European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0020NC00002.19W.0305.000
Spruch:
Dem Ordinationsantrag wird stattgegeben.
Zur Verhandlung und Entscheidung über die beabsichtigte Klage wird das Landesgericht Feldkirch als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.
Begründung:
Die Klägerin beabsichtigt, gegen den Beklagten, ihren Bruder, Pflichtteilsansprüche nach dem am 11. 3. 2018 verstorbenen gemeinsamen Vater geltend zu machen. Der Vater habe kein abzuhandelndes Vermögen hinterlassen, jedoch noch zu Lebzeiten einen Liegenschaftsanteil überwiegend unentgeltlich an den Beklagten übertragen. Der Beklagte habe den Liegenschaftsanteil veräußert und sei nach Thailand verzogen.
Die Klägerin sei österreichische Staatsbürgerin. Der Beklagte habe fortdauernde Beziehungen zu Österreich. Es sei zu erwarten, dass er nach Österreich zurückkehren oder seine Heimat zumindest besuchen werde. Spätestens dann könne hierzulande Exekution gegen ihn geführt werden.
Die Rechtsverfolgung in Thailand sei unmöglich bzw unzumutbar, weil zwischen Thailand und Österreich keine Abkommen über die Anerkennung oder Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen bestünden.
Der Ordinationsantrag ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wenn – wie hier – dem Ordinationsantrag der gesamte Klagsinhalt zu entnehmen ist, ist die zur Individualisierung des Anspruchs in der Regel erforderliche Vorlage der Klage entbehrlich (RIS‑Justiz RS0046300 [T2]).
Die Ordination hat zu unterbleiben, wenn ohnehin ein Gerichtsstand im Inland besteht, was der Oberste Gerichtshof anhand der Angaben im Ordinationsantrag zu prüfen hat (RIS‑Justiz RS0117256, RS0114391). Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich jedoch kein Gerichtsstand: Zwar richtet sich in bestimmten, in § 77 JN angeführten Verlassenschaftsangelegenheiten die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz des Verlassenschaftsgerichts. Dieser Gerichtsstand steht aber nur für die in § 77 Abs 2 JN genannten Klagen auf Teilung der Erbschaft auch nach rechtskräftiger Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens zur Verfügung, nicht hingegen für Klagen auf Zahlung des Pflichtteils (7 Ob 202/00g; RIS‑Justiz RS0046578 [T2]; Mayr in Rechberger , ZPO 4 § 77 JN, Rz 1 und 3). Das Vorbringen der Klägerin zum Verlassenschaftsverfahren ist dahin zu verstehen, dass dieses bereits beendet ist, sodass der Gerichtsstand des § 77 JN nicht gegeben ist.
Gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN hat der Oberste Gerichtshof unter anderem dann ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wenn der Kläger österreichischer Staatsbürger ist und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre.
Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland ist nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs unter anderem dann gegeben, wenn eine Exekutionsführung im Inland geplant ist, die ausländische Entscheidung in Österreich aber nicht vollstreckt würde (7 Nc 18/16f; 8 Nc 25/06b; zu beiden RIS‑Justiz RS0046148 [T10; vgl auch T16]; Mayr in Rechberger , ZPO 4 § 28 JN, Rz 4).
Entscheidungen eines thailändischen Gerichts über einen Pflichtteilsanspruch werden in Österreich nicht vollstreckt, weil weder bilaterale noch einschlägige multilaterale Vereinbarungen über die Vollstreckung derartiger Entscheidungen bestehen (vgl 5 Nc 14/11w) und die Gegenseitigkeit im Verhältnis zu Thailand auch nicht durch Verordnung verbürgt ist (§ 406 EO).
Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin in dem von ihr angestrebten Verfahren als Partei zu vernehmen sein wird. Es war daher das Landesgericht am Wohnsitz der Klägerin zu ordinieren, in dem im Übrigen auch der vom Beklagten in einem Vorverfahren (Pflichtteilsanspruch nach der gemeinsamen Mutter) beauftragte Rechtsanwalt seinen Sitz hat.
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