OGH 9Ob13/19f

OGH9Ob13/19f23.7.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei a***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schubert, gegen die beklagte Partei ***** R*****, vertreten durch Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte OG in Mödling, wegen zuletzt 27.215,32 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. November 2018, GZ 11 R 154/18z‑20, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 24. August 2018, GZ 17 Cg 44/17s‑16, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0090OB00013.19F.0723.000

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.725,84 EUR (darin 287,64 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Beklagte betrieb zuletzt Geschäfte in der Gesundheitsbranche. Über Empfehlung einer Bekannten interessierte er sich für die Anschaffung eines Elektromuskelstimulationsgeräts der Lieferantin, das auch zum Abnehmen und Hautstraffen eingesetzt werden kann. Im Gespräch mit einem Mitarbeiter der Lieferantin sprach dieser einmal von Miete, einmal von Mietkauf, dass mit 500 EUR plus Gebühren pro Monat zu rechnen sei, der Beklagte allerdings jederzeit kündigen könne und dann nur noch drei Mietraten zu zahlen habe und man mit dem Gerät jede Menge Gewinn machen könne. Nach Vorführung des Geräts im Bekanntenkreis war der Beklagte an der Anschaffung des Geräts interessiert.

Die Lieferantin bot ihm in einem Schreiben das Gerät um 28.392,42 EUR an und hielt fest, dass das Gerät über die Klägerin als Leasinggesellschaft finanziert werde. In der Zwischenzeit stellte die Lieferantin eine konkrete Finanzierungsanfrage für ein Sale‑and‑lease‑back‑Geschäft betreffend den Beklagten an die Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt das erste Mal in die Angelegenheit involviert wurde. Nach Bewilligung des Antrags übermittelte die Klägerin die Unterlagen für das Leasinggeschäft an die Lieferantin, um sie vom Beklagten unterzeichnen zu lassen. Nach der vertraglichen Konstruktion sollte der Beklagte das Objekt von der Lieferantin kaufen und sodann ein Sale‑and‑lease‑back‑Geschäft mit der Klägerin abschließen. Die Grundleasingzeit, während der eine Kündigung ausgeschlossen war, sollte 60 Monate, die monatliche Nettorate 540,04 EUR betragen. Die Klägerin stellte der Lieferantin oder deren Mitarbeiter weder Blankoformulare zum selbständigen Ausfüllen zur Verfügung, noch ermächtigte sie sie, für die Klägerin Verträge abzuschließen. Bei ihr werden insgesamt etwa 35.000 solche oder ähnliche Absatzfinanzierungen jährlich abgeschlossen.

Etwa eine Woche nach dem Vorführtermin kam es zur Unterfertigung der Unterlagen. Der Beklagte hatte keine genauen Vorstellungen über das Rechtskonstrukt, fragte auch nicht nach und unterschrieb über Aufforderung des Mitarbeiters der Lieferantin den Leasingvertrag mit der Klägerin wie auch den Kauf- und Übereignungsvertrag für Sale‑and‑lease‑back‑Geschäfte sowie eine Rechnung und Auftragsbestätigung. Hätte er die Verträge gelesen, wäre ihm aufgefallen, dass er mit der Klägerin einen Leasingvertrag schloss. Nach Gegenzeichnung der sie betreffenden Verträge zahlte die Klägerin an die Lieferantin den Kaufpreis. Der Beklagte verwendete das Gerät ab der Lieferung am 7. 5. 2016 und führte bis Juli sehr viele Behandlungen durch. Bei den in der Folge aufgetretenen Stromstößen konnte nicht festgestellt werden, ob es sich um beabsichtigte, nur zu stark eingestellte Stromstöße zur Muskelkontraktion, um eine Fehlfunktion des Geräts oder um eine Ursache im Stromnetz handelte.

Als der Beklagte im September 2016 dem Mitarbeiter der Lieferantin mitteilte, das Gerät zurückgeben zu wollen, weil es nicht richtig funktioniere, wies dieser darauf hin, dass das Geld kosten würde. Der Beklagte verfolgte dies nicht weiter, bis er von den Beschwerden auch anderer Käufer erfuhr und sich wie diese an den Kreditopferverband wandte. Im Februar 2017 stoppte er die Zahlungen. Nach erfolglosen Mahnungen kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 8. 6. 2017 den Leasingvertrag vorzeitig auf, forderte ihn zur Zahlung von insgesamt 28.459,97 EUR und zur Rückstellung des Leasingobjekts auf.

Die Klägerin begehrte zuletzt die Zahlung von 27.215,32 EUR sA aus der Abrechnung des Leasingvertrags. Sie habe den Vertrag aufgrund des Zahlungsverzugs der Beklagten berechtigt aufgelöst. Ein Fehlverhalten des Mitarbeiters der Lieferantin sei ihr nicht zuzurechnen. Nach dem Leasingvertrag sei der Lieferant auch nicht berechtigt, für die Klägerin Erklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen. Jegliche Gewährleistungsansprüche des Verkäufers und Leasingnehmers seien vertraglich ausgeschlossen gewesen. Die Vertragsbedingungen seien auch nicht gröblich benachteiligend.

Der Beklagte bestritt und beantragte Klagsabweisung. Soweit revisionsgegenständlich, berief er sich auf Arglist und Irreführung durch den Mitarbeiter der Lieferantin, die als Verhandlungsgehilfin der Klägerin anzusehen und dieser zuzurechnen sei. Auch Gewährleistungsansprüche würden geltend gemacht, weil das Gerät nutzlos sei und keinen der versprochenen Effekte herbeiführe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Lieferantin, vertreten durch ihren Mitarbeiter, sei nicht als Hilfsperson der Klägerin anzusehen. Ein allfälliger Irrtum des Beklagten sei daher nicht von dieser veranlasst. Zudem hätte der Beklagte bei Lektüre der Verträge ihren Inhalt erkennen können. Gewährleistungsansprüche wären an die Lieferantin und nicht die Klägerin zu richten. Der Beklagte habe solche bis zur Aufkündigung des Leasingvertrags durch die Klägerin auch nicht geltend gemacht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge. Der vermeintliche Verfahrensmangel (Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens) sei nicht gesetzmäßig ausgeführt. Selbst bei anderer Beurteilung wäre er nicht erheblich, weil beim Sale‑and‑lease‑back dem Leasingnehmer in seiner Eigenschaft als selbst gewährleistungspflichtiger Verkäufer die Berufung auf die Mangelhaftigkeit des Leasingobjekts versagt sei. Die Klägerin habe dem Lieferanten keine Blankoformulare zur Verfügung gestellt, der Gehilfe des Lieferanten sei ohne ständige Geschäftsbeziehung zwischen der Lieferantin und der Klägerin mit einer konkreten Finanzierungsanfrage für ein Sale‑and‑lease‑back‑Geschäft an die Klägerin herangetreten. Wenn diese dem Lieferanten ein Leasingangebot mit dem Ersuchen um Vorlage beim Beklagten und Retournierung stelle, habe sie davon ausgehen können, dass der Lieferant als Verhandlungsgehilfe (Bote) des Beklagten beigezogen worden sei. Die Revision sei zur Frage zulässig, ob im Fall eines Sale‑and‑lease‑back‑Vertrags Gewährleistungsansprüche zwischen dem Leasinggeber und Leasingnehmer ausgeschlossen seien.

In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsabweisung.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts unzulässig .

1.  Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen. Dies ist hier der Fall.

2. Der Beklagte richtet sich gegen die Beurteilung, dass die Lieferantin bzw ihr Mitarbeiter nicht der Klägerin zuzurechnen sei.

Die Kriterien zur Beurteilung dieser Frage sind in der Rechtsprechung geklärt und wurden auch jüngst in einem – ein vergleichbares Finanzierungsleasing der Klägerin betreffenden – Parallelfall (4 Ob 41/19m) wie folgt dargelegt:

„3.2 Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Auffassung ist eine Person, deren sich ein Teil im Rahmen von Vertragsverhandlungen als Gehilfe bedient, nicht Dritter im Sinn des § 875 ABGB. Als Gehilfe kommt in Betracht, wer auf der Seite des Erklärungsgegners steht und maßgeblich am Zustandekommen des Geschäfts mitgewirkt hat, sofern seine Erklärung zu seinem Aufgabenbereich gehört (RS0016309; 4 Ob 44/11s; 3 Ob 93/16x jeweils mwN). Der den Irrtum Veranlassende muss nicht Stellvertreter des Geschäftsherrn bzw mit Vollmacht oder Anscheinsvollmacht ausgestattet sein, er muss vom Geschäftsherrn aber jedenfalls mit der Verhandlungsführung beauftragt sein (2 Ob 176/10m). Derjenige, der sich bei der Führung von Vertragsverhandlungen eines solchen Gehilfen bedient, haftet für einen von diesem veranlassten Irrtum wie für einen, den er selbst veranlasst hätte (RS0016200). In mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs wurden beispielsweise Immobilienmakler als Verhandlungsgehilfen ihrer Auftraggeber angesehen (2 Ob 176/10m; 6 Ob 25/16v).

3.3 Nach diesen Grundsätzen bedarf es für die Zurechnung einer Person als Verhandlungsgehilfe im Sinn des § 875 ABGB eines besonderen Zurechnungselements. Dieses Element besteht darin, dass die Person 'auf der Seite des Erklärungsgegners' (Geschäftspartners des Irrenden) und damit für diesen auftritt. Dazu muss er vom Erklärungsgegner mit der Verhandlungsführung beauftragt oder mit einem bestimmten Aufgabenbereich, zu dem die Verhandlungsführung zählt, betraut worden sein.“

Die Entscheidung erfolgte auch unter ausführlicher Analyse jener höchstgerichtlichen Entscheidungen, die der Beklagte hier nennt.

3. Wie in dem der Entscheidung 4 Ob 41/19m zugrunde liegenden Sachverhalt lässt sich auch hier den Feststellungen gerade nicht entnehmen, dass der Mitarbeiter der Lieferantin von der Klägerin beauftragt war. Es bestehen nach den Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mitarbeiter der Lieferantin Verhandlungsgehilfe der Klägerin gewesen wäre. Erst nachdem sich der Beklagte zur Anschaffung des Geräts entschieden hatte, wurde die Finanzierungsanfrage im Rahmen eines Sale‑and‑lease‑back‑Geschäfts an die Klägerin gestellt; bis dahin war die Klägerin in das Geschäft nicht involviert. Die Lieferantin war auch nicht vorab zum Zweck der Vermittlung mit Formularen oder Geschäftsunterlagen der Klägerin ausgestattet. In der Folge wurden die Vertragsunterlagen von der Klägerin nur zu dem Zweck an die Lieferantin übermittelt, diese vom Beklagten unterfertigen zu lassen. Hinzu kommt, dass nach den Bestimmungen des Leasingvertrags der Lieferant ausdrücklich nicht berechtigt war, Erklärungen für die Klägerin abzugeben oder entgegenzunehmen.

Davon ausgehend hält sich die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Lieferantin nicht mit der Verhandlungsführung für die Klägerin beauftragt war, sondern dieser lediglich eine bloße Botentätigkeit zukam, weshalb sie der Klägerin nicht als Verhandlungsgehilfin zuzurechnen ist, auch im vorliegenden Fall im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze.

4. Auch soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass der Vertreter der Lieferantin zumindest als Anscheinsgehilfe der Klägerin anzusehen sei, wurde bereits zu 4 Ob 41/19m (mwN) Stellung genommen. Hervorzuheben ist, dass auch für die Qualifikation als Anscheinsgehilfe ein besonderes Zurechnungselement erforderlich ist, das darin besteht, dass der Gehilfe zumindest scheinbar – aufgrund eines vom scheinbaren Geschäftsherrn ausgehenden Rechtsscheins – in dessen Pflichtenprogramm gegenüber dem Vertragspartner einbezogen war. Der Geschäftsherr hat in diesem Zusammenhang nämlich nur für jene Personen einzustehen, für die der Anschein der Gehilfenhaftung besteht, wofür vorausgesetzt ist, dass der Geschäftsherr in zurechenbarer Weise den Anschein einer Gehilfeneigenschaft erweckt. Dies erfordert zumindest ein bewusstes, nach außen erkennbares Gewährenlassen des Gehilfen, wofür im Anlassfall ebenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen.

5. Die Ausführungen der Revision zur Verletzung der „erstmaligen Verschaffungspflicht“ gehen von Mängeln des Geräts und daraus resultierenden Gewährleistungsansprüchen des Beklagten aus. Diesen Erwägungen steht hier entgegen, dass das Erstgericht nicht feststellen konnte, dass das Gerät bei Übernahme durch den Beklagten schon gebraucht war. Das Erstgericht konnte auch nicht feststellen, ob die Stromstöße, die der Beklagte als Mangel geltend macht, lediglich an der Einstellung des Geräts oder an einer Netz- oder Gerätefehlfunktion lagen. Soweit der Beklagte geltend macht, ein Sachverständiger hätte nicht nur die In‑Verkehr‑Bringung bzw „Zulassung“ sowie die Betriebssicherheit des Geräts überprüfen können, sondern auch, ob das Gerät gebraucht statt neu gewesen wäre, so hat das Berufungsgericht in einem solchen Vorbringen keine gesetzmäßig ausgeführte Mängelrüge erkannt und einen Verfahrensmangel verneint. Ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens bildet keinen Revisionsgrund (RS0042963; zur Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens zB [T64]).

6. Auf die Frage der Wirksamkeit des zwischen den Streitteilen vereinbarten Ausschlusses von Gewährleistungsansprüchen des Leasingnehmers im Sale‑and‑lease‑back (s dazu jüngst 4 Ob 90/19t) kommt es danach nicht an.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte