European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00219.18M.1127.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Die Erstbeklagte erwirkte in einem Vorprozess gegen die Klägerin nach einer einstweiligen Verfügung (vgl 4 Ob 57/16k) ein rechtskräftiges Urteil (4 Ob 58/17h), wonach der Klägerin untersagt wurde, Massageausbildungen nach dem Medizinischen Masseur- und Heilmasseurgesetz (MMHmG) ohne die dafür erforderlichen behördlichen Genehmigungen anzubieten und/oder zu bewerben und/oder durchzuführen, insbesondere Ausbildungen zum medizinischen/gewerblichen Masseur ohne die Zustimmung des zuständigen Landeshauptmanns. Weiters wurde die Erstbeklagte zur Urteilsveröffentlichung ermächtigt.
Die Erstbeklagte, deren Geschäftsführer der Zweitbeklagte ist, teilte der Klägerin im Juli 2017 außergerichtlich mit, dass sie kein Unterlassungsexekutionsverfahren einleiten würde, wenn sie Kenntnis davon habe, dass die Klägerin über die erforderlichen Bewilligungen verfüge. Die Erlangung der entsprechenden Bewilligung habe aber lediglich zur Folge, dass das Unterlassungsurteil derzeit nicht vollstreckbar sei. Keinesfalls sei der Unterlassungstitel erloschen.
Die Klägerin erwirkte von Jänner bis November 2017 die erforderlichen Bescheide nach dem MMHmG für die Bundesländer Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Wien. Diese Bewilligungen sind auf bestimmte Standorte beschränkt, zum Teil zeitlich befristet und teilweise auf eine bestimmte Teilnehmerzahl beschränkt.
Die Erstbeklagte führt keine Exekution zur Durchsetzung des Unterlassungstitels; es steht nicht fest, ob sie dies der Klägerin androhte.
Die Klägerin begehrte zuletzt die urteilsmäßige Feststellung, dass der Unterlassungsanspruch und die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung nicht zu Recht bestünden, weiters erhob sie ein Unterlassungsbegehren, wonach den Beklagten untersagt werde, aus dem Titel gegen die Klägerin exekutiv vorzugehen, und ein Begehren auf Urteilsveröffentlichung.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage zur Gänze ab. Das Berufungsgericht verneinte ein Erlöschen des Unterlassungstitels, weil dieser der Erstbeklagten im Fall eines neuerlichen Zuwiderhandelns weiterhin zur Verfügung stehen müsse. Auch die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung sei noch aufrecht, wobei das Berufungsgericht auf die im Provisorialverfahren ergangene Entscheidung des Senats verwies (4 Ob 201/17p). Das klägerische Unterlassungsbegehren scheitere an der erforderlichen Erstbegehungsgefahr.
Rechtliche Beurteilung
In ihrer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision argumentiert die Klägerin im Wesentlichen damit, dass der Unterlassungsanspruch wegen Wegfalls der Wiederholungsgefahr erloschen sei. Damit zeigt sie keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Ob nach den besonderen Umständen des jeweiligen Falls Wiederholungsgefahr anzunehmen ist, hat grundsätzlich keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0031891).
2.1 Nach der Rechtsprechung darf bei der Prüfung, ob eine Wiederholungsgefahr vorliegt, nicht engherzig vorgegangen werden. Es genügt die ernste Besorgnis weiterer Eingriffe in die vom Berechtigten behaupteten Rechte (RIS-Justiz RS0037673). Bestreitet der Belastete die Wiederholungsgefahr, so hat er besondere Gründe zu behaupten, die eine solche Wiederholung in Zukunft als völlig ausgeschlossen oder doch zumindest als äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen (RIS‑Justiz RS0037673 [T3]).
2.2 Der bloße Umstand, dass das Verhalten des Unterlassungsschuldners aufgrund einer Änderung der Verhältnisse rechtmäßig ist, hat für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr keine Bedeutung, solange die Möglichkeit besteht, dass sich die Verhältnisse neuerlich ändern und das Verhalten dadurch wieder rechtswidrig wird (4 Ob 88/11m mwN; RIS-Justiz RS0037619 [T7]).
2.3 Nach der Rechtsprechung ist bei einem auf dem Fehlen einer behördlichen Bewilligung basierenden Unterlassungsanspruch die Wiederholungsgefahr trotz des mittlerweiligen Vorliegens einer rechtskräftigen Bewilligung zu bejahen, wenn der Schuldner nicht beweist, dass eine neuerliche Rechtsverletzung bei Aufhebung der Bewilligung äußerst unwahrscheinlich ist (4 Ob 193/00m; 2 Ob 173/12y; RIS-Justiz RS0114254).
2.4 Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der Unterlassungsanspruch nicht erloschen sei, hält sich im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung und bedarf schon in Hinblick auf den Umstand, dass die mittlerweile ergangenen Bewilligungsbescheide zum Teil nur befristet und unter Auflagen erteilt wurden, keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
3. Bereits in der im Provisorialverfahren zwischen den Streitteilen ergangenen Entscheidung 4 Ob 201/17p hat der Senat geklärt, dass das Urteilsveröffentlichungsbegehren davon unabhängig ist, ob der Unterlassungsanspruch noch besteht. Die Ausführungen in der Revision, die sich mit der Entscheidung des Senats nicht im Ansatz auseinandersetzen, können die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen.
4. Eine (vorbeugende) Unterlassungsklage ist dann gerechtfertigt, wenn ein Zuwiderhandeln unmittelbar droht, also Erstbegehungsgefahr besteht (RIS‑Justiz RS0009357 [T18]). Der Kläger muss in einem solchen Fall die tatsächlichen Umstände, die eine ernstlich drohende und unmittelbar bevorstehende Gefahr erstmaliger Begehung begründen, im Einzelnen darlegen und im Bestreitungsfall beweisen (RIS‑Justiz RS0010479 [T5]). Im Hinblick auf die getroffenen (Negativ‑)Feststellungen zur Erstbegehungsgefahr wirft die Revision auch in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage auf.
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