweiswürdigung als Indiz gegen die ihm angelastete Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung wertet, bekämpft er bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Indem der Beschwerdeführer bloß unter Bezugnahme auf eine Reihe von Zeugenaussagen seine Involvierung in Suchtgiftgeschäfte abzuschwächen versucht und daran – unter Ausklammerung der vom Erstgericht als belastend eingestuften Beweisergebnisse (US 26 ff) – den Einwand knüpft, dass ihm die Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung zu Unrecht angelastet worden sei, weckt er keine erheblichen Bedenken im aufgezeigten Sinn.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) kann mit ihrer gegen die Tatbeurteilung nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG gerichteten, aber die bezughabenden Feststellungen des Schöffensenats (US 13 f) außer Acht lassenden Kritik auf die Erledigung der diesbezüglichen Mängelrüge sowie auf die Beantwortung der Subsumtionsrüge des Angeklagten H***** verwiesen werden.

 

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen sowie die (impliziten) Beschwerden (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte