OGH 9ObA86/18i

OGH9ObA86/18i17.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekurs‑ und Revisionsrekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer und KR Karl Frint als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Puttinger Vogl Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei L*****, vertreten durch Dr. Klaus Perner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung des aufrechten Bestands des Dienstverhältnisses, über den Rekurs und Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekurs‑ und Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 7. Mai 2018, GZ 11 Ra 23/18h‑24, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 31. Jänner 2018, GZ 25 Cga 20/17f‑20, aufgehoben und über Rekurs der beklagten Partei der Beschluss vom 31. Jänner 2018, GZ 25 Cga 20/17f‑20, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00086.18I.1217.000

 

Spruch:

1. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.489,86 EUR (darin 248,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Klägerin war ab 1. 12. 2010 bei der Beklagten als Vertragsbedienstete beschäftigt und der G*****ges mbH als Konditorin dienstzugeteilt.

Ab 7. 9. 2016 befand sie sich durchgehend in Krankenstand. Mit Schreiben vom 23. 5. 2017 wurde sie von der Beklagten darauf hingewiesen, dass das Ende ihres Dienstverhältnisses mit Ablauf des 6. 9. 2017 aufgrund Dienstverhinderung infolge Krankheit von einem Jahr bevorstehe. Wenn ihr Krankenstand vor diesem Zeitpunkt ende, sei eine amtsärztliche Untersuchung notwendig. Eine solche fand – da die Klägerin eine Rückkehr aus dem Krankenstand plante – am 3. 7. 2017 statt. Dabei wurde festgestellt, dass die Klägerin mit 12. 7. 2017 mit der Einschränkung, dass die Hebebelastung 15 kg und die Tragebelastung 10 kg nicht überschreitet, wieder arbeitsfähig sei. Dieser Zustand bestehe seit September 2016. Der Klägerin sei eine Umschulung auf eine körperlich leichtere Tätigkeit anzuraten.

Mit Schreiben vom 17. 8. 2017 sprach die Beklagte die Kündigung des Dienstverhältnisses zum 30. 11. 2017 aus. Begründet wurde dies damit, dass sie zur Verwendung als Konditorin in einer Großküche gesundheitlich ungeeignet sei und ihr keine Arbeiten mit körperlich leichterer Tätigkeit angeboten werden könnten. Weiters wurde die Klägerin dienstfrei gestellt.

Bereits am 3. 8. 2017 hatte die Klägerin einen Antrag auf Anerkennung als begünstigte Behinderte iSd BEinstG gestellt. Mit Bescheid des Sozialministeriums, BASB Landesstelle Oberösterreich vom 9. 11. 2017 wurde festgestellt, dass die Klägerin aufgrund ihres am 3. 8. 2017 eingelangten Antrags ab demselben Tag dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört. Der Grad der Behinderung betrage 50 vH. Der Bescheid ist mittlerweile rechtskräftig. Am 15. 12. 2017 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie im Hinblick auf die rückwirkende Feststellung als begünstigte Behinderte vom aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses sowie von einer aufrechten Dienstfreistellung ausgehe. Die Beklagte brachte einen Antrag auf nachträgliche Zustimmung zur Kündigung gemäß § 8 BEinstG ein, über den bei Schluss der Verhandlung erster Instanz (31. 1. 2018) noch keine Entscheidung vorlag. Ob die Beklagte den Behindertenausschuss nach § 8a BEinstG verständigte, konnte nicht festgestellt werden.

Die Klägerin begehrt die Feststellung des aufrechten Bestands ihres Dienstverhältnisses über den 30. 11. 2017 hinaus, hilfsweise die Unwirksamerklärung der Kündigung. Sie sei gesundheitlich wieder in der Lage als Konditorin zu arbeiten. Die Beklagte habe keine Anstrengungen unternommen, ihr einen Ersatzarbeitsplatz zu verschaffen. Daneben sei die Kündigung iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG sozialwidrig. Aufgrund Bescheids des Sozialministeriums sei sie zum Kreis der begünstigten Behinderten zu zählen. Mangels Zustimmung des Behindertenausschusses sei die ihr gegenüber ausgesprochene Kündigung jedenfalls rechtsunwirksam.

Die Beklagte bestreitet und bringt vor, die Kündigung sei zu Recht erfolgt, weil die Klägerin im Rahmen ihrer beruflichen Befähigung nicht mehr einsetzbar gewesen sei. Sie sei vom 7. 9. 2016 bis 11. 7. 2017 durchgehend krank geschrieben gewesen. Auch darüber hinaus habe sie nicht eingesetzt werden können, weil sie nur Arbeiten mit einer Hebebelastung von weniger als 15 kg und einer Tragebelastung von weniger als 10 kg verrichten könne. Andere Tätigkeiten seien der Klägerin aufgrund ihrer eingeschränkten Belastbarkeit ebenfalls nicht möglich und zumutbar gewesen.

Mit Schriftsatz vom 29. 1. 2018 brachte die Beklagte weiters vor, dass nach § 60 Abs 9 das Salzburger Landesvertragsbedienstetengesetzes LGBl 2000/4 (L‑VBG) das Dienstverhältnis, wenn eine Dienstverhinderung wegen Krankheit ein Jahr gedauert habe, mit Ablauf dieser Frist ende, es sei denn, dass eine Fortsetzung vereinbart werde. Die Klägerin sei ab 7. 9. 2016 durchgehend in Krankenstand gewesen. Mit Schreiben vom 23. 5. 2017 sei sie vorschriftsgemäß auf das bevorstehende Ende des Dienstverhältnisses hingewiesen worden. Aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens sei davon auszugehen, dass die Klägerin weiterhin und ohne Aussicht auf Besserung arbeitsunfähig sei. Mit der Klägerin sei daher besprochen worden, dass mangels alternativer Verwendbarkeit eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr in Frage komme und dieses deshalb mit Ende November 2017 beendet werde. Das Arbeitsverhältnis habe daher ex lege geendet. Die Kündigungseinschränkung des § 8a BEinstG sei auf diese ex lege‑Beendigung nicht anwendbar. Der Ausspruch der Kündigung für Ende November 2017 sei aus sozialer Rücksichtnahme erfolgt. Diese könne nicht als Vereinbarung der Fortsetzung des Dienstverhältnisses interpretiert werden, weil auf die ex lege‑Beendigung nicht verzichtet und der Klägerin nur bei Dienstfreistellung faktisch eine weitere zweimonatige Bezugsdauer ermöglicht worden sei. Eine Zustimmung des Behindertenausschusses sei nur für Kündigungen erforderlich. Die nachträgliche Zustimmung sei nur vorsichtshalber beantragt worden.

Mit Beschluss vom 31. 1. 2018 wies das Erstgericht dieses Vorbringen vom 29. 1. 2018 als verspätet zurück, da es bereits zu Prozessbeginn hätte erstattet werden können und damit als grob schuldhaft verspätet anzusehen sei.

Mit Urteil vom 31. 1. 2018 gab das Erstgericht der Klage statt und stellte fest, dass das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen über den 30. 11. 2017 hinaus aufrecht bestehe. Die Kündigung sei rechtsunwirksam, weil aufgrund der Eigenschaft der Klägerin als begünstigte Behinderte ab dem Tag der Antragstellung, dem 3. 8. 2017, die nach § 8 BEinstG erforderliche Zustimmung des Behindertenausschusses zur Kündigung fehle. Dieser sei im Übrigen von der Beklagten auch nicht gemäß § 8a BEinstG verständigt worden.

Das Berufungsgericht gab dem Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss, mit dem das Vorbringen der Beklagten als grob schuldhaft verspätet zurückgewiesen wurde, Folge und wies den Antrag der Klägerin auf Zurückweisung dieses Vorbringens ab. Weiters gab es der Berufung der Beklagten gegen das Urteil Folge, hob dieses auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück an das Erstgericht.

Zur Rekursentscheidung führte es aus, dass die Beklagte in Reaktion auf neues Vorbringen der Klägerin ein Vorbringen erstattet habe, das zu keiner relevanten Erweiterung des ursprünglichen Prozessstoffes geführt habe. Es könne daher nicht von einer erheblichen Verfahrensverzögerung gesprochen werden. Jedenfalls sei aber der Beklagten auch kein grobes Verschulden anzulasten.

Zu prüfen sei daher auch in der Sache selbst, ob die mangelnde Verständigung des Behindertenausschusses nach § 8a BEinstG einer ex‑lege‑Beendigung nach § 60 Abs 9 L‑VBG entgegenstehen würde. Durch diese Verständigung solle nach den Erläuterungen die Verletzung der fristgerechten Befassung des Behindertenausschusses geahndet werden. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin aber ihren Antrag auf Anerkennung als begünstigte Behinderte am 3. 8. 2017 eingebracht. Das Dienstverhältnis hätte aber nach der Behauptung der Beklagten schon am 6. 9. 2017 geendet, weshalb drei Monate vor Fristablauf keine Verständigungspflicht bestanden habe. Damit könne die fehlende Verständigung des Behindertenausschusses einer ex lege‑Beendigung nicht entgegenstehen. Da das Erstgericht die Beendigungsvoraussetzungen des § 60 Abs 9 L‑VBG nicht geprüft habe, sei das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Der Revisionsrekurs und der Rekurs gegen diese Entscheidungen wurden vom Berufungsgericht zur Klarstellung zugelassen, ob § 8a Satz 3 BEinstG auch in Fällen anwendbar sei, in denen drei Monate vor der ex-lege‑Beendigung eines Dienstverhältnisses noch keine Verständigungspflicht bestanden habe.

Gegen den Beschluss, mit dem dem Rekurs der Beklagten Folge gegeben wurde, richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, das Vorbringen der Beklagten als verspätet zurückzuweisen.

Gegen den Beschluss, mit dem das erstinstanzliche Urteil aufgehoben wurde, richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, die Berufungsentscheidung dahingehend abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragte in ihrer Rekurs‑ und Revisionsrekursbeantwortung, die Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen bzw ihnen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist unzulässig und daher zurückzuweisen. Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Zum Revisionsrekurs:

Die Frage, ob Vorbringen (§ 179 ZPO) oder Beweisanbote (§ 275 ZPO) einer Partei als verspätet anzusehen sind, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage dar, weil es ganz von den Umständen des Einzelfalls abhängt, ob die Voraussetzungen der §§ 179, 275 ZPO als gegeben angesehen werden können (6 Ob 215/13f mwN).

Wenn das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass es der Beklagten nicht als grobes Verschulden anzulasten ist, wenn sie sich ursprünglich auf die Bekämpfung des Vorbringens der Klägerin zur Sozialwidrigkeit der Kündigung beschränkte und erst nach Berufung der Klägerin auf die rückwirkende Erlangung der begünstigten Behindertenstellung auch ein Vorbringen zu einer ex-lege‑Beendigung erstattete, mit dem keine relevante Erweiterung des ursprünglichen Prozessstoffes verbunden gewesen sei, bewegt sich dies im Rahmen des den Gerichten eingeräumten Beurteilungsspielraums.

Soweit im Revisionsrekurs geltend gemacht wird, dass der Schriftsatz erst knapp vor der Verhandlung erstattet wurde, übergeht die Klägerin, dass zu diesem Zeitpunkt ein Schriftsatzwechsel überhaupt nicht mehr vorgesehen war. Der Beklagten hätte daher auch kein Vorwurf gemacht werden können, wenn das Vorbringen erst in der mündlichen Streitverhandlung vorgetragen worden wäre, stellte es doch eine Reaktion auf ebenfalls neues Vorbringen der Klägerin dar.

Ist aber schon ein Verschulden der Beklagten an einem verspäteten Vorbringen vertretbar verneint worden, kommt es auf die Frage, ob damit eine Verfahrensverzögerung verbunden war, letztlich nicht an.

Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat die Klägerin der Beklagten die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen, da ein Zwischenstreit über die Zulässigkeit des ergänzenden Vorbringens vorliegt. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

Zum Rekurs:

1. Die vom Erstgericht angenommene Unwirksamkeit der Kündigung ohne Zustimmung des Behindertenausschusses wird von keiner der Parteien bestritten und ist daher nicht Gegenstand des Rekursverfahrens.

2. Nach § 60 Abs 9 Salzburger Landes-Vertragsbedienstetengesetz 2000 (L‑VBG) endet das Dienstverhältnis, wenn Dienstverhinderungen wegen Unfall oder Krankheit oder aus den Gründen des Abs 7 ein Jahr gedauert haben, mit Ablauf dieser Frist, es sei denn, dass vorher seine Fortsetzung vereinbart wurde. Bei der Berechnung der einjährigen Frist gilt eine Dienstverhinderung, die innerhalb von 6 Monaten nach Wiederantritt des Dienstes eintritt, als Fortsetzung der früheren Dienstverhinderung. Der Dienstgeber hat den Vertragsbediensteten spätestens drei Monate vor Ablauf der Frist nachweislich vom bevorstehenden Ende des Dienstverhältnisses zu verständigen. Erfolgt die nachweisliche Verständigung später, endet das Dienstverhältnis drei Monate nach dieser Verständigung, wenn der Vertragsbedienstete bis dahin den Dienst nicht wieder angetreten hat und vor Ablauf dieser Frist auch keine Verlängerung des Dienstverhältnisses vereinbart worden ist.

3. § 8a BEinstG ordnet an: Soweit in dienstrechtlichen Vorschriften für Bedienstete einer Gebietskörperschaft die Beendigung des Dienstverhältnisses wegen langer Dienstverhinderung infolge Krankheit kraft Gesetzes vorgesehen ist, ist im Fall eines begünstigten Behinderten (§ 2 BEinstG) der Behindertenausschuss spätestens drei Monate vor Ablauf dieser Frist von Amts wegen zu verständigen. Der Behindertenausschuss hat zur Zweckmäßigkeit einer Vereinbarung über die Fortsetzung des Dienstverhältnisses Stellung zu nehmen. Die Beendigung des Dienstverhältnisses wird – ungeachtet der dienstrechtlichen Vorschriften – frühestens drei Monate nach Einlangen der Verständigung beim Behindertenausschuss wirksam.

Durch § 8a BEinstG sollte die Rechtsstellung behinderter Vertragsbedienstete insoweit verbessert werden, als aufgrund der Verständigung des Behindertenausschusses dieser zur Frage der Zweckmäßigkeit des Abschlusses einer Vereinbarung über die Fortsetzung des Dienstverhältnisses Stellung zu nehmen hat (vgl ErläutRV 466 BlgNR 18. GP  14). Da diese Bestimmung nur zum Teil beachtet wurde und daher Dienstverhältnisse endeten, ohne dass dem Behindertenausschuss Gelegenheit eingeräumt wurde, Stellung zu nehmen, wurde durch die BEinstG‑Novelle BGBl I 1999/17 die Nichtbefassung des Behindertenausschusses insofern sanktioniert, als eine Beendigung des Dienstverhältnisses – unbeschadet der dienstrechtlichen Vorschriften – frühestens drei Monate nach erfolgter Verständigung des Behindertenausschusses eintreten kann (ErläutRV 1518 BlgNR 22. GP  12 f).

Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob eine solche Verständigung erfolgt ist. Letzteres wird auch von der Beklagten nicht behauptet.

4. Begünstige Behinderte sind nach § 2 Abs 1 BEinstG österreichische Staatsbürger – und diesen gleichgestellte Personen – mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt die letzte rechtskräftige Entscheidung über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH (unter anderem) des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice, vgl § 1 Sozialministerium-serviceG). Die Begünstigungen nach den BEinstG werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrags beim Bundessozialamt, wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monats wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung gestellt wird (§ 14 Abs 2 BEinstG).

Der Bescheid, mit dem über die Zugehörigkeit einer Person zum Kreis der nach § 2 Abs 1 BEinstG begünstigten Behinderten abgesprochen wird, wirkt nicht rechtsgestaltend, sondern hat Feststellungscharakter in Bezug auf das Bestehen der Behinderteneigenschaft ab dem im Bescheid genannten Zeitpunkt und dient als Nachweis der Begünstigung (9 ObA 86/06x mwN). Das „frühestens“ in § 14 Abs 2 BEinstG kann bei Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem es vom Gesetzgeber gebraucht wird, nur auf das Zutreffen der Voraussetzungen bezogen werden. Daraus folgt, dass sich die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten nicht schon aus der bloßen Tatsache des Vorliegens eines bestimmten Grades der Behinderung ergibt, sondern eines Nachweises durch einen rechtskräftigen Bescheid iSd § 14 Abs 1 BEinstG bedarf, mit dem die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten und der Grad der Behinderung festgestellt werden (K. Mayr in ZellKomm3, BEinstG § 14 Rz 1).

Der Feststellungsbescheid iSd § 14 Abs 2 BEinstG entfaltet trotz mangelnder Parteistellung des Arbeitgebers volle Tatbestandswirkung auch gegenüber dem Arbeitgeber (RIS‑Justiz RS0110351). Die Feststellung der Behinderteneigenschaft ähnelt in ihrer Funktion einer Statusentscheidung, die eine Reihe von Rechtswirkungen in verschiedenen Richtungen entfaltet, ohne dass alle Betroffenen oder Berührten dem Verfahren beigezogen werden mussten oder auch nur können (RIS‑Justiz RS0110655).

5. Durch die Rückwirkung der Zuerkennung der Rechtsstellung einer begünstigten Behinderung auf den Zeitpunkt der Antragstellung ist die Klägerin mit 3. 8. 2017 dem Kreis der begünstigten Behinderten zuzurechnen, damit zwar vor dem von der Beklagten behaupteten Ablauf der Jahresfrist des § 60 Abs 9 L‑VBG, dem 6. 9. 2017, zugleich aber weniger als drei Monate vor diesem Termin.

Zu prüfen ist daher, ob in einer solchen Konstellation eine Verständigungspflicht nach § 8a BEinstG („spätestens drei Monate vor Ablauf dieser Frist“) besteht beziehungsweise die Nichtverständigung zu einem Hinausschieben des Endigungstermins führt.

Anders als bei der Kündigung ist nach § 8a BEinstG die Beendigung des Dienstverhältnisses nicht von einer Zustimmung des Behindertenausschusses abhängig, diesem kommt vielmehr nur beratende Funktion zu. Die Sanktion, dass das Dienstverhältnis frühestens drei Monate nach Einlangen der Verständigung beim Behindertenausschuss endet, dient, wie sich aus den zuvor dargestellten Erläuterungen ergibt, nur insoweit den Interessen des Dienstnehmers, als dadurch ein gesetzeskonformes Verhalten des Arbeitgebers erreicht werden soll, um die Stellungnahme des Behindertenausschusses auch tatsächlich zu ermöglichen. Der Behindertenausschuss hat aber, anders als bei der Kündigung, grundsätzlich keine Möglichkeit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verhindern.

Insofern stellt diese Bestimmung eine Ergänzung zu der Regelung dar, dass der Vertragsbedienstete vom Dienstgeber rechtzeitig auf das bevorstehende Ende des Dienstverhältnisses hinzuweisen ist. Auch diese bezweckt, dem Dienstnehmer die Chance zu bieten, vor Fristablauf allenfalls eine vertragliche Verlängerung des Dienstverhältnisses zu erwirken (zur vergleichbaren Bestimmung des § 24 Abs 9 VBG ErläutRV 223 BlgNR 19. GP  31). Bei begünstigten Behinderten wird diese „Chance“ zusätzlich durch die Stellungnahme des Behindertenausschusses gefördert und unterstützt.

Dieser Zweck, die Stellung des behinderten Vertragsbediensteten zu verbessern, indem der Behindertenausschuss beigezogen wird, kann aber nicht erreicht werden, wenn zum relevanten Zeitpunkt (drei Monate vor Ablauf der Frist) nicht nur keine Obliegenheit des Arbeitgebers zur Verständigung bestand, sondern eine Verständigung auch nicht geeignet gewesen wäre, eine Stellungnahme des Behindertenausschusses zu erreichen. Daran ändert auch die Rückwirkung der Zuerkennung der Stellung als begünstigter Behinderter nichts. Die Begünstigung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz konnte frühestens mit dem Zeitpunkt der Antragstellung wirksam werden. Liegt dieser Zeitpunkt – wie im vorliegenden Fall – aber nach dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber nach § 8a BEinstG hätte tätig werden müssen, um die Jahresfrist zu wahren, kann der Umstand, dass der Arbeitgeber den Behindertenausschuss nicht verständigt hat, nicht zu einem Hinausschieben des Beendigungstermins führen.

Allein der Umstand, dass die Beklagte den Behindertenausschuss nicht verständigt hat, hindert daher die ex-lege-Beendigung nicht. Ob die übrigen Voraussetzungen einer ex-lege‑Beendigung, insbesondere das Vorliegen eines ein Jahr andauernden Krankenstands bzw das Nichtbestehen einer allenfalls auch schlüssig getroffenen Verlängerungsvereinbarung, erfüllt sind, wird vom Erstgericht im fortgesetzten Verfahren zu erörtern und zu klären sein.

Dem Rekurs der Klägerin ist daher nicht Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte