OGH 6Ob81/19h

OGH6Ob81/19h23.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch die Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die (zuletzt) beklagten Parteien 4. B *****, vertreten durch Berlin & Partner Rechtsanwälte in Salzburg, und 9. Dr. T*****, vertreten durch Dr. Malte Berlin, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 4.545.459,23 EUR sA (viertbeklagte Partei) und 2.000.000 EUR sA (neuntbeklagte Partei solidarisch mit der viertbeklagten Partei) sowie Feststellung, aus Anlass des Rekurses der viert- und der neuntbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 5. Februar 2019, GZ 5 R 86/18h‑3, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00081.19H.0523.000

 

Spruch:

1. Der Unterbrechungsantrag der viert- und der neuntbeklagten Partei betreffend das Rekursverfahren gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 5. 2. 2019 zu AZ 5 R 86/18h wird zurückgewiesen.

2. Aus Anlass des Rekurses wird der angefochtene Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 5. Februar 2019, GZ 5 R 86/18h‑3, als nichtig aufgehoben und der Rekurs gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 27. März 2018, GZ 22 Cg 36/12d‑716, zurückgewiesen.

3. Die viert- und die neuntbeklagte Partei sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 8.123,08 EUR (darin enthalten 1.353,85 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

 

Begründung:

Die Klägerin nimmt mit ihrer 2012 beim Landesgericht Klagenfurt eingebrachten Klage (22 Cg 36/12d) (ua) die beiden jetzigen Rekurswerber als Beklagte (in der Folge „Rekurswerber“) auf Zahlung und Feststellung in Anspruch.

Mit dem Beschluss des Personalsenats des Landesgerichts Klagenfurt vom 14. Februar 2018, 1 Jv 1/18y‑07, wurde diese Rechtssache wegen des Krankenstands der zuständigen Richterin der Richterin des Landesgerichts ***** als Vorsitzende zur Bearbeitung zugewiesen.

Über Aufforderung der genannten Richterin an die Parteien, allfällige Einwendungen gegen den Richterwechsel zu erheben, erstatteten die Rekurswerber Einwendungen, worin sie Ablehnungsanträge wegen Ausgeschlossenheit und Befangenheit der Mitglieder des Personalsenats des Landesgerichts Klagenfurt, die den genannten Beschluss fassten, erhoben; der Beschluss sei daher nicht rechtmäßig zustandegekommen.

Über diese Ablehnungsanträge wurde bislang noch nicht entschieden.

Die Richterin, der die Rechtssache mit dem erwähnten Personalsenatsbeschluss zugewiesen worden war, erklärte sich mit Beschluss vom 27. März 2018 zur gesetzlichen Richterin im Verfahren 22 Cg 36/12d des Landesgerichts Klagenfurt und verwarf die Einwendungen der Rekurswerber gegen den Richterwechsel (22 Cg 36/12d‑716).

Gegen diesen Beschluss erhoben die Rekurswerber Rekurs (5 R 86/18h des Oberlandesgerichts Graz).

Am 25. Juni 2018 (ON 728) lehnten die Rekurswerber die Richterin, der die Streitsache zugewiesen worden war, ab. Über diesen Ablehnungsantrag ist noch nicht entschieden.

Das Oberlandesgericht Graz sprach mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss aus Anlass des Rekurses der Rekurswerber gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 27. März 2018 aus, die Senatsabteilung 5 des Oberlandesgerichts Graz sei zur Entscheidung der Ablehnungsanträge der Rekurswerber wegen Ausgeschlossenheit und Befangenheit der Mitglieder des Personalsenats des Landesgerichts Klagenfurt, die den Beschluss vom 14. Februar 2018 zu 1 Jv 1/18y‑07 fassten, funktionell unzuständig. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig.

Mit Beschluss vom 20. März 2019 unterbrach das Oberlandesgericht Graz das zu 5 R 86/18h anhängige Rekursverfahren über den Rekurs der Rekurswerber gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 27. März 2018 (ON 716) bis zur Entscheidung über die Ablehnungsanträge der Rekurswerber gegen die Mitglieder des Personalsenats. Zugleich sprach das Oberlandesgericht Graz aus, die Entscheidung über die Unterbrechung des Rekursverfahrens gegen den hier angefochtenen Beschluss bleibe dem Obersten Gerichtshof vorbehalten.

Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 5. Februar 2019, 5 R 86/18h‑3, erheben die Rekurswerber den Rekurs mit dem Antrag, ihn ersatzlos aufzuheben; sie stellen mehrere Eventualanträge. Sie beantragen erkennbar weiters, das gegenständliche Rekursverfahren bis zur Entscheidung über die Ablehnung der Richterin, der die Rechtssache zugewiesen wurde, zu unterbrechen.

Die klagende Partei beantragt in der Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu wurde erwogen:

Während des Geschäftsverteilungsjahres darf die Geschäftsverteilung nur aus wichtigen dienstlichen Gründen geändert werden. Änderungen in der Leitung und Vertretung einer Gerichtsabteilung sind tunlichst zu vermeiden und auf unumgängliche Fälle zu beschränken. Ein unumgänglicher Fall liegt etwa dann vor, wenn aufgrund der Wahrnehmung von Vertretungsaufgaben in einer – nicht bloß kurzfristig – unbesetzten Gerichtsabteilung insgesamt keine gleichmäßige Auslastung mehr gegeben wäre oder wenn die Geschäftsanfallsentwicklung erheblich von den zugrunde gelegten Annahmen abweicht (§ 27a Abs 1 GOG).

Der Personalsenat des Gerichtshofs hat über den Antrag ohne Verzug Beschluss zu fassen und gegebenenfalls die Geschäftsverteilung für das restliche Geschäftsverteilungsjahr abzuändern (§ 27a Abs 4 GOG).

Gemäß § 27a Abs 5 GOG ist gegen Beschlüsse nach dessen Abs 1 und 4 kein Rechtsmittel zulässig.

Die Festsetzung der Geschäftsverteilung durch den Personalsenat erfolgt nicht in Ausübung der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen. Beschlüsse des Personalsenats, mit denen Geschäftsverteilungsmaßnahmen getroffen wurden, können, da die Vorschriften der JN und der ZPO auch nicht analog auf sie angewendet werden können, durch die Parteien jener Verfahren, die durch sie betroffen wurden, nicht mit Rechtsmitteln des Zivilverfahrens angefochten werden (RS0043733).

Für einen Ablehnungsantrag gegen Mitglieder des Personalsenats fehlt eine gesetzliche Grundlage. § 49 Abs 4 RStDG ermöglicht nur davon betroffenen Richtern die Geltendmachung von Ausschlussgründen von Personalsenatsmitgliedern. Die von den Rekurswerbern argumentierte analoge Anwendung der §§ 19 ff JN sowie von § 49 Abs 4 und 5 RStDG setzte eine regelwidrige Gesetzeslücke voraus (RS0106092). Es müsste also eine „planwidrige Unvollständigkeit“, also eine nicht gewollte Lücke vorliegen (RS0098756). Eine planwidrige Lücke zeigen die Rekurswerber aber nicht auf, vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Novelle BGBl I 2015/94 am Konzept festgehalten, dass über die Einrede der nicht vorschriftsmäßigen Gerichtsbesetzung nach § 477 Abs 1 Z 2 ZPO entweder in einem gesondert ausgefertigten Beschluss oder in der über die Hauptsache ergehenden Entscheidung abzusprechen ist (§§ 260, 261 Abs 1 ZPO).

 

Diese Entscheidungen sind infolge analoger Anwendung des § 45 JN unanfechtbar. Es ist dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen, dass er an die Entscheidung eines überhaupt unzuständigen Gerichts weniger strenge Folgen knüpfen wollte als an die Entscheidung durch einen nur nach der Geschäftsverteilung unzuständigen Richter des „richtigen" Gerichts (vgl 6 Ob 51/09g und 3 Ob 109/18b).

Die weitgehende Gleichbehandlung von Verstößen gegen die Zuständigkeitsordnung und solchen gegen die Geschäftsverteilung ist gerechtfertigt, weil sowohl die Bestimmungen über die Zuständigkeit als auch diejenigen über die Geschäftsverteilung letztlich das gleiche Rechtsgut, nämlich das Recht auf den gesetzlichen Richter, schützen wollen. Ein Verstoß gegen die Geschäftsverteilung wiegt zudem in der Regel weniger schwer und ist für die Parteien auch mit weniger schwerwiegenden Konsequenzen verbunden. Dass Art 83 Abs 1 B‑VG die einfachgesetzlichen Zuständigkeitsregeln nicht näher determiniert, während die Geschäftsverteilung von Verfassungs wegen (Art 87 Abs 3 B‑VG) einen weitgehend bestimmten Inhalt aufweisen muss, rechtfertigt keine unterschiedliche Behandlung beider Fälle und sagt vor allem über die Schwere eines Verstoßes nichts aus (Kodek in Fasching/Konecny 3 III/1 § 260 ZPO Rz 66).

Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 2 ZPO wird nur erfüllt, wenn das Gericht über den Einwand der unrichtigen Besetzung oder des Verstoßes gegen die Geschäftsverteilung nicht ausdrücklich abgesprochen hat, etwa weil es den Einwand übersehen hat oder zu einem derartigen Einwand keine Gelegenheit bestand.

Eine Rechtsschutzlücke, die es nötig erscheinen ließe, den Parteien entgegen der Intention von § 27a Abs 5 GOG die im Gesetz nicht normierte gesonderte Ablehnung von Personalsenatsmitgliedern wegen Befangenheit zu ermöglichen, besteht nicht.

Der Unterbrechungsantrag war zurückzuweisen, weil für die hier unter Punkt 2. des Spruchs getroffene Entscheidung der Ausgang des Ablehnungsverfahrens gegen die Erstrichterin nicht präjudiziell ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 51 Abs 1 ZPO. Die Nichtigkeit des Verfahrens gründet auf den unzulässigen Anträgen der Rekurswerber.

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