European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E125561
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen Punkt 3. des Beschlusses des Rekursgerichts (Ermächtigung des Sohnes der Verstorbenen zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2018) richtet, zurückgewiesen.
Im Übrigen wird ihm nicht Folge gegeben.
Begründung:
Die Verlassenschaft nach der am * verstorbenen F* H* ist überschuldet. Laut Einkommenssteuerbescheid vom 11. 6. 2018 ergibt sich für das Jahr 2017 eine Gutschrift aus der Arbeitnehmerveranlagung von 3.253 EUR, die zur Gänze dem den Revisionsrekurs erhebenden Sozialhilfeträger ausbezahlt wurde. Dieser ist bereit, davon 20 % an die Verlassenschaft auszubezahlen.
Im Verlassenschaftsverfahren meldete der Sozialhilfeträger 37.763,73 EUR an Heimkosten für die Verstorbene im Zeitraum vom 1. 1. 2015 bis zu ihrem Tod als Ersatzforderung an, insoweit dieser Betrag „durch 80 % des Einkommens und 80 % des Guthabens der Arbeitnehmerveranlagung gedeckt ist“. Er steht auf dem Standpunkt, in diesem Umfang absonderungsberechtigt zu sein. Für den Fall, dass der Sohn der Verstorbenen keinen Antrag auf Ermächtigung zum Steuerausgleich stellen sollte, beantragte er, ihm diese Ermächtigung zu erteilen.
Der Sohn der Verstorbenen bestritt eine Rechtsgrundlage für die bevorrechtete Berücksichtigung dieser Forderung noch vor den Massekosten und beantragte weiters, ihn zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung nach der Verstorbenen für das Jahr 2018 zu ermächtigen.
Das Erstgericht stellte die Aktiva mit 3.324,31 EUR (zusammengesetzt aus einem Bankguthaben iHv 71,31 EUR sowie dem Guthaben aus der Arbeitnehmerveranlagung für 2017) fest und berücksichtigte ein dem Sozialhilfeträger zustehendes Absonderungsrecht iHv 80 % des Guthabens laut Einkommensteuerbescheid. Weiters wurden die Kosten des Gerichtskommissärs zur Gänze und die angemeldeten Forderungen einer deutschen Rentenversicherung sowie des Sohnes für beglichene Begräbniskosten jeweils quotenmäßig beteilt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Sohnes teilweise Folge. Es schied 80 % des Steuerguthabens aus den Nachlassaktiva aus, sodass 721,91 EUR (20 % aus dem Guthaben aus der Arbeitnehmerveranlagung sowie das Bankguthaben) verblieben. Der vom Sozialhilfeträger geltend gemachte Anspruch betreffe das Einkommen und falle daher nicht unter das Regressverbot des § 330a ASVG. Anders als im ASVG finde sich allerdings im EStG keine Bestimmung über eine Legalzession, weshalb kein Absonderungsrecht zustehe. Die Forderung des Sozialhilfeträgers auf 80 % des Guthabens bestehe nur als allgemeine Forderung gegen die Verlassenschaft. Da jedoch nur jene Nachlassaktiven verteilt werden könnten, die auch im Nachlass vorhanden seien und worüber die rechtliche Verfügungsmöglichkeit bestehe, könne lediglich jener Betrag, den der Sozialhilfeträger auszubezahlen bereit sei, zur Verteilung gelangen. Der Revisionsrekurs wurde mangels einschlägiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung zugelassen.
Dagegen erhebt der Sozialhilfeträger Revisionsrekurs mit dem Antrag, den Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen. Aufgrund der Legalzession des § 324 Abs 3 ASVG stünden ihm 80 % des Guthabens aus der Arbeitnehmerveranlagung als Absonderungsanspruch zu. Aufgrund des bevorrangten Befriedigungsrechts sei ihm auch die Ermächtigung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2018 zu erteilen.
Der Sohn der Verstorbenen erstattete keine Revisionsrekursbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist in Bezug auf die Ermächtigung zur Arbeitnehmerveranlagung unzulässig, ansonsten zulässig, weil zur Berücksichtigung des § 324 Abs 3 ASVG im Verlassenschaftsverfahren oberstgerichtliche Judikatur fehlt (vgl jedoch die am heutigen Tag ergangene Entscheidung 2 Ob 161/18t). Er ist aber nicht berechtigt.
1. Zur Ermächtigung des Sohnes:
Der Sozialhilfeträger hat ursprünglich mit seiner Forderungsanmeldung eine Heimgebühren-Bestätigung für das Jahr 2018 zur Ausfolgung an den Angehörigen zwecks Antragstellung beim Finanzamt beigelegt (AS 43) und später für den Fall, dass der Sohn keine Ermächtigung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung anstreben sollte, beantragt, ihm diese Ermächtigung zu erteilen (AS 83).
Tatsächlich hat der Sohn aber zuletzt die Ermächtigung beantragt, die ihm vom Rekursgericht auch erteilt wurde, sodass der Eventualantrag des Sozialhilfeträgers nicht zum Tragen kommt.
Sein Revisionsrekurs ist daher insoweit mangels Beschwer zurückzuweisen.
2. Zur Nachlasszugehörigkeit des Steuerguthabens:
2.1 Gemäß § 324 Abs 3 ASVG geht dann, wenn ein Renten‑ bzw Pensionsberechtigter (ua) auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe in einer der dort näher bezeichneten Einrichtungen verpflegt wird, für die Zeit dieser Pflege der Anspruch auf Rente bzw Pension (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge) bis zur Höhe der Verpflegungskosten, höchstens jedoch bis zu 80 % dieses Anspruchs auf den Träger der Sozialhilfe über. Der Anspruch auf die restlichen 20 % verbleibt dagegen im Sinne einer „Pensionsteilung“ der den Anspruch innehabenden Person, ohne Zweckbindung und damit als eine Art „Taschengeld“ (Pfeil in FS Tomandl [1998], Rechtsprobleme bei der Tragung der Kosten für stationäre Unterbringung und Pflege, 575 [581]).
2.2 Die Bestimmung statuiert eine Legalzession für monatliche Geldleistungsansprüche (vgl § 105 ASVG) zugunsten jenes Trägers, auf dessen Kosten der betreffende Pensions- oder Rentenberechtigte in einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung „verpflegt“ wird (3 Ob 45/11f SZ 2011/123; RS0066396; Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 324 ASVG Rz 2; Pöltner/Pacic, ASVG § 324 Anm 9a). Der Bundesgesetzgeber wollte damit den Trägern der Sozialhilfe auf Landesebene einen unmittelbaren Zugriff auf bestimmte Geldleistungen eröffnen, die der Deckung eines Bedarfs dienen, der ohnedies in natura in einer stationären Einrichtung gedeckt wird (vgl den AB zur Stammfassung des ASVG 613 BlgNR 7. GP 29; Pfeil in FS Tomandl 575 [581]).
2.3 Der Anspruchsübergang nach § 324 Abs 3 ASVG erfolgt unmittelbar bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen. Es ist keine Anzeige oder eine sonstige Erklärung eines der beteiligten Träger erforderlich (3 Ob 45/11f; Pöltner/Pacic, ASVG § 324 Anm 9a; Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 324 ASVG Rz 27). Er findet grundsätzlich für jeden Monat, in dem die Unterbringung bzw Pflege erfolgt, statt, weil die Leistung pro Kalendermonat gebührt (Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV‑Komm § 324 ASVG Rz 19) und betrifft zeitlich kongruente Leistungen, also solche, die von einem Träger für einen Zeitraum erbracht wurden, für den der Leistungsbezieher einen Anspruch auf Renten‑ oder Pensionsleistungen hatte (Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV‑Komm § 324 ASVG Rz 6).
Dem Pensionsberechtigten steht für diese Zeit nur mehr der nicht vom Forderungsübergang erfasste Teil seines Anspruchs zu (3 Ob 45/11f; RS0066396).
2.4 Da die Verstorbene 2017 in einem Pflegeheim untergebracht war und sie die Kosten dafür unstrittig nicht selbst bezahlte, ist der zeitlich kongruente Anspruch auf die monatlichen Pensionsleistungen dieses Jahres im Ausmaß von 80 % auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen und insoweit kein in den Nachlass fallender Anspruch der Verstorbenen vorhanden.
2.5 Das Guthaben aus der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 resultiert, wie dem im Akt erliegenden Steuerbescheid zu entnehmen ist, ausschließlich aus Bezügen von der Pensionsversicherungsanstalt unter Berücksichtigung geltend gemachter Kosten aus der eigenen Behinderung der Verstorbenen als außergewöhnliche Belastung. Die aufgrund dessen insgesamt erfolgte Neuberechnung der abzuführenden Einkommenssteuer erbrachte ein Guthaben der Verstorbenen bzw des Nachlasses. In diesem befindet sich somit auch ein Anteil, der auf die auf den Sozialhilfeträger übergegangenen Pensionsansprüche entfällt.
Bei einer den individuellen Verhältnissen von vorneherein angepassten Steuerberechnung wäre insgesamt ein höherer Pensionsbetrag ausbezahlt worden und damit – als Konsequenz aus § 324 Abs 3 ASVG – der Übergang auf den Sozialhilfeträger betragsmäßig höher ausgefallen. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als § 4 Abs 1 Z 1 der OÖ Sozialhilfeverordnung 1998 als Einkommen ausdrücklich die Einkünfte abzüglich (ua) einbehaltener Lohnsteuer definiert. Eines besonders normierten Übergangs in den Steuergesetzen bedarf es dafür nicht. Dass dieser übergegangene Anteil 80 % des Steuerguthabens ausmacht, ist zwischen den Parteien nicht strittig und auch aus dem Akteninhalt nicht anders ersichtlich.
2.6 Da dieser im Wege der Legalzession übergegangene Teil des die Pensionsansprüche betreffenden Steuerguthabens somit ebenso wie der entsprechende Anteil an den zugrunde liegenden Pensionsansprüchen selbst nicht in den Nachlass fällt, wurde er vom Rekursgericht im Ergebnis zu Recht auch nicht bei der Überlassung an Zahlungs statt unter den Aktiva berücksichtigt.
2.7 Ein (gemeint wohl:) Aussonderungsanspruch besteht nur dann, wenn sich in der Masse (hier der Verlassenschaft) Sachen befinden, die nicht dem Schuldner (hier dem ruhenden Nachlass) gehören (vgl § 44 IO). Da sich das Steuerguthaben für 2017 aber unstrittig nicht im Nachlass befindet, stellt sich die Frage des Aussonderungsrechts nicht, sodass die beantragte Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung nicht in Frage kommt.
Dem Revisionsrekurs ist daher insofern der Erfolg zu versagen.
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