OGH 13Os106/18i

OGH13Os106/18i21.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. November 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der OKontr. Ponath als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Harald F***** und eine Angeklagte wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a (aF) FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Harald F***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 15. Jänner 2018, GZ 52 Hv 8/17i‑53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00106.18I.1121.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten Harald F***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Harald F***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG (A/I und B) sowie der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 (A/II) schuldig erkannt.

Danach hat er im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Salzburg-Stadt vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen bewirkt und zu bewirken versucht, nämlich

(A) bis 8. März 2001 als Geschäftsführer der I***** GmbH in Liquidation und danach als deren die steuerlichen Belange faktisch wahrnehmender Machthaber

I) durch die Nichtabgabe von Jahressteuererklärungen bewirkt, und zwar

i) für das Jahr 2000 um 92.513,23 Euro an Umsatzsteuer und um 152.301,57 Euro an Körperschaftsteuer,

ii) für das Jahr 2001 um 1.404,45 Euro an Umsatzsteuer und um 37.478,38 Euro an Körperschaftsteuer,

II) an Kapitalertragsteuer durch die Nichtabfuhr unter Verletzung der Anmeldungspflicht in Bezug auf verdeckte Gewinnausschüttungen bewirkt, wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

i) im Jahr 1999 um 20.767,54 Euro,

ii) im Jahr 2000 um 124.605,33 Euro,

(B) als Geschäftsführer der im***** GmbH

I/1) durch die Nichtabgabe von Jahressteuererklärungen

a) bewirkt, und zwar

i) für das Jahr 2001 um 17.728,99 Euro an Umsatzsteuer,

ii) für das Jahr 2002 um 35.727,35 Euro an Umsatzsteuer,

iii) für das Jahr 2004 um 11.156,59 Euro an Umsatzsteuer und um 15.519,04 Euro an Körperschaftsteuer,

iv) für das Jahr 2005 um 23.874,70 Euro an Umsatzsteuer und um 3.345,07 Euro an Körperschaftsteuer,

v) für das Jahr 2006 um 49.126,75 Euro an Umsatzsteuer und um 60.359,12 Euro an Körperschaftsteuer,

b) zu bewirken versucht, und zwar

i) für das Jahr 2008 um 30.201,58 Euro an Umsatzsteuer und um 12.668,39 Euro an Körperschaftsteuer,

ii) für das Jahr 2009 um 15.268,51 Euro an Umsatzsteuer und um 3.952,32 Euro an Körperschaftsteuer,

I/2) durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen

a) bewirkt, und zwar

i) für das Jahr 2003 um 15.341,74 Euro an Umsatzsteuer,

b) zu bewirken versucht, und zwar

i) für das Jahr 2003 um 6.948,19 Euro an Körperschaftsteuer,

ii) für das Jahr 2007 um 37.624,25 Euro an Umsatzsteuer und um 63.096,57 Euro an Körperschaftsteuer,

II) an Kapitalertragsteuer durch die Nichtabfuhr unter Verletzung der Anmeldungspflicht in Bezug auf verdeckte Gewinnausschüttungen

i) im Jahr 2001 um 7.617,46 Euro,

ii) im Jahr 2002 um 3.633,90 Euro,

iii) im Jahr 2003 um 5.982,66 Euro,

iv) im Jahr 2004 um 30.779,33 Euro,

v) im Jahr 2005 um 8.043,43 Euro,

vi) im Jahr 2006 um 61.234,67 Euro,

vii) im Jahr 2007 um 46.439,87 Euro,

viii) im Jahr 2008 um 35.890,53 Euro,

ix) im Jahr 2009 um 31.621,01 Euro und

x) im Jahr 2010 um 23.574,88 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 1, 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Harald F*****.

Die Besetzungsrüge (Z 1) reklamiert, in der (mit § 32 Abs 1a Z 6 StPO entsprechender Besetzung des Gerichtshofs) am 17. Jänner 2018 neu durchgeführten Hauptverhandlung (ON 52) sei zu Unrecht auf Verfahrensergebnisse der (nicht mit § 32 Abs 1a Z 6 StPO entsprechender Besetzung durchgeführten) Hauptverhandlung vom 11. August 2017 (ON 49) verwiesen worden. Solcherart macht sie nicht geltend, dass in der neu durchgeführten Verhandlung (§ 276a zweiter Satz StPO) – in der im Übrigen allfällige Nichtigkeiten, die sich in Zusammenhang mit der ursprünglich durchgeführten Hauptverhandlung ergeben haben könnten, obsolet geworden sind (https://rdb.manz.at/document/ris.jusr.JJR_19821027_OGH0002_0110OS00166_8200000_001?execution=e2s1 ) – der Gerichtshof nicht gehörig besetzt gewesen sei, nicht alle Richter der ganzen Verhandlung beigewohnt hätten oder sich ein ausgeschlossener Richter an der Entscheidung beteiligt habe, sodass Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 1 StPO nicht angesprochen wird.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung nachangeführter Beweisanträge Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt:

Der Antrag auf „Beischaffung der gesamten Akten betreffend die Abgabeverfahren der anklagegegenständlichen Firmen samt zugrundeliegender Unterlagen […] sowie des Aktes 31 Hv 185/04w des LG Salzburg einschließlich der dort erliegenden beiden SV‑Gutachten“ zum Beweis dafür, dass „keine Umsatz‑, Körperschafts‑ und Kapitalertragssteuer […] hinterzogen und verkürzt wurde, und zum Beweis dafür, dass […] über die in der Berufung in den Abgabeverfahren unbekämpft gebliebenen Beträge hinaus keine Verkürzungen erfolgten“ (ON 52 S 21), verfiel zu Recht der Abweisung. Ließ er doch nicht erkennen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme geeignet gewesen sei, eine Verbreiterung der geschaffenen Entscheidungsgrundlage zu bewirken, womit er auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung zielte (RIS-Justiz RS0118444; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330).

Der zum selben Beweisthema gestellte Antrag auf Einholung eines Buchsachverständigengutachtens verkennt, dass einem Abgabenbescheid als dem Resultat eines fachspezifischen Ermittlungsverfahrens nach ständiger Rechtsprechung die Bedeutung einer qualifizierten Vorprüfung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des im jeweiligen Finanzstrafverfahren aktuellen Finanzvergehens zukommt. Die Beiziehung eines Sachverständigen kann daher nur dann erfolgreich begehrt werden, wenn im Beweisverfahren unausgeräumt gebliebene Mängel aus konkreten Details der diesbezüglichen Tatsachengrundlagen schlüssig abgeleitet werden (RIS‑Justiz RS0087030; Lässig in WK2 FinStrG Vor FinStrG Rz 6). Solche Anhaltspunkte sind dem Antrag jedoch nicht zu entnehmen.

Bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrags ist stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt seiner Stellung und den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen (RIS‑Justiz RS0099618). Solcherart sind die in der Beschwerdeschrift nachgereichten Ausführungen zur Antragsfundierung prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618 [insbesondere T16], RS0099117).

Unter dem Aspekt einer Urteilsunvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) und einer offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) vermisst der Beschwerdeführer die Auseinandersetzung mit seinem Freispruch im Verfahren AZ 31 Hv 185/04w des Landesgerichts Salzburg wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 161 StGB und weiterer strafbarer Handlungen. Denn in diesem Verfahren seien Buchhaltungsunterlagen sichergestellt worden, die „auch eine wesentliche Grundlage für vorliegende Feststellungen der Betriebsprüfung für die Wirtschaftsjahre 2000 und 2001 bilden“. Mit dieser Kritik werden Begründungsmängel des angefochtenen Urteils im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht angesprochen.

Die Verantwortung des Beschwerdeführers haben die Tatrichter entgegen dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) hinreichend berücksichtigt (US 7 ff). Eine Verpflichtung des Gerichts, den vollständigen Inhalt der Aussage des Beschwerdeführers zu erörtern und daraufhin zu untersuchen, wie weit er für oder gegen diese oder jene Darstellung spricht, besteht der Beschwerdeauffassung zuwider nicht (RIS‑Justiz RS0098778).

Die vom Verteidiger mit Schriftsatz ON 51 vorgelegte Entscheidung des unabhängigen Finanzsenats vom 20. Oktober 2010, GZ. RV/0464‑S/11, ist in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen (§ 258 Abs 1 StPO), sodass der diesbezüglich erhobene Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) schon im Ansatz ins Leere geht (RIS‑Justiz RS0118316 [T11]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 427).

Die Angaben des für die im***** GmbH als Steuerberater tätigen Zeugen Mag. Michael Fi***** darüber, wie seiner Ansicht nach die Berechnung der Abgaben vorzunehmen gewesen wäre, sind kein Bericht über die sinnliche Wahrnehmung von Tatsachen, die der Vergangenheit angehören, sodass sie der Beschwerdekritik (Z 5 zweiter Fall) zuwider im Rahmen der Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nicht zu berücksichtigen waren (RIS‑Justiz RS0097540).

Die Aussage des Genannten, wonach „Gelder vom Konto 1 verwendet worden sind, um Aufwendungen der Firma zu bezahlen“, ohne dass dies (von der Finanzbehörde) berücksichtigt worden sei (ON 52 S 20), steht nicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch zu den Feststellungen betreffend die verdeckten Gewinnausschüttungen.

Die weitere Beschwerdekritik (formal Z 5 zweiter und vierter Fall) in Ansehung der Feststellungen zu den verdeckten Gewinnausschüttungen und zur Höhe der jeweils hinterzogenen Umsatz- und Körperschaftsteuer beschränkt sich darauf, mit eigenen Beweiswerterwägungen zu den Ergebnissen des abgabenbehördlichen Ermittlungsverfahrens die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung zu bekämpfen.

Auf das – ausdrücklich als solches bezeichnete – Vorbringen des Beschwerdeführers selbst (S 17 bis 69 der Rechtsmittelschrift) war keine Rücksicht zu nehmen, weil § 285 Abs 1 StPO nur eine einzige, zwingend von einem Verteidiger vorzunehmende (§ 61 Abs 1 Z 6 StPO) Ausführung der Beschwerdegründe kennt (RIS‑Justiz RS0100172; Ratz, WK‑StPO § 285 Rz 6). Eigene Rechtsmittelausführungen des Beschwerdeführers sind unabhängig davon, in welcher Form dies geschieht, nicht Teil der vom Verteidiger eingebrachten Beschwerdeschrift und jedenfalls unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0100172 [T14] und RS0100216).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte