European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123799
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 1.411,20 EUR (darin enthalten 235,20 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu zahlen.
Begründung:
Die am * 1990 geborene Antragsgegnerin ist die Tochter des Antragstellers. Aufgrund eines Vergleichs vom 30. 11. 2006 ist der Antragsteller zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 800 EUR an die Antragsgegnerin verpflichtet.
Am 8. 3. 2018 stellte der Antragsteller den Antrag, ihn beginnend mit Jänner 2013 von seiner Unterhaltsverpflichtung zu entheben bzw festzustellen, dass der Unterhalt ab Jänner 2013 400 EUR beträgt und ab September 2017 zur Gänze erloschen ist.
Die Antragsgegnerin sprach sich dagegen aus.
Das Erstgericht wies den Antrag ab.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers gegen diesen Beschluss teilweise Folge. Für den Zeitraum vom 1. 1. 2013 bis 31. 3. 2015 bestätigte es die Abweisung des Antrags, im Übrigen hob es den Beschluss auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück an das Erstgericht. Richtig sei, dass für einen länger als drei Jahre zurückliegenden Zeitraum Verjährung eingetreten und das Herabsetzungsbegehren daher für den Zeitraum bis März 2015 nicht berechtigt sei. Zur Beurteilung der Unterhaltsverpflichtung für den Folgezeitraum seien jedoch noch weitere Feststellungen erforderlich.
Den Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Teil dieser Entscheidung ließ das Rekursgericht über Zulassungsvorstellung des Antragstellers gemäß § 63 Abs 3 AußStrG nachträglich zu, weil zur Frage, ob eine Verjährung des Unterhaltsherabsetzungsanspruchs auch eintrete, wenn der Unterhaltsberechtigte für diesen Zeitraum noch Exekution führen könne, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Abweisung des Unterhaltsherabsetzungsantrags für den Zeitraum 1. 1. 2013 bis 31. 3. 2015 gerichtete Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu beantworten ist. Die Zurückweisung des ordentlichen Revisionsrekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 Satz 4 AußStrG).
1. Seit dem 18. 6. 2011 ist die VO (EG) 2009/4 des Rates vom 18. 12. 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUVO) anwendbar (Art 76 EuUVO). Österreich und Großbritannien sind Mitgliedstaaten, auf die diese Verordnung anwendbar ist. Ihr sachlicher Anwendungsbereich umfasst alle Unterhaltspflichten, die „auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen“ (Art 1 Abs 1 EuUVO), daher auch die Geldunterhaltspflicht des Vaters.
Dass nach dieser Verordnung für den Unterhaltsherabsetzungsantrag österreichische Gerichte zuständig sind (vgl auch Art 3 EuUVO), ist zwischen den Parteien nicht strittig.
2. Nach Art 15 EuUVO bestimmt sich das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht für die Mitgliedstaaten, die durch das – am 18. 6. 2011 in Kraft getretene – Haager Unterhaltsprotokoll (HUP) 2007 gebunden sind, nach diesem Protokoll. Gemäß Art 3 Abs 1 HUP 2007 folgen Unterhaltsansprüche dem Recht des Staats, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (RIS‑Justiz RS0128723). Für die Unterhaltsansprüche der sich in Österreich aufhaltenden Antragsgegnerin ist daher österreichisches (Unterhalts‑)Recht anzuwenden.
3. Seit der Entscheidung des verstärkten Senats 6 Ob 544/87 entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass gesetzliche Unterhaltsansprüche grundsätzlich auch für die Vergangenheit – also rückwirkend – gestellt werden können (RIS‑Justiz RS0034969). Ebenso ist es anerkannt, dass Unterhaltsverpflichtungen auch rückwirkend aufgehoben oder eingeschränkt werden können, sofern sich der hiefür maßgebliche Sachverhalt in der Vergangenheit verwirklichte (RIS‑Justiz RS0034794; RS0053283). Unabhängig davon, ob die seinerzeitige Unterhaltsbemessung durch gerichtlichen Vergleich oder gerichtliche Entscheidung erfolgte, darf eine Änderung der Unterhaltsbemessung für die Vergangenheit daher immer dann erfolgen, wenn wegen Änderung der Verhältnisse die seinerzeitige Unterhaltsbemessung wegen der ihr innewohnenden Umstandsklausel nicht mehr bindend blieb (RIS‑Justiz RS0053297).
4. Der Anspruch auf Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen für die Vergangenheit unterliegt der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1480 ABGB (RIS‑Justiz RS0034969). Nach der Rechtsprechung gilt die Verjährungsfrist des § 1480 ABGB aber auch für Unterhaltsherabsetzungs- oder Unterhaltsaufhebungsbegehren (1 Ob 122/97; 1 Ob 109/99g; 8 Ob 92/16m, zuletzt ausführlich 9 Ob 53/18m mwN). Da eine Unterhaltsforderung nur für einen bis zu drei Jahre zurückliegenden Zeitraum geltend gemacht werden kann, besteht kein Anlass, asymmetrisch dem Unterhaltspflichtigen einen längeren Zeitraum für die rückwirkende Geltendmachung seines Herabsetzungs- oder Enthebungsantrags einzuräumen. Vom Unterhaltspflichtigen bereits bezahlte Unterhaltsbeiträge könnten über den Dreijahreszeitraum wegen Verjährung ohnedies nicht rückgefordert werden. Auch der Berechtigte kann laufende Unterhaltsbeiträge immer nur für die letzten drei Jahre begehren. Würde man einen Herabsetzungsantrag darüber hinaus als berechtigt ansehen, wäre höchstens einem jahrelang säumigen Unterhaltspflichtigen gedient, der einer exekutiven Geltendmachung der aufgelaufenen Rückstände entgehen will; eine Besserstellung desjenigen, der seine Unterhaltspflicht verletzt hat, gegenüber einem pflichtgetreuen Elternteil wäre aber nicht zu rechtfertigen (vgl 8 Ob 92/16m).
Mit dieser Rechtsprechung stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen in Einklang.
5. Der Antragsteller argumentiert, dass ihm ein Unterhaltsherabsetzungsantrag möglich sein müsse, um sich gegen die Exekutionsführung der Antragstellerin in Großbritannien zur Wehr setzen zu können.
Dabei vermengt er jedoch unzulässig die Frage der Verjährung des Herabsetzungsanspruchs mit der der Durchsetzbarkeit rechtskräftig zuerkannter Ansprüche.
Aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung oder eines gerichtlichen Vergleichs zustehende künftige Unterhaltsforderungen verjähren – wie dargestellt – grundsätzlich in drei Jahren. Nur wenn der Unterhaltsberechtigte seine bereits titulierten Ansprüche fristgerecht exekutiv geltend macht, unterbricht er damit die Verjährung (vgl RIS‑Justiz RS0085090). Das hat aber nicht zur Folge, dass die Verjährungsfrist des Unterhaltspflichtigen für seine Herabsetzungsansprüche bezogen auf den exekutiv geltend gemachten Zeitraum ebenfalls unterbrochen wird. Darin besteht kein Unterschied zwischen der Exekutionsführung im Inland oder im Ausland.
Soweit der Unterhaltstitel verjährt sein sollte, steht dem Antragsteller ohnehin eine Antragstellung nach Art 21 EuUVO im Vollstreckungsmitgliedstaat zu.
6. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 78 Abs 2 AußStrG. Die Antragsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.
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