OGH 1Ob150/18t

OGH1Ob150/18t26.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Mag. Korn und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** K*****, vertreten durch Ing. DDr. Hermann Wenusch, Rechtsanwalt in Rekawinkel, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 55.542,28 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 13. Juni 2018, GZ 5 R 54/18b‑12, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 31. Jänner 2018, GZ 39 Cg 97/17i‑7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00150.18T.0926.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die von der Klägerin behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausführte, ist im Amtshaftungsverfahren nicht – wie in einem Rechtsmittelverfahren – zu prüfen, ob die in Betracht kommende Entscheidung oder das zu beurteilende Organverhalten richtig war, sondern ob die Entscheidung bzw das Verhalten auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung beruhte (RIS‑Justiz RS0049955 [T6]; RS0050216 [T7]). Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung als Verschuldenselement hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich deshalb regelmäßig einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0110837). Anderes gilt nur, wenn dem Berufungsgericht eine aus Gründen der Rechtssicherheit wahrzunehmende Fehlbeurteilung der Vertretbarkeit unterlaufen wäre (RIS‑Justiz RS0049955 [T10]). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

3. Nach der – vom Berufungsgericht zitierten –Entscheidung 7 Ob 38/17i (= EvBl 2018/89, 612 [Angyan] = ecolex 2018/255, 628 [Mrvošević]; dazu kritisch Vonkilch/Scharmer, Zur Dritthaftung von Sachverständigen bei Verletzung objektiv‑rechtlicher Pflichten und zu ihrer [angeblichen] Subsidiarität, Zak 2018/317, 164 [166]) bestehen Ansprüche wegen Verletzung objektiv‑rechtlicher Pflichten durch einen Sachverständigen lediglich subsidiär (idS schon RIS‑Justiz RS0022814). Bei einer objektiv‑rechtlichen Schutzpflichtverletzung fehle dem Gläubiger das schutzwürdige Interesse, wenn er kraft eigener rechtlicher Sonderverbindungen mit seinem Vertragspartner einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz habe. Von dieser Beurteilung ist das Berufungsgericht im Anlassverfahren in der Sache ausgegangen und ist der Rechtsprechungslinie gefolgt, dass auch bei (Teil‑)Verzicht des Gläubigers auf einen deckungsgleichen Anspruch gegen seinen unmittelbaren Vertragspartner die Schutzwirkung aus dem „fremden“ Vertrag mangels Rechtsschutzdefizits nicht in Anspruch genommen werden kann (7 Ob 170/11t = RIS‑Justiz RS0022814 [T19]).

Die Verletzung von vorvertraglichen Pflichten, wie insbesondere Aufklärungspflichten, durch einen Gehilfen ist nach § 1313a ABGB dem Geschäftsherrn zuzurechnen (RIS‑Justiz RS0028435). Auf dieser Grundlage ist das Berufungsgericht im Anlassverfahren davon ausgegangen, dass die Verkäuferin den (dort) beklagten Sachverständigen involviert habe, um ihre vorvertragliche Aufklärungspflichten gegenüber der Klägerin (Käuferin) – diese hatte ein Bauzustandsgutachten gefordert – zu erfüllen, sodass der Verkäuferin das Handeln des Sachverständigen zuzurechnen sei und den Forderungen der Klägerin gegen den Sachverständigen ihr Verzicht auf weitergehende Ansprüche gegenüber der Verkäuferin als ihrer unmittelbaren Vertragspartnerin entgegenstehe. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die dargelegten Rechtsaussichten vertretbar sind, ist nicht korrekturbedürftig.

4. Die Klägerin hat im Anlassverfahren einen– als Rechtsmittel im Sinn des § 2 Abs 2 AHG zu betrachtenden (RIS‑Justiz RS0119554) – Antrag auf Abänderung des Nichtzulässigkeitsausspruchs an das Berufungsgericht (samt Ausführung der ordentlichen Revision) erhoben, in dem grundsätzlich all das anzuführen ist, woraus später ein Amtshaftungsanspruch abgeleitet werden soll. Die Partei muss das Rechtsmittel nicht nur überhaupt erheben, sondern es darüber hinaus auch so formulieren, dass die darüber entscheidende Instanz in der Lage ist, den behaupteten Beurteilungs‑ oder Verfahrensfehler aufzugreifen oder zu korrigieren (RIS‑Justiz RS0026901 [T14, T15]). Das Berufungsgericht ist nämlich bei der Prüfung der nachträglichen Zulassung der ordentlichen Revision auf die im Abänderungsantrag geltend gemachten Gründe beschränkt (RIS‑Justiz RS0112166 [T9, T14]). Mangelt es an derartigen Ausführungen ist ein Amtshaftungskläger seiner Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG nicht nachgekommen (1 Ob 68/16f; 1 Ob 81/17v, jeweils mwN; RIS‑Justiz RS0119554 [T1]).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin den Anspruch in ihrem Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO samt der damit verbundenen ordentlichen Revision nicht auf die wissentliche Erteilung eines falschen Rates und damit auf die deliktische Haftung nach § 1300 Satz 2 ABGB gestützt habe, entspricht dem Akteninhalt. Das Berufungsgericht im Anlassverfahren war – wie dargelegt – bei der Prüfung der nachträglichen Zulassung der Revision auf die geltend gemachten Gründe beschränkt, sodass es auf eine allfällige Haftung nach dieser Rechtsgrundlage bei der Zulassung der ordentlichen Revision gar nicht eingehen konnte.

5. Soweit die Klägerin dem Berufungsgericht im Anlassverfahren vorwirft, es habe unvertretbar gemäß § 508 Abs 4 ZPO den Antrag nach Abs 1 leg cit samt der ordentlichen Revision zurückgewiesen, ist grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass das Berufungsgericht die Stichhaltigkeit eines Abänderungsantrags zu prüfen hat (RIS‑Justiz RS0112166 [T1]). Eröffnet eine bereits vorhandene Grundsatzjudikatur des Obersten Gerichtshofs einen Wertungsspielraum, so darf es einen solchen Ausspruch nur dann nachträglich abändern, wenn es zur Überzeugung gelangt, dass ihm bei der Würdigung des Anlassfalls eine „erhebliche“ Fehlbeurteilung unterlief (RIS‑Justiz RS0114180). Die bloße Vertretbarkeit einer anderen Lösung wirft noch keine erhebliche Rechtsfrage auf (RIS‑Justiz RS0114180 [T5]; RS0116755).

Nicht korrekturbedürftig ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Klägerin ihren Anspruch in der Berufung des Anlassverfahrens nicht mehr auf einen echten Vertrag zugunsten Dritter gestützt hatte, sodass es ihr verwehrt gewesen sei, diesen Punkt an den Obersten Gerichtshof heranzutragen (RIS‑Justiz RS0043573 [T2, T33, T40, T42, T43]). Dies trifft auch auf eine allfällige Abtretung von Schadenersatzansprüchen der Verkäuferin gegenüber dem Gutachter an sie und auf die von ihr – ohne eine Rechtsgrundlage zu nennen – behauptete „Ingerenzhaftung des Sachverständigen“ zu, die darin bestehen soll, dass dieser „für die von ihm geschaffene Gefahrenquelle (das Gutachten)“ haften solle. Nicht zu beanstanden ist auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe in ihrem im Anlassverfahren gestellten Zulassungsantrag nicht (stichhaltig) aufzuzeigen vermocht, dass sie gegenüber der Verkäuferin keinen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz gehabt habe. Der vom Berufungsgericht im Anlassverfahren mit der Gehilfenzurechnung nach § 1313a ABGB wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten über den Bauzustand begründeten schadenersatzrechtlichen Haftung der Verkäuferin ihr gegenüber hielt die Klägerin im Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO nur die Behauptung entgegen, dass der Sachverständige keine Pflicht der Verkäuferin erfüllt habe und solcherart auch nicht deren Erfüllungsgehilfe gewesen sein habe können.

Auch in diesem Zusammenhang ist die Ansicht des Berufungsgerichts nicht korrekturbedürftig, die Klägerin habe damit nicht stichhaltig eine unrichtige Beurteilung des Berufungsgerichts im Anlassverfahren aufgezeigt, hatte es die Verkäuferin doch unstrittig gegenüber der Klägerin übernommen, ein (richtiges) Gutachten beizubringen.

6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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