European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00030.19P.0507.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Sozialrechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Der Kläger – der nach seinen eigenen Angaben den Beruf eines Tischlers erlernt hat – ist seit 1988 bei der Lebenshilfe O***** als Behinderten‑Fachbetreuer in einer Holzwerkstätte tätig, in der insgesamt etwa 14 Klienten betreut werden. Seit dem Jahr 2003 ist er zwischen 8:00 Uhr und 16:00 Uhr vorwiegend und hauptsächlich für die Betreuung eines Klienten zuständig, dem die Pflegestufe 6 zuerkannt wurde. Nach den bisherigen Feststellungen verwendet dieser Klient (Herr E*****) keinen Rollstuhl, er kann nicht alleingelassen werden. Der Kläger holt ihn morgens vom Bus ab und begleitet ihn zur Einrichtung. Er setzt ihn für 30 Minuten auf einen Bewegungstrainer (an dem er angegurtet werden muss). Nach einem WC‑Gang und dem Wechseln der Einlage folgt eine Jause, die eingegeben werden muss. Getränke sind herzurichten. Danach hält sich Herr E***** in der Holzwerkstätte auf und schaut den anderen Klienten bei ihrer Beschäftigung zu. Eine dauernde Anwesenheit im Sinn eines ständigen Danebensitzens ist nicht erforderlich, es muss zu ihm aber immer Sichtkontakt gehalten werden. Zu Mittag begleitet der Kläger Herrn E***** in den Speisesaal, wo er ihm das Essen eingibt. Nachdem der Kläger eine zwanzig-minütige Mittagspause hatte, erledigt er mit Herrn E***** neuerlich den WC‑Gang, wechselt die Einlage und muss ihn dabei – erforderlichenfalls – auch reinigen. Während der Beschäftigungszeiten in der Holzwerkstätte besteht die Tätigkeit des Klägers in einer reinen Beaufsichtigung, ebenso während der Zeiträume, in denen sich die Klienten nach dem Mittagessen im Aufenthaltsraum oder im Garten aufhalten. Die mit Herrn E***** durchzuführenden physiotherapeutische Übungen werden nicht vom Kläger, sondern von einer Physiotherapeutin vorgenommen. Um 16 Uhr bringt ihn der Kläger zum Bus, mit dem er nach Hause zu seiner Mutter gebracht wird, wo er den restlichen Tag und die Nacht verbringt. Der Kläger wendet etwa 70 % seiner Arbeitszeit für die Tätigkeit mit Herrn E***** auf, die restlichen 30 % für die Betreuung anderer Klienten. (Nur) Etwa eine Stunde seiner täglichen Arbeitszeit verbringt der Kläger mit reiner Holzbearbeitung bzw Holzvorbereitung.
Mit Bescheid vom 20. 9. 2016 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten für den Zeitraum 1. 3. 1999 bis 31. 8. 2016 (mit Unterbrechung) ab.
Soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich bringt der Kläger in seiner gegen den Bescheid gerichteten Klage vor, die Tätigkeit als Fachbetreuer für Menschen mit geistiger und körperlicher Beeinträchtigung sei mit großen psychischen, aber auch körperlichen Belastungen verbunden. In der Betreuungsgruppe „Holzwerkstätte“ würden von drei bis vier Fachbetreuern zwölf bis vierzehn Klienten betreut. Drei Klienten hätten Pflegegeld der Stufen 5, 6 oder 7 zuerkannt erhalten. Einer dieser drei Klienten (Herr E*****), werde vorwiegend von ihm betreut. Der Zeitaufwand für die Pflege der Klienten sei mit ca vier bis fünf Stunden täglich zu veranschlagen. In der übrigen Zeit seien die Klienten bei der Bearbeitung des Werkstoffes Holz zu betreuen oder seien damit beschäftigt, Therapieeinheiten zu absolvieren. Da die berufsbedingte Pflege von behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs‑ oder Pflegebedarf in zeitlich überwiegendem Ausmaß notwendig sei, lägen die Voraussetzungen der Schwerarbeit gemäß § 1 Abs 1 Z 5 der SchwerarbeitsV vor.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete im Wesentlichen ein, es liege keine besonders belastende Schwerarbeit im Sinne des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV vor. Der Kläger leiste nicht überwiegend Pflegetätigkeiten. Die bei der Betreuung in der Holzwerkstätte anfallenden Tätigkeiten seien nicht mit Pflegetätigkeiten an Schwerstkranken in der Hospiz‑ bzw Palliativmedizin, einer Langzeitpflege an Pfleglingen mit einem Pflegebedarf von zumindest der Stufe 5 nach dem BPGG oder der Pflege Demenzkranker und der damit verbundenen psychischen Belastung gleich zu halten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Wenngleich die Tätigkeit des Klägers psychisch belastend sei, lägen die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV nicht vor. Durch die in § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV beispielsweise angeführten Tätigkeiten in der Hospiz‑ oder Palliativmedizin habe der Gesetzgeber eine hohe Schranke gesetzt. Maßgeblich sei die hohe psychische Belastung, wie sie typischerweise in diesen medizinischen Bereichen vorkomme. Diese Schranke werde jedoch durch die Tätigkeit des Klägers nicht erreicht, weil auch während der Zeiten der Betreuung jenes Klienten, für den er vorwiegend zuständig sei, jeweils längere Zeiträume ohne besondere psychische Belastungen lägen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Rechtlich ging es davon aus, in § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV seien unter den „medizinischen Berufen“ eine bestimmte Gruppe von Pflegekräften herausgegriffen und in die SchwerarbeitsV einbezogen worden. Als „berufsbedingte Pflege“ sei nur die Pflege durch Pflegefachkräfte zu verstehen. Die Tätigkeiten des Klägers wären den in § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV genannten Tätigkeiten im Rahmen der dort genannten „medizinischen Berufe“ nicht gleichzuhalten, mögen sie auch mit erheblichen psychischen Belastungen verbunden sein. Die Tätigkeit als Fachbetreuer in einer Holzwerkstätte der „Lebenshilfe“ sei nicht als Ausübung eines „medizinischen Berufs“ oder als Langzeitpflege anzusehen.
Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage bestehe, ob die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Fachbetreuer in einer Holzwerkstätte zur Beschäftigung von behinderten Menschen Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV darstelle, obwohl seine Tätigkeit nicht in erster Linie die Betreuung und Kontrolle Behinderter im Zusammenhang mit der Beschäftigungstherapie bei der Durchführung diverser Holzarbeiten umfasse.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt, weil rechtliche Feststellungsmängel vorliegen, die eine abschließende Beurteilung, ob Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV vorliegt, verhindern.
1.1 Die Verordnung der Bundesministerin für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz über besonders belastende Berufstätigkeiten (SchwerarbeitsV. BGBl II 2006/104 idF BGBl II 2013/201) stellt ganz allgemein nicht auf konkrete Berufe ab, sondern auf berufsbedingt belastende Tätigkeiten. Der Grund hiefür liegt in den unterschiedlichen Tätigkeiten innerhalb eines Berufsbildes, die – je nach Anforderungsprofil – mehr oder weniger belastend sind.
1.2 Innerhalb der Berufsgruppe der medizinischen Berufe hat der Gesetzgeber bestimmte – als besonders belastend angesehene – Pflegetätigkeiten hervorgehoben. § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV, definiert die „besonders belastenden“ Berufstätigkeiten als Tätigkeiten, die geleistet werden …
„5. zur berufsbedingten Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf, wie beispielsweise in der Hospiz- oder Palliativmedizin, …“.
1.3 Nach den Erläuterungen zum Entwurf der SchwerarbeitsV (abgedruckt in Teschner/Widlar/Pöltner , ASVG, 96. Erg.‑Lfg, SchwerarbeitsV Anm 10) erfasst § 1 Abs 1 Z 5 des Entwurfs „die hospiz- oder palliativmedizinische Pflege von Schwerstkranken und die Betreuung von Pfleglingen mit einem Pflegebedarf zumindest der Stufe 5 nach § 4 Abs 2 des Bundespflegegeldgesetzes. Dabei handelt es sich um pflegebedürftige Personen, deren Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt, wenn ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand erforderlich ist. Davon umfasst ist ua auch die Pflege von Demenzerkrankten im geriatrischen Bereich“.
1.4 Anders als bei den weiteren Tatbeständen des § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV wird bei der Schwerarbeit nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV auf die Intensität der psychischen Belastung abgestellt. Als Indikator für die besondere Intensität an psychischer Belastung wird der bei Durchführung der Pflege gegebene unmittelbare Kontakt mit den Patienten und deren besonders schwierige Lebenssituation (Schwerstkranke oder schwer Behinderte) erachtet, was durch den in den Gesetzesmaterialien gegebenen Hinweis auf die Pflege demenzkranker Patienten deutlich wird.
2.1 Nach dem von den Krankenversicherungs-trägern in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und der Pensionsversicherungsanstalt erarbeiteten „Schwerarbeitsverordnung Fragen‑Antworten‑Katalog“ (abgedruckt in ARD 5811/7/2007, 5812/7/2007, 5813/7/2007 und 5814/9/2007) liegt berufsbedingte Pflege vor, wenn die Pflege im Rahmen einer Berufstätigkeit von einer hiezu ausgebildeten Person unmittelbar durchgeführt wird (Frage 36). Schwerarbeit liegt vor, wenn die Pflege im Rahmen einer Berufsausübung durch entsprechend qualifiziertes Pflegepersonal geleistet wird, wobei regelmäßig Personen gepflegt werden müssen, die über einen erhöhten Behandlungs- oder Pflegebedarf verfügen (Pflege von Schwerstkranken, von Demenzerkrankten, Pfleglingen mit einem Pflegebedarf zumindest zur Stufe 5 des Bundespflegegeldgesetzes). Nach dem Fragen-Antworten-Katalog liegt Schwerarbeit auch bei der Pflege von Pfleglingen mit unterschiedlichem Pflegeaufwand vor, wenn in der Einrichtung oder auf der betroffenen Station regelmäßig Personen gepflegt werden müssen, die über einen erhöhten Behandlungs- oder Pflegebedarf verfügen (Frage 37). § 1 Abs 1 Z 5 der SchwerarbeitsV soll nach dem Fragen-Antworten-Katalog hingegen dann nicht Anwendung finden, wenn Mitarbeiter in einer Behindertenwerkstätte unter anderem Jugendliche betreuen, die Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 5 haben, wenn sie diese Personen in erster Linie bei Arbeiten im Zusammenhang mit der Herstellung von Werkstücken betreuen und Arbeiten im Zusammenhang mit Grund- und Körperpflege nur im geringen zeitlichen Ausmaß durchgeführt werden. Es sollen nur jene Personen unter § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV fallen, die tatsächlich und zumindest während der Hälfte der Normalarbeitszeit Pflegetätigkeiten (unmittelbarer Kontakt mit den Pfleglingen) erbringen und jedenfalls über eine entsprechende Befähigung bzw Ausbildung für die Pflege (Grund- und Körperpflege) verfügen (Frage 42).
2.2 Maßgeblich ist somit die berufsbedingte Pflege in unmittelbarem Kontakt mit dem Patienten mit erhöhtem Pflegeaufwand und dessen besonders schwieriger Lebenssituation ( Rainer/Pöltner in SV-Komm [166. Lfg] § 4 APG Rz 179; siehe auch Brandstetter/Prohaska , Berufsbedingte Pflege – Schwerarbeit? ÖZPR 2016/98, 164; Milisits , Neueste OGH- und EuGH-Judikatur im Bereich „Sozialversicherung“, ZAS 2009/18, 102 [104]).
3. Zum zeitlichen Ausmaß:
3.1 Auf eine bestimmte zeitliche Dauer der Arbeitszeit wird im Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV nicht abgestellt. Daraus wurde abgeleitet, dass auch Teilzeitkräfte nicht ausgeschlossen sein sollen (10 ObS 23/16d, SSV-NF 30/30 = DRdA 2017/4, 37 [De Brito]). Weil Schwerarbeit jedoch auch in Relation von Belastungs- und Erholungsphasen zu betrachten ist, ist von einer Untergrenze im Ausmaß der Hälfte der Normalarbeitszeit auszugehen (siehe auch Milisits , Neueste OGH- und EuGH‑Judikatur Bereich „Sozialversicherung“, ZAS 2009, 102 [104]; Fragen-Antworten-Katalog Frage 38).
3.2 Liegt – wie beim Kläger – eine Vollzeitbeschäftigung vor, stellt sich die Frage, in welchem zeitlichen Ausmaß die Pflege unmittelbar am Patienten erbracht werden muss, damit von einer iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV maßgeblichen psychischen Belastung gesprochen werden kann. Dazu ergibt sich aus dem Fragen-Antworten-Katalog nur, dass es sich um eine regelmäßige Tätigkeit handeln muss, ohne dass näher ausgeführt wird, was darunter zu verstehen ist ( Milisits , Schwerarbeitsverordnung 57).
3.3 In der Rechtsprechung wurde bisher auf eine (zeitlich gesehen) überwiegende Pflegetätigkeit unmittelbar am Patienten abgestellt. In der Entscheidung 10 ObS 149/12b (SSV-NF 26/86), die eine leitende Intensiv-(Stations-)schwester auf einer Universitätsklinik für Kinder und Jugendchirurgie betraf, wurde im Hinblick auf die im Vordergrund stehenden Führungsaufgaben (Mitarbeitergespräche, Planungs- Organisations- und Kontrolltätigkeiten) und die nur 30–50%ige Arbeit unmittelbar am Patienten nicht von der Erbringung (zeitlich) überwiegender Pflegetätigkeiten ausgegangen. Unter Verweis auf diese Entscheidung wurde in der (ebenfalls einen Behinderten-Fachbetreuer betreffenden) Entscheidung 10 ObS 116/17g festgehalten, dass die unmittelbare Pflege am Patienten – zeitlich gesehen – überwiegend erbracht werden muss. Diese Ansicht wurde auch im Schrifttum vertreten ( Brandstetter , Berufsbedingte Pflege-Schwerarbeit? ÖZPR 2016/98, 164 [165]).
3.4 Aus diesen Grundsätzen der Rechtsprechung lässt sich für den vorliegenden Fall ableiten, dass der Kläger im Rahmen seiner Vollzeitbeschäftigung als Behinderten-Fachbetreuer überwiegend mit der unmittelbaren Pflege von Klienten befasst gewesen sein muss, um Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV zu erwerben (10 ObS 116/17g).
4.1 Zum inhaltlichen Erfordernis dieser Tätigkeiten:
Nach den Erläuterungen zum Entwurf der SchwerarbeitsV erfasst § 1 Abs 1 Z 5 des Entwurfs „die hospiz- oder palliativmedizinische Pflege von Schwerstkranken und die Betreuung von Pfleglingen mit einem Pflegebedarf zumindest der Stufe 5 nach § 4 Abs 2 des Bundespflegegeldgesetzes“. Aus dem Verweis auf das BPGG ist ableitbar, dass unter dem Begriff der „Betreuung von Pfleglingen“ die in § 1 Abs 1 und 2 der Einstufungsverordnung zum BPGG (EinstV) enthaltene Definition heranzuziehen ist. Nach § 1 Abs 2 EinstV werden als „Betreuung“ alle in relativ kurzer Folge notwendigen Verrichtungen definiert, die vornehmlich den persönlichen Lebensbereich betreffen und ohne die der pflegebedürftige Mensch der Verwahrlosung ausgesetzt wäre, insbesondere also Verrichtungen beim An- und Auskleiden, bei der Körperpflege, der Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten, der Verrichtung der Notdurft, der Einnahme von Medikamenten und der Mobilitätshilfe im engeren Sinn (§ 1 Abs 2 EinstV zum BPGG). Psychosoziale Betreuung oder Beschäftigungstherapie fällt grundsätzlich nicht unter den (nach dem BPGG) zu berücksichtigenden Betreuungsbedarf ( Greifeneder/Liebhart , Pflegegeld 4 [2017] Rz 5.66).
4.2 Bezogen auf den vorliegenden Fall kommen nach den bisherigen Feststellungen von den zahlreichen in § 1 Abs 3 der EinstV im Einzelnen genannten Betreuungstätigkeiten die Mobilitätshilfe im engeren Sinn, die Betreuung bei der Einnahme der Mahlzeiten, bei der Notdurft und der Reinigung bei Inkontinenz in Frage. Andere Tätigkeiten wie etwa die reine Beaufsichtigung (während der Beschäftigungstherapie, während des Aufenthalts im Aufenthaltsraum oder Garten oder während der Bewegung am Bewegungstrainer) stellen nach der Intention des Verordnungsgebers hingegen keine Tätigkeiten dar, die der berufsbedingten Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf (§ 1 Abs1 Z 5 SchwerarbeitsV) gleichzuhalten sind und Schwerarbeitszeiten begründen. Sollte die Tätigkeit des Klägers als in einer Werkstätte eingesetzter Behindertenbetreuer demnach nicht zeitlich überwiegend in Betreuungstätigkeiten iSd § 1 Abs 1 und 2 der EinstV zum BPGG an Klienten mit einem Pflegebedarf entsprechend der Pflegestufe 5 oder darüber bestehen, sondern in der Beaufsichtigung oder Kontrolle behinderter Personen in Zusammenhang mit deren Beschäftigungstherapie, lägen keine Schwerarbeitszeiten nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV vor.
5. Die bisher getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um mit Sicherheit beurteilen zu können, ob der Kläger im Sinn der obigen Ausführungen (nicht doch) zeitlich überwiegend Betreuungstätigkeiten an Klienten mit einem Pflegebedarf entsprechend der Pflegestufe 5 oder darüber verrichtet. Bisher steht nur fest, dass er für einen (ihm zugewiesenen) Klienten mit einem derartigen Pflegebedarf 70 % seiner Arbeitszeit aufwendet und 30 % seiner Arbeitszeit für andere Klienten, wobei eine Feststellung zum Ausmaß deren Pflegebedarfs fehlt. Weiters steht fest, dass der Kläger etwa eine Stunde täglich mit Holzbearbeitung bzw Holzvorbereitung zubringt. Eine Differenzierung danach, welches zeitliche Ausmaß die notwendigen Verrichtungen zur Betreuung des von ihm vorwiegend betreuten Klienten (oder anderer Klienten mit einem Pflegebedarf zumindest der Stufe 5) iSd § 1 Abs 1 und 2 der EinstV umfassen und welches zeitliche Ausmaß die Beschäftigungs- Aufsichts- oder Kontrolltätigkeiten erreichen, wurde nicht vorgenommen. Diese Differenzierung lässt sich auch nicht aus den bisher getroffenen Feststellungen zum Tagesablauf in der Behindertenwerkstätte ableiten.
6. Die zur Beurteilung dieser Frage erforderlichen Feststellungen werden daher im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen sein. Die in § 1 Abs 3 der EinstV genannten – auf einzelne Tage bezogenen – Richtwerte können dazu nicht herangezogen werden, weil es sich um vom Gesetzgeber normierte (pauschalierte) Richtwerte für typische Betreuungsleistungen als Voraussetzung für den Anspruch auf Pflegegeld handelt, während es im vorliegenden Fall darauf ankommt, ob und allenfalls welche konkreten (spezifischen) Betreuungstätigkeiten vorgenommen wurden, die psychisch so belastend sind, dass sie als Schwerarbeit im Sinn der SchwerarbeitsV zu qualifizieren sind.
7. Diese rechtlichen Feststellungsmängel führen zur Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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