OGH 12Os27/19s

OGH12Os27/19s11.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. April 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinksi, Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Korner als Schriftführerin in der Strafsache gegen August H***** wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15 Abs 1, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 vorletzter und letzter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 20. Dezember 2018, GZ 13 Hv 122/18p‑25, und über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00027.19S.0411.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde August H***** des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (1./) und des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15 Abs 1, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 vorletzter und letzter Fall StGB (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er in S***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz (US 1, 8) Robert F*****

1./ zwischen Anfang Juli und Mitte August 2018 durch die wahrheitswidrige Behauptung, 600 Euro als Anzahlung für einen von ihm organisierten (US 3) Urlaub zu benötigen, somit durch Täuschung über Tatsachen, zu Handlungen, nämlich zur Ausfolgung von insgesamt 600 Euro in drei Teilbeträgen verleitet, die diesen an seinem Vermögen schädigten,

2./ im August 2018 in mehrfachen Angriffen durch gefährliche Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz sowie der gesellschaftlichen Stellung zu einer Handlung, nämlich der Ausfolgung von 20.000 Euro zu nötigen versucht, die den Genannten an dessen Vermögen schädigen sollte, indem er behauptete, ein gewisser „Adil“ habe sein Handy repariert und dabei den Chatverlauf zwischen ihm und Robert F***** ausgelesen und gespeichert und dieser oder er selbst würde– für den Fall der Nichtbezahlung der geforderten Summe – veröffentlichen, dass Robert F***** „mit Minderjährigen und Tieren sexuell verkehre“.

 

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch 2./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).

Indem der Beschwerdeführer mit breit angelegtem Vorbringen die Subsumtion nach §§ 15 Abs 1, 146, 147 Abs 2 StGB begehrt, übergeht er prozessordnungswidrig die Feststellungen, wonach ab 22. August 2018 er selbst mit Erpressungsvorsatz mehrfach mit der Veröffentlichung des Chatverlaufs drohte, um Robert F***** dazu zu bringen, die geforderte Summe aufzutreiben und an ihn zu übergeben (US 7 f), nachdem er zur Kenntnis nehmen musste, dass der von ihm (ursprünglich) gefasste Plan, nämlich durch Vorspiegelung einer Geldforderung und seiner eigenen Erpressung durch die – von ihm frei erfundene (US 6) – Person „Adil“ das Opfer zur Zahlung von 20.000 Euro zu verleiten, im Scheitern begriffen war (US 7).

Soweit die einen Schuldspruch wegen schweren Betrugs anstrebende Beschwerde bezogen auf die vor dem 22. August 2018 gesetzten Angriffe an sich zutreffend aufzeigt, dass nach dem Inhalt der „Drohungen“ (US 6) die Verwirklichung des angedrohten Übels nicht vom Willen des Angeklagten abhängig war (vgl RIS‑Justiz RS0092149 [T5]; Eder‑Rieder in WK2 StGB § 144 Rz 9/1), ist sie nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt (§ 282 StPO), liefe dies doch auf einen (§ 29 StGB) Schuldspruch wegen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 und 15 Abs 1 StGB zu 1./ zusätzlich zu jenem wegen schwerer Erpressung zu 2./ hinaus (vgl Ratz, WK‑StPO § 282 Rz 16).

Auch die Kritik (nominell Z 10, der Sache nach Z 9 lit a), das Versuchsstadium sei noch nicht erreicht worden, es mangle an „diesbezüglichen Konstatierungen“, übergeht die Feststellungen auf US 7 f.

Hinzugefügt sei, dass das Versuchsstadium bei § 144 StGB mit jeder iSd § 15 Abs 2 StGB der gefährlichen Drohung unmittelbar vorangehenden Handlung beginnt (vgl Eder‑Rieder in WK2 StGB § 144 Rz 36), der Angeklagte nach den Feststellungen daher durch die Drohungen bereits eine Ausführungshandlung setzte.

Die vom Beschwerdeführer vermisste Feststellung, dass der Angeklagte für sich eine Zahlung – unter Androhung der Zufügung eines Übels – forderte, findet sich auf US 8.

Weiters wendet sich die Beschwerde gegen die Annahme der Qualifikation der Begehung der Erpressung durch Drohung mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung (§ 145 Abs 1 Z 1 letzter Fall StGB; siehe dazu Seiler, SbgK § 106 Rz 20; RIS‑Justiz RS0092959). Dabei orientiert sie sich erneut nicht an den Urteilsfeststellungen, wonach der Beschwerdeführer drohte, die eine Neigung zu jungen Sexualpartnern und ein tendenziöses Interesse an sodomitischen Praktiken einräumenden (US 4 f, 13) Chatnachrichten des als Gemeinderat politisch aktiven und als stellvertretender Vorsitzender der Kinderfreunde Oberösterreich ehrenamtlich tätigen Tatopfers (US 8) zu veröffentlichen (insbesondere diese der K***** Zeitung, dem Bürgermeister oder dem Rathaus zuzuleiten [US 7]) und dabei beabsichtigte, Robert F***** mit der Vernichtung seiner gesellschaftlichen Stellung zu bedrohen (US 8).

Die in § 145 Abs 1 Z 1 vorletzter Fall StGB angeführte Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz stellt eine der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung rechtlich gleichwertige Begehungsform dar (alternatives Mischdelikt; RIS‑Justiz RS0092959 [T2]). Daher erübrigt sich ein Eingehen auf das gegen die Annahme der Qualifikation des § 145 Abs 1 Z 1 vorletzter Fall StGB gerichtete Beschwerdevorbringen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die Entscheidung über die Berufungen sowie über die (implizite) Beschwerde kommt demgemäß dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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