OGH 9Ob17/19v

OGH9Ob17/19v15.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C* GmbH, *, vertreten durch die Bischof Zorn + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. D * OG, 2. E*, 3. M*, alle vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Mietzins und Räumung, hier wegen einstweiligem Mietzinses (§ 382f EO), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. Jänner 2019, GZ 40 R 17/19z‑35, mit dem dem Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 30. November 2018, GZ 5 C 175/18g‑28, Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E125163

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.570,57 EUR (darin enthalten 428,43 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurs der Klägerin ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§§ 402, 78 EO, § 526 Abs 2 ZPO) – nicht zulässig.

2. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt auch dann keine erhebliche Rechtsfrage (§ 528 Abs 1 ZPO) vor, wenn das Gesetz selbst eine klare und eindeutige Regelung trifft (RS0042656). Das ist hier der Fall:

Nach § 382f EO kann das Gericht auf Antrag des Vermieters dem Hauptmieter die Zahlung eines einstweiligen Mietzinses auftragen, wenn zwischen den Parteien eines dem Mietrechtsgesetz gänzlich unterliegenden Hauptmietvertrags über eine Wohnung oder eine Geschäftsräumlichkeit ein Verfahren über eine Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG oder über eine Räumungsklage wegen Mietzinsrückstands gemäß § 1118 ABGB anhängig ist.

Das Gesetz macht damit die Möglichkeit, einen einstweiligen Mietzins aufzuerlegen, vom Vorliegen eines Hauptmietverhältnisses abhängig.

3. Der von der Revisionsrekurswerberin unter Berufung auf eine vergleichbare Interessenlage argumentierte Analogieschluss auf Untermietverhältnisse setzt das Vorliegen einer Gesetzeslücke voraus, das heißt, dass der Rechtsfall nach dem Gesetz nicht beurteilt werden kann, jedoch von Rechts wegen einer Beurteilung bedarf, somit eine „planwidrige Unvollständigkeit“ vorliegt (RS0098756). Wurde aber vom Gesetzgeber für einen bestimmten Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge bewusst nicht angeordnet, so fehlt es an einer Gesetzeslücke und daher auch an der Möglichkeit ergänzender (analoger) Rechtsfindung.

Im Hinblick darauf, dass nicht zu unterstellen ist, dass dem Gesetzgeber die Existenz von Untermietverhältnissen nicht bekannt war (so selbst Vonkilch, Der einstweilige Mietzins, immolex 2004, 228, der eine Analogie aufgrund gleicher Interessenlage befürwortet), ist nicht von einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes auszugehen (in diesem Sinn auch die weit überwiegende Lehre: Klicka in Hausmann/Vonkilch, Kommentar Österreichisches Wohnrecht – MRG3 § 41 Rz 12; Rauer, Praktische Überlegungen zum einstweiligen Mietzins nach § 382f EO, wobl 2005, 41; vgl auch Sailer in Burgstaller/Deixler‑Hübner, EO [2015] § 382f EO Rz 4; Stabentheiner, Das wohnrechtliche Außerstreitbegleitgesetz, wobl 2004, 33, 34; Kodek in Angst/Oberhammer, EO³ § 382f Rz 4; Mini in GeKo Wohnrecht I § 382f EO Rz 7; Prader, MRG 5.06 § 41, Anm 2; Prader/Kuprian, Wohnrechtliches Außerstreitverfahren [2004], 68; aA Vonkilch, Der einstweilige Mietzins, immolex 2004, 228).

Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt, der beispielsweise in der Entscheidung 8 Ob 100/05x zu beurteilen war: Im Rahmen der komplexen Regelungen des (Teil‑)Anwendungsbereichs des MRG ist nicht auszuschließen, dass in einzelnen Fallkonstellation eine der Wertung des § 382f EO vergleichbare Interessenlage vorliegt, die vom Gesetzgeber nicht bedacht wurde.

4. Dazu kommt, dass der Gesetzgeber auf die Kritik, dass trotz vergleichbarer Situation eine unmittelbare Anwendung des § 382f EO im Bereich von Nutzungsverträgen, die dem WGG unterliegen, nicht vorgesehen ist, mit der Einführung des § 20 Abs 3a WGG im Rahmen der Wohnrechtsnovelle 2006 – WRN 2006 (BGBl I 2006/124) reagiert hat (vgl ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP  47). Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Untermietverhältnisse erfolgte dagegen nicht.

5. Ist aber das Vorliegen einer planwidrigen Lücke zu verneinen, verbietet sich eine analoge Anwendung einer Regelung unabhängig davon, ob eine vergleichbare Interessenlage eine solche wünschenswert erscheinen ließe.

6. Aufgrund der klaren Gesetzeslage ist daher das Vorliegen einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO zu verneinen. Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78, 402 EO sowie auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsrekursbeantwortung ausdrücklich auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.

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