OGH 9ObA127/18v

OGH9ObA127/18v17.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. M***** S*****, vertreten durch Pallauf, Meissnitzer, Staindl & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17–19, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. September 2018, GZ 12 Ra 54/18z‑16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00127.18V.1217.000

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Partei werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Dienstverhältnis eines Vertragsbediensteten kann jederzeit aus wichtigem Grund aufgelöst werden (§ 34 Abs 1 VBG). Ein wichtiger Grund, der den Dienstgeber zur vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses (Entlassung) berechtigt, liegt ua dann vor, wenn der Vertragsbedienstete sich einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflichten oder einer Handlung oder einer Unterlassung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen lässt (§ 34 Abs 2 lit b VBG) oder wenn der Vertragsbedienstete eine Nebenbeschäftigung betreibt, die dem Anstand widerstreitet oder die ihn an der vollständigen oder genauen Erfüllung seiner Dienstpflichten hindert und er diese Beschäftigung trotz Aufforderung nicht aufgibt (§ 34 Abs 2 lit e VBG).

Nach § 30 Abs 3 Satz 2 VBG gilt eine entgegen den Vorschriften des § 34 VBG ausgesprochene Entlassung als Kündigung, wenn der angeführte Auflösungsgrund einen Kündigungsgrund iSd § 32 Abs 2 oder 4 VBG darstellt; liegt auch kein Kündigungsgrund vor, so ist die ausgesprochene Entlassung rechtsunwirksam.

Ein Kündigungsgrund liegt ua dann vor, wenn der Vertragsbedienstete seine Dienstpflicht gröblich verletzt, sofern nicht die Entlassung in Frage kommt (§ 32 Abs 2 Z 1 VBG) oder er ein Verhalten setzt oder gesetzt hat, das nicht geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben aufrechtzuerhalten, sofern nicht die Entlassung in Frage kommt (§ 32 Abs 2 Z 6 VBG).

Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten nach § 34 Abs 2 lit b und e VBG ausgesprochene Entlassung des Klägers als unberechtigt angesehen. Es hat aber das Verhalten des Klägers als Kündigungsgrund nach § 32 Abs 2 Z 6 VBG gewertet.

1.  Zur außerordentlichen Revision des Klägers:

Darin macht der Revisionswerber als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend, dass die Konversion der unberechtigten Entlassung in eine Kündigung hier nicht zulässig sei, weil das Erfordernis der Aufforderung zur Aufgabe der abträglichen Nebenbeschäftigung umgangen würde. Eine „Umgehung“ liegt hier aber nicht vor.

Richtig ist, dass es für die Anwendung des § 30 Abs 3 Satz 2 VBG darauf ankommt, ob die zur Begründung der Entlassung angeführten Tatumstände einen „entsprechenden“ Kündigungsgrund nach § 32 Abs 2 VBG bilden (RIS-Justiz RS0082120). Dies ist aber auch bei einem außerdienstlichen Verhalten des Vertragsbediensteten, das dieser durch seine abträgliche Nebenbeschäftigung gesetzt hat, möglich. Dass der Vertragsbedienstete mit seinem Verhalten keinen Entlassungsgrund iSd § 34 Abs 2 lit e VBG oder des § 34 Abs 2 lit b VBG begründet hat, steht der Konversion nicht entgegen, sondern macht sie erst zum Thema. Von einer „Umgehung“, wie sie die außerordentliche Revision des Klägers annimmt, ist hier nicht auszugehen, setzt doch der Kündigungstatbestand des § 32 Abs 2 Z 6 VBG keine besondere Aufforderung des Dienstgebers voraus.

2.  Zur außerordentlichen Revision der Beklagten:

2.1.  Die Beurteilung des Berufungsgerichts, beide Fälle der verpönten Nebenbeschäftigung gemäß § 34 Abs 2 lit e VBG erforderten zur Erfüllung des Entlassungstatbestands, dass der Vertragsbedienstete diese Beschäftigung trotz Aufforderung nicht aufgegeben hat, ist nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht zu beanstanden. Für eine teleologische Reduktion, dass nur der 2. Fall des § 34 Abs 2 lit e VBG die Nichtaufgabe der Nebenbeschäftigung des Vertragsbediensteten trotz Aufforderung durch den Dienstgeber erfordere, mangelt es an einem erkennbaren entsprechenden Gesetzeszweck (vgl RIS-Justiz RS0106113). Auch die außerordentliche Revision stellt dazu keine weiteren Überlegungen an.

2.2.  Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungs- oder Entlassungsgrund verwirklicht wurde, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (9 ObA 18/15k; RIS‑Justiz RS0106298 [T18]). Dies gilt auch für die Frage, ob sich ein Vertragsbediensteter durch ein konkretes Verhalten einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflicht schuldig macht, durch die er das Vertrauen für den Dienst einbüßt (RIS-Justiz RS0105940 [T8]). Ein Korrekturbedarf liegt nicht vor.

2.3.  Das Berufungsgericht hat ausgehend vom Zugeständnis der Beklagten in ihrer Berufungsbeantwortung das Ende der Kündigungsfrist mit 31. 8. 2018 angenommen. Neue Überlegungen der Beklagten zu diesem Thema begründen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO sind die außerordentlichen Revisionen des Klägers und der Beklagten zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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