European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124838
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.332,54 EUR (darin enthalten 222,09 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin fungiert als Leasinggeberin, die Beklagte betreibt ein Kosmetikstudio. Nach Gesprächen mit einem Mitarbeiter der Lieferantin entschloss sich die Beklagte zur Anschaffung eines Elektro-Muskelstimulationsgeräts, das über unterschiedliche Programme verfügt und auch zur Hautstraffung eingesetzt werden kann. Eine Vielzahl der Funktionen des Geräts dürfen auch von einer Kosmetikerin im Rahmen ihres Gewerbes angewendet werden. Nach der vertraglichen Konstruktion kaufte die Beklagte das Gerät von der Lieferantin und schloss in der Folge ein sale‑and‑lease‑back‑Geschäft mit der Klägerin. Nachdem die Beklagte den Anschaffungsentschluss gefasst hatte, stellt die Lieferantin eine Finanzierungsanfrage für das Leasinggeschäft an die Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal in die Angelegenheit involviert wurde. Nach Bewilligung des Antrags übermittelte die Klägerin die Unterlagen für das Leasinggeschäft an die Lieferantin, um diese von der Beklagten unterzeichnen zu lassen. Die Beklagte unterfertigte die zugrunde liegenden Verträge am 25. 3. 2016 und erhielt das Gerät an diesem Tag direkt von der Lieferantin geliefert. Sie las sich die Verträge nicht im Detail durch, hatte aber gesehen, dass es sich um einen Leasingvertrag handelte. Die Klägerin unterfertigte die sie betreffenden Verträge (Übereignungsvertrag und Leasingvertrag) am 4. 4. 2016 und leistete den Kaufpreis von 28.392,42 EUR an die Lieferantin. Nach dem Leasingvertrag betrug die Grundleasingzeit, während der eine Kündigung ausgeschlossen war, 60 Monate; die monatliche Nettorate belief sich auf 540 EUR. Die Beklagte zahlte nur eine Leasingrate; bereits ab Mai 2016 geriet sie mit der Zahlung der Leasingraten in Verzug. Am 2. 11. 2016 kündigte die Klägerin schließlich den Leasingvertrag.
Die Klägerin begehrte zuletzt die Zahlung von 20.113,34 EUR sA aus der Abrechnung des Leasingvertrags. Sie habe den Vertrag aufgrund des Zahlungsverzugs der Beklagten berechtigt aufgelöst. Die Lieferantin habe das Geschäft im Auftrag der Beklagten angebahnt. Zudem sei im Leasingvertrag festgehalten, dass der Lieferant nicht berechtigt sei, für die Klägerin Erklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen.
Die Beklagte entgegnete, dass sie vom Vertreter der Lieferantin über die Leasingkonstruktion und die Kündigungsmöglichkeit getäuscht worden sei, wobei der Vertreter der Lieferantin der Klägerin zuzurechnen sei. Dieser habe erklärt, sie könne den Vertrag jederzeit kündigen und müsse im schlechtesten Fall das Gerät zurückgeben und dann noch drei Monatsmieten begleichen. Davon abgesehen handle es sich beim angeschafften Gerät um ein medizinisch-technisches Gerät, das als Medizinprodukt über die Kosmetikbranche hinausgehe. Aus diesem Grund habe sie den Leasingvertrag als Verbraucherin im Sinn des FAGG abgeschlossen.
Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren statt. Der Mitarbeiter der Lieferantin sei nur in deren Namen aufgetreten und nicht auch im Auftrag der Klägerin tätig gewesen. Die Klägerin habe den Mitarbeiter der Lieferantin daher nicht als ihre Hilfsperson bei der Anbahnung des Finanzierungsvertrags eingesetzt; sein Handeln sei der Klägerin nicht zuzurechnen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach § 875 ABGB seien dem Erklärungsgegner nur solche Personen zuzurechnen, die auf seiner Seite stehen und maßgeblich am Zustandekommen des Geschäfts mitgewirkt haben. Ein bloßer Bote, der nur zur Einholung von Unterschriften eingesetzt werde, sei hingegen nicht Verhandlungsgehilfe. Die Klägerin habe die Lieferantin nicht mit der Verhandlungsführung beauftragt und sie nicht zur Person ihres Vertrauens gemacht. Aus diesem Grund sei ihr das irreführende Verhalten des Mitarbeiters der Lieferantin nicht zuzurechnen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es zur Frage, ob ein bloßer Bote als Dritter im Sinn des § 875 ABGB zu werten sei, einer Schärfung der Rechtsprechung durch das Höchstgericht bedürfe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens abzielt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen. Dies ist hier der Fall.
2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel und sekundären Feststellungsmängel liegen – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor. Einen Sachmangel des Geräts konnte die Beklagte gerade nicht nachweisen. Nach den Feststellungen verfügte das Gerät über verschiedene Programme und konnte auch zur Straffung der Haut eingesetzt werden. Die Beklagte war auch als Kosmetikerin berechtigt, eine Vielzahl der Funktionen des Geräts an ihren Kunden anzuwenden. Den in der Revision gerügten Mängeln fehlt es damit auch an der Relevanz.
3.1 In rechtlicher Hinsicht ist im Revisionsverfahren strittig, ob der Vertreter der Lieferantin der Klägerin irrtumsrechtlich als Verhandlungsgehilfe zuzurechnen, oder ob er als Dritter im Sinn des § 875 ABGB zu qualifizieren ist.
Die Kriterien zur Beurteilung dieser Frage sind in der (auch aktuellen) Rechtsprechung geklärt. Der vom Berufungsgericht in der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs angeführten Schärfung der Rechtsprechung bedarf es nicht.
3.2 Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Auffassung ist eine Person, deren sich ein Teil im Rahmen von Vertragsverhandlungen als Gehilfe bedient, nicht Dritter im Sinn des § 875 ABGB. Als Gehilfe kommt in Betracht, wer auf der Seite des Erklärungsgegners steht und maßgeblich am Zustandekommen des Geschäfts mitgewirkt hat, sofern seine Erklärung zu seinem Aufgabenbereich gehört (RIS‑Justiz RS0016309; 4 Ob 44/11s; 3 Ob 93/16x jeweils mwN). Der den Irrtum Veranlassende muss nicht Stellvertreter des Geschäftsherrn bzw mit Vollmacht oder Anscheinsvollmacht ausgestattet sein, er muss vom Geschäftsherrn aber jedenfalls mit der Verhandlungsführung beauftragt sein (2 Ob 176/10m). Derjenige, der sich bei der Führung von Vertragsverhandlungen eines solchen Gehilfen bedient, haftet für einen von diesem veranlassten Irrtum wie für einen, den er selbst veranlasst hätte (RIS‑Justiz RS0016200). In mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs wurden beispielsweise Immobilienmakler als Verhandlungsgehilfen ihrer Auftraggeber angesehen (2 Ob 176/10m; 6 Ob 25/16v).
3.3 Nach diesen Grundsätzen bedarf es für die Zurechnung einer Person als Verhandlungsgehilfe im Sinn des § 875 ABGB eines besonderen Zurechnungselements. Dieses Element besteht darin, dass die Person „auf der Seite des Erklärungsgegners“ (Geschäftspartners des Irrenden) und damit für diesen auftritt. Dazu muss er vom Erklärungsgegner mit der Verhandlungsführung beauftragt oder mit einem bestimmten Aufgabenbereich, zu dem die Verhandlungsführung zählt, betraut worden sein.
3.4 Aus den von der Beklagten in der Revision zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen ergibt sich im gegebenen Zusammenhang nichts anderes:
In 7 Ob 639/85 wurde ein Mitarbeiter der finanzierenden Klägerin dieser zugerechnet. In 6 Ob 507/95 wurde der Geschäftsführer der Kranlieferantin deshalb der beklagten Leasinggeberin zugerechnet, weil der zugrunde liegende Vertrag als mittelbares Finanzierungsleasing qualifiziert wurde und demnach im ersten Schritt der Leasinggeber die benötigte Sache beim Lieferanten käuflich zu erwerben hatte. Auch die Entscheidung 8 Ob 76/06v betraf einen mittelbaren Finanzierungsleasingvertrag, demzufolge im ersten Schritt die klagende Leasinggesellschaft zwei Laptops samt Software von einem Kommunikationsunternehmen zu kaufen hatte. In dieser Entscheidung wurde ausgeführt, dass der Vertreter einer Verkäuferfirma insoweit auch Vertrauensperson betreffend die richtige Übermittlung der Angebots- und Annahmeerklärungen der Leasingfirma sei, als er – vorab zum Zweck der Vermittlung – auch Vertragsformulare der Leasingfirma mit sich führe. In 6 Ob 24/10p wurde davon ausgegangen, dass die Anlageberatungsgesellschaft bei der Vermittlung der Finanzprodukte im Auftrag der beklagten Bank tätig war. Dies wurde daraus abgeleitet, dass sie – und zwar vorab zum Zweck der Vermittlung – mit den Formularen „Konto- und Depoteröffnungsantrag“ und „Investmentangaben/Fondskäufe“ ausgestattet war.
Nach dem der Entscheidung 1 Ob 5/04y zugrunde liegenden Sachverhalt bestand zwischen den Mitarbeitern (einer Tochtergesellschaft) der finanzierenden Klägerin und Mitarbeitern der Verkäuferin von Eigentumswohnungen im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung ein eingespieltes Verfahren über die Vermittlung von Finanzierungen der Klägerin.
In der Entscheidung 4 Ob 129/12t wurde die Frage, ob das Verhalten des Anlageberaters nach § 1313a ABGB der beklagten Bank zuzurechnen ist, unter der Voraussetzung bejaht, dass die Bank den Anlageberater ständig mit dem Vertrieb von Anlageprodukten betraut und auf diese Weise in die Verfolgung ihrer eigenen Interessen eingebunden hatte. In der Begründung dieser Entscheidung wurde unter Bezugnahme auf § 875 ABGB ausgeführt, dass für die Zurechnung im irrtumsrechtlichen Zusammenhang maßgebend sei, dass der Mittelsmann im Auftrag der Bank tätig geworden war, sodass er nicht als Dritter im Sinn des § 875 ABGB angesehen werden kann (4 Ob 44/11s). In 3 Ob 75/06k habe der Oberste Gerichtshof die Zurechnung von einer bewussten Instrumentalisierung des Vermittlers abhängig gemacht.
In der Entscheidung 2 Ob 112/00k wurde im gegebenen Zusammenhang festgehalten, dass der den Irrtum Veranlassende vom Gegner jedenfalls mit der Verhandlungsführung beauftragt worden sein muss. In SZ 44/59 = 1 Ob 114/71 habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass der Schuldner, der auf Veranlassung des Gläubigers mit seinem Bekannten wegen Übernahme einer Bürgschaft verhandle, nicht schon deshalb Verhandlungsbeauftragter des Gläubigers sei, weil der Gläubiger ihn zu den Verhandlungen veranlasst habe und ein dem Schuldner gleich gerichtetes Interesse daran habe, dass der Bekannte des Schuldners die Bürgschaft übernehme. Eine Haftung des Gläubigers werde auch nicht dadurch begründet, dass er den Schuldner als Boten zur Einholung einer Unterschrift verwende. Anders sei es aber, wenn der Gläubiger den Schuldner durch einen Verhandlungsauftrag dem Bürgen gegenüber zum „Mann seines Vertrauens“ erklärt habe.
4. Im Anlassfall sind die Vorinstanzen von diesen zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen.
Den Feststellungen lässt sich gerade nicht entnehmen, dass der Mitarbeiter der Lieferantin von der Klägerin beauftragt war, was auch die Beklagte selbst erkennt. Auch sonst bestehen nach den Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mitarbeiter der Lieferantin Verhandlungsgehilfe der Klägerin gewesen wäre. Erst nachdem sich die Beklagte zur Anschaffung des Geräts entschieden hatte, wurde die Finanzierungsanfrage im Rahmen eines sale‑and‑lease‑back‑Geschäfts an die Klägerin gestellt; bis dahin war die Klägerin in das Geschäft nicht involviert. Die Lieferantin war auch nicht vorab zum Zweck der Vermittlung mit Formularen oder Geschäftsunterlagen der Klägerin ausgestattet. In der Folge wurden die Vertragsunterlagen von der Klägerin nur zum Zweck an die Lieferantin übermittelt, diese von der Beklagten unterfertigen zu lassen.
Davon ausgehend hält sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Lieferantin nicht mit der Verhandlungsführung für die Klägerin beauftragt war, sondern dieser lediglich eine bloße Botentätigkeit zukam, weshalb sie der Klägerin nicht als Verhandlungsgehilfin zuzurechnen ist, im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (vgl etwa auch den gleichgelagerten Fall zu 3 Ob 93/16x). Hinzu kommt, worauf das Berufungsgericht ebenfalls hingewiesen hat, dass nach den Bestimmungen des Leasingvertrags der Lieferant ausdrücklich nicht berechtigt war, Erklärungen für die Klägerin abzugeben oder entgegenzunehmen.
5. Soweit die Beklagte in der Revision ausführt, dass der Vertreter der Lieferantin zumindest als Anscheinsgehilfe der Klägerin anzusehen sei, bezieht sie sich auf eine Rechtsprechung, die zum (Anscheins-)Erfüllungsgehilfen nach § 1313a ABGB und nicht zum Verhandlungsgehilfen im Sinn des § 875 ABGB ergangen ist. Aber auch für die Qualifikation als Anscheinsgehilfe ist ein besonderes Zurechnungselement erforderlich, das darin besteht, dass der Gehilfe zumindest scheinbar – aufgrund eines vom scheinbaren Geschäftsherrn ausgehenden Rechtsscheins – in dessen Pflichtenprogramm gegenüber dem Vertragspartner einbezogen war (vgl dazu allgemein RIS‑Justiz RS0028425; RS0028499). Der Geschäftsherr hat in diesem Zusammenhang nämlich nur für jene Personen einzustehen, für die der Anschein der Gehilfenhaftung besteht, wofür vorausgesetzt ist, dass der Geschäftsherr in zurechenbarer Weise den Anschein einer Gehilfeneigenschaft erweckt (vgl 6 Ob 146/18s). Dies erfordert zumindest ein bewusstes, nach außen erkennbares Gewährenlassen des Gehilfen, wofür im Anlassfall ebenfalls keine Anhaltspunkte bestehen.
6. Den weiteren Ausführungen in der Revision zur „erstmaligen Verschaffungspflicht“ des Leasinggebers und zum angeblichen Rücktrittsrecht der Beklagten nach dem FAGG kommt keine Bedeutung zu. Nach den Feststellungen ist weder von einem Mangel des Geräts auszugehen, noch hat die Beklagte zu irgendeinem Zeitpunkt einen Rücktritt von einem der Verträge, insbesondere vom Leasingvertrag, erklärt. Sie hat das Gerät im Rahmen des Betriebs ihres Kosmetikstudios verwendet und – entgegen ihrer Ansicht – kein zusätzliches branchenfremdes Unternehmen neu betrieben.
7. Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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