European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00214.18V.1121.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Gemäß § 25c KSchG hat der Gläubiger den Verbraucher, der einer Verbindlichkeit als Interzedent beitritt, auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners hinzuweisen, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass der (Haupt‑)Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird. Der Gläubiger hat je nach Art und Ausmaß der Verbindlichkeit eine sorgfältige Bonitätsprüfung unter Verwendung der ihm zugänglichen Instrumente vorzunehmen, sich also in jenem Umfang Kenntnis von der wirtschaftlichen Lage des Hauptschuldners zu verschaffen, wie dies ein sorgfältiger Kreditgeber üblicherweise tut (RIS‑Justiz RS0115984). Ob der Gläubiger erkennen muss, dass der Hauptschuldner seine Verbindlichkeiten voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen werde, lässt sich nur einzelfallbezogen beantworten (RIS‑Justiz
1.2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach die klagende Bank auf die ihr vom Hauptschuldner vorgelegten (objektiv unrichtigen) Unterlagen zur wirtschaftlichen Lage seines Einzelunternehmens vertrauen durfte, also seine wahre finanzielle Situation nicht erkennen konnte, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.
1.3. Mangels Erkennbarkeit der Unrichtigkeit der Angaben des Hauptschuldners im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme war die Klägerin entgegen der Ansicht der Revisionswerberin auch nicht gehalten, die Bürgin darüber zu informieren, dass ihr die finanzielle Lage des Hauptschuldners nicht bekannt sei.
1.4. Auf die Frage, ob die Klägerin die von der Beklagten vermisste Anfrage an den Kreditschutzverband von 1870 stellen hätte müssen, kommt es hier nicht an, weil entgegen den Behauptungen der Beklagten gerade nicht feststeht, dass die Klägerin aufgrund einer solchen Anfrage die wahre finanzielle Situation des Hauptschuldners erkennen hätte können.
2. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass
der Gläubiger die wirtschaftliche Notlage des Hauptschuldners
kannte oder kennen musste, trifft den Interzedenten (RIS‑Justiz
RS0120350). Wird der Kreditgeber selbst aktiv, um die Einbeziehung der Interzedentin in das Schuldverhältnis zu erreichen, weist dies
prima facie darauf hin, dass er die Einbringung der Forderung beim Hauptschuldner als nicht gesichert ansah (RIS‑Justiz
RS0113882). Steht aber – wie hier – fest, dass die Klägerin nicht erkannt hat, dass der Hauptschuldner seine Verbindlichkeiten voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen werde, ist der Anschein bereits widerlegt; einen Anschein des „Kennenmüssens“ gibt es nicht (RIS‑Justiz RS0113882 [T6]).
3.1. Das richterliche Mäßigungsrecht gemäß § 25d KSchG soll den Interzedenten nicht grundsätzlich von beschwerlichen Verpflichtungen entlasten, sondern zielt im Wesentlichen auf extreme Einzelfälle ab. Anwendungsfälle sind etwa ruinöse Haftungen, die den Interzedenten langfristig wirtschaftlich ruinieren oder in erhebliche finanzielle Bedrängnis bringen (8 Ob 108/17s = RIS‑Justiz
RS0115165 [T6]). Ob ein unbilliges Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der Leistungsfähigkeit des Interzedenten iSd § 25d KSchG vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz
3.2. Dass die Vorinstanzen die von der Beklagten angestrebte Mäßigung ihrer Verbindlichkeit ablehnten, begründet angesichts des festgestellten Netto‑Pensionseinkommens der Beklagten in Höhe von 29.722 EUR pro Jahr und der aus dem Titel der Bürgschaft eingeklagten Forderung von 38.437,04 EUR sA keine erhebliche Rechtsfrage.
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