European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:008OBS00005.19X.0627.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 1 Abs 6 Z 2 IESG haben Gesellschafter, denen ein beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft zusteht, auch wenn dieser Einfluss ausschließlich oder teilweise auf der treuhändigen Verfügung von Gesellschaftsanteilen Dritter beruht oder durch treuhändige Weitergabe von Gesellschaftsanteilen ausgeübt wird, keinen Anspruch auf Insolvenz-Entgelt.
2. Der Tatbestand des beherrschenden Einflusses im Sinne des § 1 Abs 6 Z 2 IESG ist nicht nur dann erfüllt, wenn der Gesellschafter kraft seines Beteiligungsverhältnisses als Mehrheitsgesellschafter die Beschlussfassung in der Generalversammlung im Wesentlichen allein bestimmen kann, sondern auch dann, wenn er über einen solchen Anteil verfügt, der ihn in die Lage versetzt, eine Beschlussfassung in der Generalversammlung zu verhindern (RIS-Justiz RS0077381), und zwar hinsichtlich im Rahmen der Unternehmensführung wesentlicher, anderer als ohnehin nach dem Gesetz nur mit qualifizierter Mehrheit zu beschließender Angelegenheiten (RS0077386; 9 ObS 21/91).
3. Nach den Feststellungen war der vom 1. 1. bis 2. 5. 2018 bei der späteren Schuldnerin, der T***** GmbH, angestellte Kläger (erst) seit dem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 26. 2. 2018 mit einer Stammeinlage von 4 % an diesem Unternehmen beteiligt. Auch die Beklagte bezweifelt nicht, dass ihm allein damit kein beherrschender Einfluss auf diese Gesellschaft zukam. Am 30. 1. 2018 erteilte eine damals noch einen Anteil von 40 % (nach dem 26. 2. 2018 31,88 %) an der späteren Schuldnerin haltende Gesellschafterin, die C***** GmbH, dem Kläger die Vollmacht, sie in der Generalversammlung am 1. 2. 2018 zum Abschluss eines Beteiligungsvertrags mit einer weiteren GmbH sowie der damit im Zusammenhang stehenden notwendigen Schritte zu vertreten. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass diese Vollmacht dem Kläger keinen beherrschenden Einfluss auf die spätere Schuldnerin vermittelt hat, auch wenn die schriftliche Vollmacht (von der Vollmachtgeberin ungewollt) ihrem Wortlaut nach nicht auf die Vertretung der C***** GmbH in dieser Angelegenheit beschränkt war und erst am 3. 7. 2018 widerrufen wurde, stellt keine im Einzelfall vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.
4.1 Eine solche zeigt die Beklagte auch mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung nicht auf, wonach es bei der Stellung als Gesellschafter mit beherrschendem Einfluss nur auf die typischerweise gegebenen Einfluss- und Informationsmöglichkeiten, nicht aber auf allfällige Gründe für die mangelnde Ausübung dieser Möglichkeiten ankommt (8 ObS 315/97z; 8 ObS 21/03a; 8 ObS 1/13z). Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, dass die bloße Beschränkung des Treuhänders nach innen die Annahme des Ausschlusstatbestands nicht hindert, zumal einerseits auch der intern gebundene Treuhänder nach außen eine wesentliche Rechtsposition hat und andererseits die Einschränkung der Verfügungsmacht auch nicht entsprechend dokumentiert ist und deshalb eine höhere Anfälligkeit für Missbräuche besteht (8 ObS 1/13z; 8 ObS 2/13x; 8 ObS 3/13v).
4.2 Die konkrete Stellung des Klägers als Bevollmächtigter ist hier aber mit der eines Treuhänders nicht vergleichbar.
Eine Bevollmächtigung ist von einer Treuhand zu unterscheiden (vgl Strasser in Rummel , ABGB 3 § 1002 Rz 42b). Ein Treuhänder ist nach außen hin unbeschränkt Verfügungsberechtigter, unterliegt allerdings im Innenverhältnis besonderen Bindungen und Beschränkungen. Er handelt im eigenen Namen, jedoch regelmäßig auf fremde Rechnung (RS0010482 [T2]; P. Bydlinski in KBB 5 § 1002 Rz 7). Dagegen wird der Bevollmächtigte – dem Offenlegungsgrundsatz im Stellvertretungsrecht entsprechend (RS0019516) – im fremden Namen und auf fremde Rechnung tätig. Vollmacht ist die rechtsgeschäftlich eingeräumte Befugnis zu wirksamer Stellvertretung des Vollmachtgebers ( Rubin in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.03 § 1002 Rz 49). Der Bevollmächtigte eines Gesellschafters ist als solcher – anders als der Treuhänder – weder in rechtlicher noch in wirtschaftlicher Hinsicht Gesellschafter. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Generalvollmacht einem Bevollmächtigten dennoch beherrschenden Einfluss auf eine Gesellschaft im Sinne des § 1 Abs 6 Z 2 IESG vermitteln könnte, braucht im vorliegenden Fall nicht geklärt zu werden. Die Vollmacht des Klägers (im Innenverhältnis) war auf die Vertretung der C***** GmbH beim Abschluss eines Beteiligungsvertrags mit einer bestimmten Investorin in der Generalversammlung am 1. 2. 2018, als der Kläger selbst noch gar nicht Minderheitsgesellschafter der T***** GmbH war, beschränkt. Da der Kläger zu keinem weiteren Zeitpunkt für die Vollmachtgeberin auftrat und von der schriftlichen Vollmacht Gebrauch machte, stellt sich auch die Frage nicht, welche Reichweite die schriftliche Vollmacht im Außenverhältnis gegenüber Dritten (denen die interne Beschränkung nicht bekannt war) gehabt hätte (§ 1017 ABGB).
Einen beherrschenden Einfluss des Klägers auf die spätere Schuldnerin bringt die Beklagte damit nicht zur Darstellung.
5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
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