OGH 6Ob209/18f

OGH6Ob209/18f25.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Stephan Winklbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch zeiler.partners Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei G***** Privatstiftung, *****, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen, über die Rekurse der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 20. Juli 2018, GZ 2 R 48/17x‑66, mit dem das Teilurteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 23. Jänner 2017, GZ 26 Cg 199/11b‑57, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00209.18F.0425.000

 

Spruch:

 

Den Rekursen wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Teilurteil zu lauten hat:

„Der in der Generalversammlung der beklagten Partei am 30. 11. 2011 gefasste Gesellschafterbeschluss auf Ausschluss der klagenden Partei gemäß dem Gesellschafterausschlussgesetz wird für nichtig erklärt.

Die Entscheidung über die darauf entfallenden Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“

 

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Gesellschaft mit beschränkter Haftung wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 25. 8. 1999 von der Klägerin und ihrem damaligen Ehemann, Ing. G*****, zum Zweck der Fortführung des zuvor in Form einer Kommanditgesellschaft betriebenen Unternehmens gegründet.

Am 1. 10. 1999 errichteten der damalige Ehemann der Klägerin (im Folgenden: der Erststifter), die Klägerin und die Beklagte als Stifter die dem Verfahren als Nebenintervenientin beigetretene G***** Privatstiftung. Die Klägerin trat der Nebenintervenientin am 18. 11. 1999 und am 8. 12. 2000 jeweils einen Teil ihres Geschäftsanteils an der Beklagten, der einer voll eingezahlten Stammeinlage von 700.000 ATS und 1.260.000 ATS (insgesamt 1.960.000 ATS) entsprach, unentgeltlich ab (Nachstiftungen). Dies entspricht einem Geschäftsanteil von 14 % an der Beklagten; zuvor hatte die Klägerin einen Geschäftsanteil von 15 % gehalten.

Am 30. 11. 2011 fand eine Generalversammlung der Beklagten statt. Gesellschafter der Beklagten waren zu diesem Zeitpunkt die Nebenintervenientin mit einer voll eingezahlten Stammeinlage von 13.860.000 ATS, das entspricht einem Geschäftsanteil von 99 %, und die Klägerin mit einer voll eingezahlten Stammeinlage von 140.000 ATS, das entspricht einem Geschäftsanteil von 1 %.

Die Generalversammlung der Beklagten beschloss am 30. 11. 2011 mit den Stimmen der Nebenintervenientin gegen die Stimmen der Klägerin die Übertragung des Geschäftsanteils der Klägerin auf die Nebenintervenientin als Hauptgesellschafterin gegen Gewährung einer Barabfindung von 2.700.000 EUR gemäß dem Gesellschafterausschluss-gesetz (GesAusG). Die Klägerin erklärte dagegen Widerspruch zu Protokoll.

Mit Klage vom 20. 12. 2011 focht die Klägerin insgesamt zehn in der Generalversammlung am 30. 11. 2011 gefasste Beschlüsse gemäß § 41 GmbHG an. Gegenstand des angefochtenen Aufhebungsbeschlusses ist das Begehren auf Nichtigerklärung des Gesellschafterbeschlusses auf Ausschluss der Klägerin aus der Beklagten. Die Klägerin stützt die Anfechtung auf folgende Umstände:

Die Nebenintervenientin sei in der Generalversammlung am 30. 11. 2011 nicht wirksam vertreten gewesen, weil die Funktionen aller Mitglieder des Stiftungsvorstands – R*****, Prof. Dr. ***** L***** und Dr. ***** T***** – infolge Unvereinbarkeit bereits vor Abhaltung der Hauptversammlung erloschen gewesen seien. Daher sei die von den Vorständen Prof. Dr. L***** erteilte Stimmrechtsvollmacht unwirksam gewesen.

Zudem komme der Nebenintervenientin nicht die Position als Hauptgesellschafter iSd § 1 Abs 2 GesAusG zu, weil die Klägerin die Nachstiftungen widerrufen habe, was Gegenstand des Verfahrens 20 Cg 180/11i des Landesgerichts Klagenfurt sei. Mit Schriftsatz vom 12. 2. 2016 begründete die Klägerin das Fehlen der von § 1 Abs 2 GesAusG geforderten Beteiligungsverhältnisse ergänzend mit der von ihr gegen die (hier) Nebenintervenientin und gegen den Erststifter erhobenen, auf eine Anfechtung der Nachstiftungen wegen Willensmängeln gestützten Klage vom 25. 6. 2014 zu 22 Cg 51/14p des Landesgerichts Klagenfurt.

Darüber hinaus sei ein Gesellschafterausschluss ohne Interessenabwägung verfassungswidrig.

Es fehle auch der gemäß § 3 Abs 2 GesAusG erforderliche Bericht eines sachverständigen Prüfers, weil der als solcher bezeichnete Bericht der D***** Wirtschaftprüfungs GmbH (im Folgenden: D*****) vom 14. 11. 2011 den gesetzlichen Anforderungen nicht entspreche.

Im Weiteren liege keine gesetzmäßige Besicherung der Barabfindung vor.

Es sei auch kein Bericht des Aufsichtsrats gemäß § 3 Abs 3 GesAusG erstattet worden. Diese Bestimmung stelle zwar darauf ab, dass die Gesellschaft einen Aufsichtsrat „habe“, das Fehlen eines solchen könne aber das Fehlen eines Berichts dann nicht rechtfertigen, wenn die gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung eines Aufsichtsrats verletzt sei. Dies sei hier der Fall, weil die Beklagte seit vielen Jahren mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftige.

Im Weiteren seien die Informationsrechte der Klägerin in anfechtungsrelevanter Weise verletzt worden, weil die von ihrem Vertreter in der Generalversammlung am 30. 11. 2011 an die Beklagte und die Nebenintervenientin gerichteten Fragen, ob Bewertungsgutachten für die Tochtergesellschaften und für das Immobilienvermögen der Beklagten vorlägen, nicht beantwortet worden seien.

Schließlich fehlten in den Jahresabschlüssen und Lageberichten der Beklagten zum 31. 3. 2008, 31. 3. 2009 31. 3. 2010 und 31. 3. 2011 – im Einzelnen aufgeführte – zwingend erforderliche Angaben.

Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren. Sie bringt vor, die Klagsführung sei mutwillig, weil die Klägerin dadurch nur ihre Position im nachehelichen Aufteilungsverfahren gegen den Erststifter verbessern wolle.

Die Nebenintervenientin sei in der Generalversammlung am 30. 11. 2011 wirksam vertreten gewesen, weil die behauptete Unvereinbarkeit bei den Mitgliedern des Stiftungsvorstands nicht vorgelegen sei. Zudem sei ein allfälliges Erlöschen der Mandate der Stiftungsvorstände nicht im Firmenbuch eingetragen worden, sodass das Vertrauen der Beklagten auf die Richtigkeit des Firmenbuchstands und damit auf die Vertretungsbefugnis der Stiftungsvorstände gemäß § 15 UGB geschützt sei.

Die Beklagte habe auch keine Auskunfts- und Einsichtsrechte der Klägerin als Gesellschafterin verletzt. Darüber hinaus habe die Klägerin bis Mitte 2011 als Angestellte in der Buchhaltung der Beklagten ohnehin Einblick in alle Unterlagen gehabt.

Da zum Zeitpunkt des Gesellschafterausschlusses kein Aufsichtsrat bestanden habe, habe auch kein Bericht gemäß § 3 Abs 3 GesAusG vorliegen können. Das Fehlen eines Berichts des Aufsichtsrats sei auch nicht relevant, weil ohnehin ein Bericht des sachverständigen Prüfers vorgelegen sei. Das diesbezügliche Klagevorbringen sei zudem rechtsmissbräuchlich, da die Klägerin die Nichteinrichtung eines Aufsichtsrat als Gesellschafterin jahrelang mitgetragen habe.

Die Beklagte habe ihren Gesellschaftern mit der Einladung zur Generalversammlung alle in § 3 Abs 5 GesAusG vorgesehenen Berichte und Unterlagen vollständig übermittelt. Die relevanten Jahresabschlüsse seien auch mit der Stimme der Klägerin festgestellt worden, sodass sie sich nicht auf das – im Einzelnen bestrittene – Fehlen von Angaben berufen könne.

Die Voraussetzungen des Gesellschafterausschlusses seien auch insofern gegeben, als die Nebenintervenientin am 30. 11. 2011 Eigentümerin von 99 % des Nennkapitals der Beklagten gewesen sei.

Das GesAusG sei darüber hinaus nicht verfassungswidrig.

Die sachverständige Prüferin D***** habe den gemeinsamen Bericht der Beklagten und der Nebenintervenientin sowie das der Barabfindung zugrunde liegenden Bewertungsgutachten ordnungsgemäß geprüft. Es habe keine unzulässige Parallelprüfung stattgefunden.

Die Barabfindung sei bei einem Notar hinterlegt worden, sodass eine gesetzmäßige Besicherung vorliege.

Die Nebenintervenientin bestreitet das Klagebegehren und schloss sich inhaltlich dem Vorbringen der Beklagten an.

Das Erstgericht wies die Klage im Umfang der Anfechtung des auf den Ausschluss der Klägerin als Gesellschafterin der Beklagten gerichtete Klagebegehren im ersten Rechtsgang mit Teilurteil vom 11. 11. 2014 ab.

Das Berufungsgericht hob das Teilurteil mit Beschluss vom 13. 2. 2015 auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Die Klägerin erhob einen Rekurs gegen diese Entscheidung, den sie in der Folge zurückzog (6 Ob 93/15t).

Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das Anfechtungsbegehren hinsichtlich des Beschlusses auf Gesellschafterausschluss mit Teilurteil wiederum ab. Es traf – über den eingangs vorangestellten Sachverhalt hinaus – folgende Tatsachenfeststellungen:

Am 25. 10. 2011 bestellte das Landesgericht Klagenfurt die D***** zum sachverständigen Prüfer gemäß § 3 Abs 2 GesAusG.

Am 11. 11. 2011 erfolgte die Einladung zur Generalversammlung der Beklagten vom 30. 11. 2011. Mit der Einladung wurden der Klägerin die (jeweils bereits einstimmig festgestellten) Jahresabschlüsse zum 31. 3. 2008, zum 31. 3. 2009 und zum 31. 3. 2010, sowie der noch nicht festgestellte Jahresabschluss zum 31. 3. 2011 übermittelt. Darüber hinaus wurde der Klägerin mit der Einladung der Bericht der L***** GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 7. 11. 2011 über die Unternehmensbewertung der Beklagten zum 30. 11. 2011 übermittelt.

Am 14. 11. 2011 erstattete die D***** den „Bericht des sachverständigen Prüfers“ gemäß § 3 Abs 2 GesAusG. Darin kam sie zum Ergebnis, dass der Bericht der Geschäftsführung der Beklagten und des Stiftungsvorstands der Nebenintervenientin über den geplanten Ausschluss der Klägerin aus der Beklagten richtig und die Barabfindung angemessen sei. Die im Bewertungsgutachten der L***** GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angewendete Ertragswertmethode beurteilte sie als angemessen. Dieser Bericht wurde der Klägerin übermittelt.

Bei der Beklagten war im Jahr 2011 kein Aufsichtsrat eingerichtet.

Im Verfahren 20 Cg 180/11i des Landesgerichts Klagenfurt bekämpfte die Klägerin die Nachstiftungen vom 18. 11. 1999 und vom 8. 12. 2000 und begehrte gegenüber der (hier) Nebenintervenientin die Feststellung, Eigentümerin der von der Klägerin auf die Nebenintervenientin übertragenen Geschäftsanteile zu sein, hilfsweise die Verpflichtung zur Rückübertragung der Geschäftsanteile. Der Oberste Gerichtshof bestätigte mit Urteil vom 4. 11. 2013 zu 10 Ob 22/13b die Klageabweisung.

Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Berufungsgericht das Teilurteil wiederum auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Ausschluss eines Gesellschafters nach dem GesAusG nur zur Aktiengesellschaft, nicht aber zur GmbH vorliege und Rechtsprechung zur Auslegung von § 3 Abs 3 GesAusG bei Fehlen eines Aufsichtsrats trotz Aufsichtsratspflicht fehle.

Es führte aus, zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Generalversammlung am 30. 11. 2011 hätten der Klägerin 1 % und der Nebenintervenientin 99 % der Geschäftsanteile der Beklagten gehört. Selbst wenn der Klägerin davor 14 % Prozent ihrer Geschäftsanteile arglistig herausgelockt worden wären, werde damit keine Vorfrage für die Gesetzmäßigkeit ihres Ausschlusses aufgeworfen, weil es auf die Sach- und Rechtslage zum 30. 11. 2011 ankomme.

Die Klägerin habe behauptet, dass die Stiftungsvorstände entsprechend den Wünschen und Weisungen des Erststifters agierten und daraus auf eine schuldrechtliche Beauftragung geschlossen. Sie habe aber keinen zu einem Vertragsabschluss führenden Sachverhalt behauptet. Die bloß dem faktischen Durchsetzungsvermögen des Begünstigten entsprechenden Stiftungsvorstandstätigkeiten bewirkten keine Unvereinbarkeit im Sinne des PSG. Die aufrechte Eintragung der Stiftungsvorstände im Firmenbuch und die an Prof. Dr. L***** erteilte Stimmrechtsvollmacht seien daher gegenüber der Beklagten und der Klägerin wirksam.

Gemäß § 3 GesAusG seien die Gesellschafter auf die Beschlussfassung über die Übertragung der Anteile eines Minderheitsgesellschafters auf einen Hauptgesellschafter rechtzeitig und umfassend durch Berichte und Unterlagen vorzubereiten. Verstöße von einer gewissen Bedeutung, die die Informations-, Teilnahme- und Mitwirkungsrechte eines Gesellschafters beschränkten und dadurch ihre Meinungs- und Willensbildung nachteilig beeinflussen könnten, ermöglichten die Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses. Auch aus generalpräventiven Erwägungen sei es abzulehnen, die Beeinträchtigung von Minderheitsrechten ohne spürbare Sanktion in das Belieben der Mehrheit zu stellen.

Die von der Klägerin behauptete Verweigerung von Auskünften und Bucheinsicht vor der Generalversammlung am 30. 11. 2011 und die Redezeitbeschränkung in der Generalversammlung sei angesichts der in § 3 GesAusG speziell für den Ausschluss des Minderheitsgesellschafters normierten Informationsrechte nicht ausreichend bedeutsam, um den Gesellschafterbeschluss für nichtig zu erklären.

Es fehlten aber Feststellungen zum Inhalt des Berichts des sachverständigen Prüfers gemäß § 3 Abs 2 GesAusG, um beurteilen zu können, ob tatsächlich eine Prüfung stattgefunden habe oder ob dieser nur die übergebenen Unterlagen zusammengefasst habe.

Darüber hinaus fehlten Feststellungen zur Behauptung, die Beklagte beschäftige seit Jahren mehr als 300 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt und habe dennoch keinen Aufsichtsrat. Es sei davon auszugehen, dass eine aufsichtsratspflichtige Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Pflicht zur Erstellung eines Aufsichtsratsberichts nicht dadurch umgehen könne, dass sie keinen Aufsichtsrat bestelle. Sei die Beklagte zur Bestellung eines Aufsichtsrats verpflichtet gewesen, so sei dessen Fehlen eine relevante Beeinträchtigung des Minderheitsrechts der Klägerin, weil dieser Bericht eine Grundlage für die Einschätzung bilde, ob die Voraussetzungen des Ausschlusses vorlägen und die Einleitung eines Verfahrens zur Überprüfung der Barabfindung gemäß § 6 Abs 2 GesAusG sinnvoll sei. Dabei sei zu erwähnen, dass die Klägerin seit 28. 4. 2011 keinen Zutritt zum Werksgelände der Beklagten und keinen Zugriff auf deren EDV‑Anlage gehabt habe, sodass sie auf die Berichte gemäß § 3 GesAusG angewiesen gewesen sei.

Da der Klägerin das Gutachten der L***** GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zugegangen sei und gesonderte Bewertungsgutachten zu Tochtergesellschaften und Immobilien nicht vorgelegen seien, liege keine Verletzung der Verpflichtung zur Übermittlung allfälliger Gutachten (§ 3 Abs 5 Z 3 und Abs 9 GesAusG) vor.

Rechtliche Feststellungsmängel lägen jedoch insoweit vor, als sich die Klägerin darauf stütze, dass in den Jahresabschlüssen und Lageberichten zum 31. 3. 2009, zum 31. 3. 2010 und zum 31. 3. 2011 – zwingend vorzunehmende Angaben fehlten.

Schließlich seien zur Beurteilung der ausreichenden Besicherung der Barabfindung Feststellungen zum konkreten Treuhandauftrag erforderlich.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richten sich die Rekurse der Beklagten und der Nebenintervenientin, mit denen sie jeweils die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Teilurteils anstreben; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die Klägerin beantragt, die Rekurse zurückzuweisen, hilfsweise, ihnen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind zulässig, weil zur Frage der Auswirkungen des gesetzwidrigen Nichtbestehens eines Aufsichtsrats im Hinblick auf § 3 Abs 3 GesAusG keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt. Sie sind im Ergebnis auch berechtigt.

1. Voraussetzungen des Ausschlusses von Minderheitsgesellschaftern

1.1. Gemäß § 1 Abs 1 GesAusG kann die Generalversammlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Maßgabe der in diesem Gesetz festgelegten Bestimmungen auf Verlangen des Hauptgesellschafters die Übertragung der Anteile der übrigen Gesellschafter auf den Hauptgesellschafter gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließen. Der Ausschlussbeschluss bedarf keiner sachlichen Rechtfertigung im Sinn von Erforderlichkeit, Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit. Vielmehr hat bereits der Gesetzgeber die erforderliche Interessenabwägung vorgenommen und wollte den (insofern) voraussetzungslosen Ausschluss gegen angemessene Kompensation zulassen (RIS‑Justiz RS0124448; 6 Ob 91/08p mwN).

1.2. Hauptgesellschafter ist gemäß § 1 Abs 2 GesAusG, wem zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Anteile in Höhe von mindestens neun Zehnteln des Nennkapitals gehören.

1.3. § 3 GesAusG regelt die Vorbereitung der Beschlussfassung über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern.

Gemäß § 3 Abs 1 GesAusG haben der Vorstand (die Geschäftsführung) der Kapitalgesellschaft und der Hauptgesellschafter gemeinsam einen Bericht über den geplanten Ausschluss aufzustellen. Dieser muss zumindest die Voraussetzungen des Ausschlusses darlegen und die Angemessenheit der Barabfindung erläutern und begründen sowie auf besondere Schwierigkeiten bei der Bewertung des Unternehmens hinweisen.

Die Richtigkeit dieses Berichts und die Angemessenheit der Barabfindung sind gemäß § 3 Abs 2 GesAusG von einem vom Gericht bestellten sachverständigen Prüfer zu prüfen.

Darüber hinaus ordnet § 3 Abs 3 GesAusG eine Prüfung und Berichterstattung durch den Aufsichtsrat an.

Gemäß § 3 Abs 9 iVm Abs 5 GesAusG sind den Gesellschaftern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung der Beschlussantrag über den Ausschluss, die Berichte gemäß § 3 Abs 1, 2 und 3 GesAusG, allfällige Gutachten, auf denen die Beurteilung der Angemessenheit beruht, sowie die Jahresabschlüsse und die Lageberichte der Gesellschaft für die letzten drei Geschäftsjahre zu übersenden.

2. Rechtsschutz des ausgeschlossenen Minderheitsgesellschafters

2.1. Dem Minderheitsgesellschafter steht nach Fassung des Ausschlussbeschlusses in der Generalversammlung – je nach Beanstandung – die Beschlussanfechtung gemäß § 41 GmbHG oder das (außerstreitige) Gremialverfahren gemäß §§ 225c bis 225m, AktG, sohin ein zweigeteilter Rechtsschutz (vgl RS0124449), zur Verfügung.

Die Abgrenzung zwischen jenen Mängeln, die die Anfechtung des Beschlusses ermöglichen, und jenen, die im Verfahren gemäß §§ 225c AktG geltend gemacht werden können, regelt § 6 GesAusG.

Nach § 6 Abs 1 GesAusG kann die Anfechtung des Beschlusses nicht darauf gestützt werden, dass die Barabfindung nicht angemessen festgelegt ist oder dass die Erläuterungen der Barabfindungen in den Berichten gemäß § 3 GesAusG nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Für die Überprüfung der Barabfindung verweist § 6 Abs 2 GesAusG den Minderheitsgesellschaftern anstelle der Beschlussanfechtung vielmehr auf das Verfahren gemäß §§ 225c bis 225m AktG (6 Ob 91/08p mwN).

2.2. In der Literatur werden als Umstände, die zur Anfechtung des Ausschlussbeschlusses berechtigen, etwa Mängel bei der Einberufung der Gesellschafterversammlung genannt; weiters die völlige Unterlassung der Veröffentlichung eines Hinweises über die geplante Beschlussfassung, Fehler bei der Feststellung des Beschlussergebnisses, das gänzliche Fehlen der in § 3 GesAusG angeführten Berichte, soweit darauf nicht verzichtet wurde, das gänzliche Fehlen der barabfindungsbezogenen Erläuterungen in den Berichten, das Unterlassen der Bereitstellung eines eingeholten Gutachtens gemäß § 3 Abs 5 Z 3 GesAusG, die unterlassene Bereitstellung der Rechnungslegungsunterlagen gemäß § 3 Abs 5 Z 4 GesAusG oder die Bereitstellung informationsleerer Bilanzunterlagen, Fehler bei der Feststellung des Beschlussergebnisses, das Nichterreichen der für den Gesellschafterausschluss erforderlichen Beteiligungsschwelle im Zeitpunkt der Beschlussfassung, das Nichtvorliegen der Konzernverbundenheit seit einem Jahr, sowie der nicht gerechtfertigte selektive Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern (Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung² § 6 GesAusG Rz 10; Kalss/Zollner, Squeeze‑out [2007] § 6 GesAusG Rz 4). Weitere Beispiele in der Literatur für die Zulässigkeit der Anfechtung des Beschlusses über den Ausschluss sind das Fehlen eines Beschlusses über die Barabfindung überhaupt und das Fehlen der gebotenen Besicherung der Barabfindung (Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch zum Gesellschaftsrecht [2007] Rz 4674; Koppensteiner, Einige Fragen zum Squeeze‑out, GeS 2006, 143 [149]; Gall/Potyka/Winner, Squeeze‑out [2006] Rz 276).

Zum Fehlen von Unterlagen wird in der Literatur vertreten, die Anfechtung sei zwar dann ausgeschlossen, wenn die Erläuterungen der Barabfindung in den Berichten gemäß § 3 GesAusG nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprächen, nicht aber dann, wenn solche Erläuterungen gänzlich fehlten (Gall/Potyka/Winner, Squeeze‑out Rz 471; Kalss/Zollner, Squeeze‑out § 6 GesAusG Rz 3 f).

Kalss nennt neben der (gänzlichen) Unterlassung der Bereitstellung der Rechnungslegungsunterlagen gemäß § 3 Abs 5 Z 4 GesAusG auch die Bereitstellung (bloß) inhaltsleerer Bilanzunterlagen als Anfechtungsgrund (Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung² § 6 GesAusG Rz 10).

Nach Koppensteiner (GeS 2006, 148; ebenso Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ Anh § 71 Rz 7) soll trotz der Formulierung des § 6 Abs 1 GesAusG, der nur von „Berichten gemäß § 3 GesAusG“ spricht, auch dann das Gremialverfahren anstelle einer Beschlussanfechtung zur Anwendung kommen, wenn die Informationspflichten gemäß § 3 Abs 9 GesAusG nicht ordnungsgemäß erfüllt worden seien. Es sei dem Gesetzgeber darum gegangen, die mit der Höhe der Abfindung und den dazu gelieferten Informationen zusammenhängende Mängel in das Überprüfungsverfahren nach den §§ 225c ff AktG zu verweisen.

2.3. Der Oberste Gerichtshof erachtete in der Entscheidung 6 Ob 91/08p die Beschlussanfechtung in einem Fall als zulässig, in dem der Kläger sich auf die Verletzung von Informationsrechten durch die unterbliebene Übermittlung von Konzernabschlüssen, eines Jahresabschlusses sowie von Gutachten betreffend Liegenschaften gestützt hatte. Allerdings scheiterte die Berechtigung der Anfechtungsklage daran, dass einerseits kein Anspruch auf die Übermittlung von Konzernabschlüssen besteht und der konkret begehrte Jahresabschluss nicht vorgelegt werden musste, andererseits daran, dass die Gutachten dem Kläger ohnehin zugänglich waren.

Klargestellt wird, dass die in § 3 Abs 5 GesAusG genannten Unterlagen dem Zweck dienen, nähere Aufschlüsse über die Angemessenheit der angebotenen Barabfindung zu gewähren. Dies gelte insbesondere für die in § 3 Abs 5 Z 3 und 4 GesAusG genannten Gutachten sowie Jahresabschlüsse und Lageberichte. Diese Funktion der Unterlagen zwinge allerdings nicht dazu, das Fehlen von Angaben in den Unterlagen bzw das Fehlen der Unterlagen selbst und das Fehlen von Angaben in den Berichten nach § 3 Abs 1 bis 3 GesAusG gleich zu behandeln. Da die Richtigkeit der Berichte für den auszuschließenden Gesellschafter regelmäßig anders nicht überprüfbar sei, seien die erwähnten Unterlagen für den Gesellschafter von größerer Bedeutung als die Angaben in den Berichten, sodass (aufgrund eines Umkehrschlusses) das Fehlen von Angaben in den Unterlagen bzw das Fehlen der Unterlagen selbst vom Anfechtungsausschluss des § 6 Abs 1 GesAusG nicht erfasst seien. Andernfalls würde das gesetzlich vorgesehene Informationsrecht des auszuschließenden Gesellschafters ganz massiv beschränkt werden. Die Gesellschaft könnte ganz bewusst bestimmte Unterlagen ausnehmen, was im Übrigen dazu führen könnte, dass der (dann) ausgeschlossene Gesellschafter gar nicht abschätzen könne, ob die Einleitung eines Gremialverfahrens überhaupt sinnvoll erscheine. Schließlich dürfe auch nicht übersehen werden, dass die im Zusammenhang mit dem Gesellschafterausschluss geregelten Informationsrechte einen gewissen Ausgleich für die fehlende Anfechtungsmöglichkeit und die Beschränkung des ausgeschlossenen Gesellschafters auf das Gremialverfahren bildeten.

2.4. Erweist sich die Anfechtung gemäß § 41 Abs 1 GmbHG eines Gesellschafterbeschlusses auf Ausschluss des Minderheitsgesellschafters als zulässig, so ist die Berechtigung einer auf Verfahrensverstöße gegründeten Beschlussanfechtung nach der sogenannten Relevanztheorie zu beurteilen. Nach zwischenzeitig ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stellt ein Formverstoß dann keinen Anfechtungsgrund dar, wenn es an einer Relevanz des Formverstoßes fehlt (RS0059771 [T5]; 6 Ob 65/15z). Nach der Relevanztheorie ist der Zweck einer Verfahrensbestimmung für die Anfechtbarkeit entscheidend. Nur wenn dadurch ein konkretes Informations- oder Partizipationsinteresse des Gesellschafters verletzt wurde, begründet die Verletzung einer Verfahrensvorschrift die Anfechtbarkeit. Irrelevante Mängel scheiden daher aus (RS0059771 [T5, T7]; vgl RS0121481; zuletzt [zum GmbHG] 6 Ob 65/15z).

3. Zu den geltend gemachten Beschlussanfechtungsgründen

Die Klägerin stützt die Beschlussanfechtung auf folgende, im Berufungsverfahren aufrecht erhaltenen Umstände: Die Beklagte sei in der Generalversammlung am 30. 11. 2011 nicht wirksam vertreten gewesen; die Mehrheitserfordernisse hätten nicht § 1 Abs 2 GesAusG entsprochen; das GesAusG sei verfassungswidrig; der Bericht des sachverständigen Prüfers fehle; die Barabfindung sei nicht gesetzmäßig besichert; es liege kein Bericht des Aufsichtsrats vor; schließlich habe die Beklagte die Informationsrechte der Klägerin beschnitten, dies einerseits in der Generalversammlung am 30. 11. 2011 selbst, andererseits durch das Fehlen von Angaben in den relevanten Jahresabschlüssen und Lageberichten.

Im vorliegenden Fall ist sogleich auf den Bericht des Aufsichtsrats gemäß § 3 Abs 3 GesAusG einzugehen, da bereits dessen Fehlen die Berechtigung der Beschlussanfechtung der Klägerin begründet.

4. Zum Bericht des Aufsichtsrats

4.1. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, das Fehlen eines Berichts des Aufsichtsrats berechtige zur Anfechtung des Ausschlussbeschlusses, weil bei der Beklagten gemäß § 29 GmbHG ein Aufsichtsrat zu bestellen gewesen wäre. Die Beklagte hält dem entgegen, dass § 3 Abs 3 GesAusG ausschließlich auf das faktische Bestehen oder Nicht-Bestehen eines Aufsichtsrats abstelle, sodass es auf die gesetzliche Aufsichtsratspflicht in diesem Zusammenhang nicht ankomme.

4.2. § 3 Abs 3 GesAusG lautet: „Hat die Kapitalgesellschaft einen Aufsichtsrat, so hat dieser den Ausschluss auf der Grundlage des Berichts gemäß Abs 1 und des Prüfungsberichts gemäß Abs 2 zu prüfen und darüber einen schriftlichen Bericht zu erstatten. (...)“

Die Notwendigkeit der Prüfung durch den Aufsichtsrat hängt nach einhelliger Auffassung nicht davon ab, ob es sich um ein obligatorisches Organ handelt oder er freiwillig eingerichtet wurde ( Kalss , Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung² § 3 GesAusG Rz 20; Kalss/Zollner , Squeeze‑out § 3 Rz 16; Rauter in Straube/Ratka/Rauter , WK GmbHG § 75 Rz 100).

4.3. Prüfungsgegenstand des Berichts des Aufsichtsrats ist die Rechtskonformität des Gesellschafterausschlusses ( Kalss , Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung² § 3 GesAusG Rz 23; Gall/Potyka/Winner , Squeeze‑out Rz 317). Dabei bildet die Höhe der den Minderheitsgesellschaftern angebotenen Abfindung einen Schwerpunkt ( Kalss , Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung² § 3 GesAusG Rz 23; Gall/Potyka/Winner , Squeeze‑out Rz 317). Die Berichte gemäß § 3 GesAusG haben aber auch eine Äußerung zu den Voraussetzungen des Ausschlusses, namentlich das Vorliegen eines Antrags und der erforderlichen Beteiligungsquote, zu enthalten ( Koppensteiner , GeS 2006, 147).

4.4. Der Oberste Gerichtshof hat klargestellt, dass die in § 3 GesAusG vorgesehenen Berichte zwei Funktionen erfüllen: Einerseits soll damit über die Voraussetzungen des Ausschlusses berichtet werden, andererseits über die Angemessenheit der Barabfindung (6 Ob 91/08p). Zweck der Prüfung (auch) durch den Aufsichtsrat ist der Schutz von Eigentümerinteressen, konkret, der Interessen der Minderheitsgesellschafter ( Rauter in Straube/Ratka/Rauter , WK GmbHG § 75 Rz 107; vgl Gall/Potyka/Winner , Squeeze‑out Rz 281). Die Berichte haben sowohl einen Informations- als auch einen Präventionszweck zu erfüllen ( Gall/Potyka/Winner , Squeeze‑out Rz 319).

4.5. Zu den Rechtsfolgen der gesetzwidrig unterbliebenen Bestellung eines Aufsichtsrats im Hinblick auf einen Beschluss auf Ausschluss des Minderheitsgesellschafters gemäß dem GesAusG enthalten die Materialien (ErläutRV 1334 BlgNR 22. GP  29) keine Ausführungen. Auch in der Literatur findet sich keine klare Stellungnahme (vgl Gall/Potyka/Winner, die lediglich ausführen, die Berichtspflicht des Aufsichtsrats bestehe „auch bei der aufsichtsratspflichtigen GmbH“ [Squeeze‑out Rz 316]).

4.6. § 6 ABGB verweist für die Auslegung von Gesetzen auf die Wortinterpretation, die systematische, die historische und die teleologische Auslegung (s nur P. Bydlinski in KBB5 § 6 ABGB Rz 2 ff).

Die von der Beklagten angestrebte Auslegung von § 3 Abs 3 GesAusG entspricht vordergründig dem Wortlaut dieser Bestimmung, ordnet diese eine Berichtspflicht des Aufsichtsrats doch für den Fall an, dass die Gesellschaft einen Aufsichtsrat „hat“. Damit ist aber für jene Fälle, in denen die Gesellschaft keinen Aufsichtsrat „hat“, also ein solcher nicht eingerichtet ist, nichts ausgesagt. Dass die Auferlegung einer Berichtspflicht an ein inexistentes (wenn auch gegebenenfalls gemäß § 29 GmbHG erforderliches) Gesellschaftsorgan ins Leere ginge, liegt auf der Hand. Fraglich können in einem solchen Fall daher nur die Rechtsfolgen der wegen der unterbliebenen Bestellung eines Aufsichtsrats entfallenen Prüfung und Berichterstattung sein.

Aus dem systematischen Zusammenhang ergibt sich, dass § 3 GesAusG lediglich die Voraussetzungen der Beschlussfassung über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern regelt, nicht aber die Rechtsfolgen der Verletzung der in § 3 GesAusG festgelegten Informationspflichten.

Die in § 3 GesAusG vorgesehenen Berichte dienen insgesamt der Wahrung der Interessen des Minderheitsgesellschafters. Es widerspräche dieser Zweckrichtung, den Umfang der Informationsrechte des Minderheitsgesellschafters davon abhängig zu machen, ob die Gesellschaft über den vom GmbHG vorgesehenen Aufsichtsrat verfügt oder nicht.

4.7. Der Einwand der Beklagten und der Nebenintervenientin, die Klägerin könne sich nicht auf das Fehlen eines Aufsichtsrats berufen, weil sie als Gesellschafterin nicht auf dessen Bestellung hingewirkt habe, überzeugt bereits aus rechtlichen Gründen nicht.

Gemäß § 30b Abs 1 GmbHG werden die Aufsichtsratsmitglieder von den Gesellschaftern gewählt; es darf aber nicht übersehen werden, dass die Verpflichtung zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung (zum Zweck einer Aufsichtsratswahl) nicht die Klägerin als Minderheitsgesellschafterin traf. Im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Aufsichtsratspflicht gemäß § 29 Abs 1 Z 2 GmbHG (Anzahl der Arbeitnehmer im Durchschnitt über dreihundert) trifft die Verpflichtung, eine übersteigende Arbeitnehmerzahl dem Gericht mitzuteilen, ebenfalls nicht die einzelnen (Minderheits‑)Gesellschafter, sondern die Geschäftsführer (§ 29 Abs 4 GmbHG). § 30d GmbHG sieht eine Verpflichtung, den Antrag auf gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern zu stellen, ebenfalls nur für die Geschäftsführer vor; die Bestellung eines nach dem Gesetz erforderlichen Aufsichtsrats ist gemäß § 30d Abs 2 GmbHG vom Gericht von Amts wegen vorzunehmen. Dass die Klägerin bestehende Gesellschafterrechte (§ 37 Abs 1 GmbHG) nicht nutzte, steht in keinem Zusammenhang mit ihrem erst durch den geplanten Ausschluss entstandenen besonderen Informationsbedürfnis.

Eine Grundlage dafür, die von der Klägerin erhobene Rüge des Fehlens eines Berichts gemäß § 3 Abs 3 GesAusG als treuwidrig oder rechtsmissbräuchlich zu erachten, besteht daher nicht.

4.8. Es wurde bereits ausgeführt, dass das gänzliche Fehlen eines der in § 3 GesAusG vorgesehenen Berichte in der Literatur als ein Mangel angesehen wird, der vom Anfechtungsausschluss des § 6 GesAusG nicht erfasst ist. Die Beschlussanfechtung aus diesem Grund ist daher grundsätzlich zulässig.

Das Fehlen eines Aufsichtsratsberichts wegen der unterbliebenen Bestellung eines solchen trotz gesetzlicher Aufsichtsratspflicht der Gesellschaft ist auch als Verletzung eines konkreten Informationsinteresses des Minderheitsgesellschafters zu bewerten, die im Sinne der Relevanztheorie die Anfechtbarkeit des dennoch gefassten Beschlusses auf Ausschluss des Minderheitsgesellschafters begründet.

Der Zweck der Prüfung und Berichterstattung durch den Aufsichtsrat gemäß § 3 Abs 3 GesAusG dient der Wahrung der Eigentümerinteressen des Minderheitsgesellschafters angesichts der vom Hauptgesellschafter angestrebten Übertragung des Geschäftsanteils des Minderheitsgesellschafters gegen dessen Willen. Die Berichte haben auch die Voraussetzungen des Ausschlusses zu behandeln und dienen damit dem Zweck einer präventiven Rechtmäßigkeitskontrolle (vgl Gall/Potyka/Winner, Squeeze‑out Rz 319). Es liefe diesem Zweck entgegen, wenn einer der gesetzlich vorgesehenen Berichte im Fall des gesetzwidrigen Nicht-Bestehens eines Aufsichtsrats zu Lasten des Minderheitsgesellschafters unterbleiben könnte. Die ergänzende präventive Rechtmäßigkeitskontrolle durch den gesetzlich vorgesehenen Aufsichtsrat liegt zudem auch im Interesse der Gesellschaft.

5. Spruchreife im vorliegenden Fall

5.1. Zufolge § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO kann der Oberste Gerichtshof im Umfang der Aufhebung durch das Berufungsgericht in der Sache selbst erkennen. Dabei gilt im Rekursverfahren gegen einen Aufhebungsbeschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO das Verbot der reformatio in peius nicht (RS0043853 [T4, T6]; RS0043939; RS0043858). Daher kann im vorliegenden Fall auch aufgrund der Rekurse der Beklagten und deren Nebenintervenientin ein Urteil auf Klagestattgebung gefällt werden (vgl RS0043853 [T3]).

5.2. Gemäß § 29 Abs 1 Z 2 GmbHG muss ein Aufsichtsrat bestellt werden, wenn die Anzahl der Arbeitnehmer im Durchschnitt dreihundert übersteigt. Dabei bestimmt sich der Durchschnitt nach den Arbeitnehmerzahlen an den jeweiligen Monatsletzten innerhalb des vorangegangenen Kalenderjahrs (Straube/Rauter in Straube, WK GmbHG § 29 Rz 56).

5.3. Die Klägerin hat dazu vorgebracht, die Beklagte beschäftige seit vielen Jahren mehr als 300 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt, weshalb die gesetzliche Verpflichtung bestehe, einen Aufsichtsrat zu bestellen. Sie hat sich dazu (unter anderem) auf die Berichte über die Prüfung der Jahresabschlüsse zum 31. 3. 2008, zum 31. 3. 2009, zum 31. 3. 2010 und zum 31. 3. 2011 gestützt.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin haben das Vorbringen der Klägerin zur durchschnittlichen Arbeitnehmerzahl nicht bestritten; sie haben auch die Aufsichtsratspflicht der Beklagten für das Jahr 2011 nicht bestritten. Sie hielten dem Vorbringen der Klägerin vielmehr ausschließlich entgegen, dass es auf die Verletzung der gesetzlichen Aufsichtsratspflicht gar nicht ankomme. In einem anderen Zusammenhang – betreffend den behaupteten Ausschluss von Einsichtsrechten gemäß § 22 Abs 2 GmbHG aufgrund einer im Jahr 2012 erfolgten Satzungsänderung – bezeichnet sich die Beklagte sogar selbst als aufsichtsratspflichtig (Schriftsatz vom 5. 9. 2013).

5.4. Gemäß § 266 Abs 1 ZPO sind zugestandene Tatsachen ohne Weiteres der Entscheidung zugrunde zu legen (RS0040110). Neben dem ausdrücklichen Geständnis iSd § 266 Abs 1 ZPO gibt es auch ein schlüssig abgegebenes Geständnis iSd § 267 Abs 1 ZPO. Ob in diesem Sinn tatsächliche Behauptungen einer Partei als zugestanden anzusehen seien, hat das Gericht unter sorgfältiger Berücksichtigung des gesamten Inhalts des gegnerischen Vorbringens zu beurteilen (RS0040091). Ein „unsubstanziiertes Bestreiten“ (eine unterbliebene ausdrückliche Bestreitung) kann nur dann als Zugeständnis gewertet werden, wenn im Einzelfall gewichtige Indizien für ein „Geständnis“ sprechen (RS0039955 [T2]; RS0039941). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die vom Gegner aufgestellte Behauptung offenbar leicht widerlegbar sein musste, dazu aber nie konkret Stellung genommen wurde (RS0039927) oder nur Einwendungen in rechtlicher Hinsicht erhoben wurden (RS0039927 [T14]). Auf zugestandene Tatsachen ist auch im Rechtsmittelverfahren Bedacht zu nehmen (RS0040101 [T1] = 1 Ob 73/18v).

5.5. Im vorliegenden Fall betrifft die Anzahl der Arbeitnehmer die Verhältnisse der Beklagten selbst. Die Arbeitnehmeranzahl ist zudem gemäß § 29 Abs 4 GmbHG vom Geschäftsführer der Gesellschaft regelmäßig festzustellen.

Es musste der Beklagten daher ein Leichtes sein, das Klagevorbringen gegebenenfalls mit konkreten Tatsachenbehauptungen zur Arbeitnehmeranzahl zu bestreiten. Die Beklagte hat dies jedoch nicht getan, sondern ausschließlich Rechtsvorbringen zum Fehlen des Berichts des Aufsichtsrats erstattet.

Ergänzend sei angemerkt, dass das von der Klägerin behauptete Überschreiten einer durchschnittlichen Arbeitnehmerzahl von 300 auch mit den von der Beklagten selbst vorgelegten und ausdrücklich (vgl Klagebeantwortung S 17) als fehlerfrei und vollständig bezeichneten Jahresabschlüssen und Lageberichten zum 31. 3. 2008, 31. 3. 2009, 31. 3. 2010 und 31. 3. 2011 (Beilagen ./8 bis ./11) im Einklang steht. Daraus folgt aber insgesamt, dass die unterbliebene Bestreitung hier nur als Zugeständnis der behaupteten Arbeitnehmeranzahl verstanden werden kann.

Aufgrund der schlüssig zugestandenen Arbeitnehmeranzahl – die bereits im Jahr 2010 im Durchschnitt 300 überstieg – ergibt sich, dass bei der Beklagten gemäß § 29 Abs 1 Z 2 GmbHG zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Ausschluss der Klägerin als Minderheitsgesellschafterin ein Aufsichtsrat einzurichten gewesen wäre.

Damit ist der vorliegende Rechtsstreit entscheidungsreif.

5.6. Liegt ein Bericht des Aufsichtsrats gemäß § 3 Abs 3 GesAusG nicht vor, weil bei einer aufsichtsratspflichtigen GmbH kein Aufsichtsrat eingerichtet ist, so berechtigt dies den nach dem GesAusG ausgeschlossenen Minderheitsgesellschafter zur Beschlussanfechtung gemäß § 41 GmbHG.

Ein solcher Fall liegt hier vor, sodass der angefochtene Gesellschafterbeschluss vom 30. 11. 2011 auf Ausschluss der Klägerin aus der Beklagten für nichtig zu erklären war.

Auf die Berechtigung der übrigen von der Klägerin geltend gemachten Anfechtungsgründe kommt es daher nicht mehr an.

6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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