OGH 1Ob155/18b

OGH1Ob155/18b26.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Heigl, Mag. Willibald Berger, Rechtsanwälte in Marchtrenk, gegen die beklagte Partei J***** H***** GmbH, *****, vertreten durch die Gassauer‑Fleissner Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen 339.984 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. April 2018, GZ 2 R 46/18z‑58, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 26. Februar 2018, GZ 63 Cg 23/16b‑51, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00155.18B.0926.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist Herstellerin von Gastrogeräten und beliefert den Fachhandel. Die Beklagte ist Fachhändlerin für Gastronomietechnik. Die Streitteile trafen am 15. 12. 2015 eine Vereinbarung, nach der sich die Beklagte verpflichtete, im Jahr 2016 36 Griller einer bestimmten Bauart bei der Klägerin zu beziehen. In Punkt 9. des Vertrags vereinbarten sie unter der Bezeichnung „Wettbewerbsverbot“, dass sich der Lieferant (Klägerin) verpflichtet, kein Direktgeschäft mit einem bestimmten Endkunden des Käufers (der Beklagten) abzuschließen, solange der Käufer diesen Endkunden mit dem von der Klägerin erworbenen Gastronomie‑Equipment beliefert.

Dem Begehren der Klägerin auf Zahlung des Kaufpreises für diese Griller hielt die Beklagte entgegen, dass sie zur Vertragsaufhebung berechtigt sei, weil die Klägerin gegen das Wettbewerbsverbot nach Punkt 9. der Vereinbarung verstoßen habe.

Das Berufungsgericht bestätigte das die Klage abweisende Urteil des Erstgerichts. Das Wettbewerbsverbot sei als äquivalente Nebenpflicht zum Kaufvertrag einzustufen, wobei die Klägerin mehrfach dagegen verstoßen habe, indem sie Gastronomie‑Equipment direkt an den Endkunden der Beklagten geliefert habe. Damit habe die Klägerin eine für die Beklagte wesentliche Vertragsbestimmung verletzt, sodass diese berechtigt vom Vertrag zurückgetreten sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin spricht in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO an:

1.1 Wie bereits in ihrer Berufung rügt die Klägerin, dass sie von der Entscheidung des Erstgerichts überrascht worden sei, weil mit ihr das Thema eines Verstoßes gegen das Konkurrenzverbot im Zusammenhang mit einer bestimmten Beilage nicht thematisiert worden sei und beruft sich damit auf eine Verletzung der §§ 182, 182a ZPO durch das Erstgericht.

1.2 Die Unterlassung der Erörterung rechtlicher Gesichtspunkte bildet nur dann einen Verfahrensmangel, wenn dadurch einer Partei die Möglichkeit genommen wurde, zur bisher unbeachtet gebliebenen Rechtslage entsprechendes Tatsachenvorbringen zu erstatten (vgl RIS‑Justiz RS0120056 [T8]). Das Berufungsgericht hat dargelegt, dass das nicht der Fall ist, weil sich die Beklagte im Verfahren erster Instanz wiederholt auf einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot berufen und damit ihren Vertragsrücktritt begründet hat, und hat damit das Vorliegen eines Verfahrensmangels begründet verneint. Behauptete Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht geprüft und verneint wurden, können nicht mehr als Revisionsgrund herangezogen werden (RIS‑Justiz RS0042963; E. Kodek in Rechberger , ZPO 4 § 503 ZPO Z 9 mwN). Dass die Klägerin in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel nunmehr die Erörterung zu einem bestimmten Beweisergebnis (hier einer Urkunde) vermisst, kann an diesen Grundsätzen nichts ändern.

2.1 Mit ihrem Vorwurf, das Verfahren zweiter Instanz sei mangelhaft geblieben, wendet sich die Klägerin gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, das ihre Rüge, ein bestimmter Zeuge sei ungerechtfertigt nicht einvernommen worden, als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt erkannt hat.

2.2 Die Prüfung einer behaupteten Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens setzt voraus, dass die Relevanz des Mangels in der Revisionsschrift dargelegt wird (RIS‑Justiz RS0043039; vgl auch RS0037095). Es muss nachvollziehbar vorgebracht werden, welche für den Rechtsmittelwerber günstigen Verfahrensergebnisse zu erwarten gewesen wären, wenn der dem Gericht zweiter Instanz unterstellte Verfahrensfehler nicht unterlaufen wäre (RIS‑Justiz RS0043039 [T4]). Diesen Anforderungen wird das Rechtsmittel der Klägerin nicht gerecht, weil sie es – wie übrigens bereits in ihrer Berufung – verabsäumt, konkret darzulegen, inwieweit die von ihr vermisste Beweisaufnahme zu einem ihr günstigeren Verfahrensergebnis führen hätte sollen.

3. Abgesehen davon, dass sich die Ausführungen der Revisionswerberin, warum es einen (weiteren) Verfahrensmangel darstellen soll, dass das Erstgericht das Verfahren nicht gemäß § 194 ZPO wiedereröffnete, an Hand des Akteninhalts nicht nachvollziehen lassen, hat sie in ihrer Berufung einen solchen Mangel nicht geltend gemacht. Seine Geltendmachung kann in der Revision nicht nachgeholt werden (RIS‑Justiz RS0043111).

4. Mit ihren nur schwer einzuordnenden Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung spricht die Klägerin zunächst erkennbar Fragen der Vertragsauslegung an. Solche hängen aber stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0044298) und können nur dann eine erhebliche Rechtsfrage begründen, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RIS‑Justiz RS0044298 [T27]). Eine solche spricht die Klägerin aber nicht an, wenn sie meint, ihrem Begehren wäre stattzugeben, wenn „man das Konkurrenzverbot nicht falsch interpretiert bzw. die richtigen Feststellungen hiezu trifft“. In diesem Zusammenhang ignoriert sie den von den Tatsacheninstanzen festgestellten Sachverhalt und strebt ihr günstigere Feststellungen an, die darauf abzielen, dass sie entgegen dem vom Berufungsgericht gebilligten Sachverhalt nach Abschluss der Vereinbarung keine Griller unmittelbar an den Endkunden geliefert habe. Die Beweiswürdigung und damit die Tatsachenfeststellungen können vom Obersten Gerichtshof, der ausschließlich Tatsacheninstanz ist (RIS‑Justiz RS0123663), aber nicht überprüft werden.

5.1 Ein vereinbartes Konkurrenzverbot ist als vertragliche Nebenpflicht Erfolgsverbindlichkeit ( Reischauer in Rummel , ABGB 3 Vor §§ 918–933 Rz 2), sodass sie das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revisionswerberin zutreffend als „äquivalente“ (hauptleistungsbezogene) Nebenleistungspflicht (vgl die Beispiele bei P. Bydlinski in KBB 5 § 918 Rz 5) beurteilte.

5.2 In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs werden über die in den §§ 918, 920 ABGB geregelten Fälle hinaus (auch) bei Zielschuldverhältnissen Rücktrittsrechte aus wichtigem Grund anerkannt, so wenn dem Vertragspartner die Aufrechterhaltung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden kann (RIS‑Justiz RS0111147; 2 Ob 163/13d mwN; P. Bydlinski aaO § 918 Rz 9). § 918 Abs 2 ABGB sanktioniert daher nicht nur den Leistungsverzug, sondern auch den in der Verweigerung der Zuhaltung von vereinbarten wesentlichen Vertragsbedingungen gelegenen Vertragsbruch, wenn er mit einer schweren Erschütterung des Vertrauens in die Person des Vertragspartners einhergeht (RIS‑Justiz RS0018286). Dabei ist es entgegen der Auffassung der Revisionswerberin unerheblich, ob der mit der Beklagten abgeschlossene Vertrag im Zeitpunkt des ihr angelasteten Verstoßes gegen das Konkurrenzverbot bereits „in die Tat umgesetzt“ war, womit sie offensichtlich meint, dass das vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot deshalb nicht anzuwenden sei, weil die Beklagte noch keine Waren abgerufen hatte. In diesem Zusammenhang verkennt sie schlicht, dass es darauf ankommt, ob der Beklagten die Aufrechterhaltung des Vertrags wegen der ihr angelasteten Treuewidrigkeit nicht mehr zumutbar war, nicht jedoch, ob der Vertrag zu diesem Zeitpunkt bereits (teilweise) in das Abwicklungsstadium eingetreten war. Ob dem ihr angelasteten Verstoß gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot ein solches Gewicht beizumessen ist, stellt eine Frage des Einzelfalls dar, der darüber hinausgehende Bedeutung nicht zukommt (RIS-Justiz RS0018286 [T9]). Ausgehend von den Feststellungen, nach denen die Klägerin abredewidrig jedenfalls drei Griller in Umgehung der Beklagten an deren Endkunden lieferte, bedarf es keiner Korrektur, wenn das Berufungsgericht diesen Verstoß der Klägerin als einen derartigen Vertrauensbruch ansah, der der Beklagten die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses unzumutbar machte; selbst wenn dieser Lieferung ein Schadenersatzanspruch des Kunden wegen „Betriebsunterbrechungen“ zugrundeliegen sollte, hätte dieser nicht auf eine Weise erfüllt werden müssen, die massiv in die Absatzchancen der Beklagten eingreift.

Soweit die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang weitergehende Feststellungen vermisst, übersieht sie, dass sie das Vorbringen der Beklagten zu diesem Thema in erster Instanz nicht substanziiert bestritten und diesem auch kein eigenes Tatsachenvorbringen entgegengehalten hat. Entgegen ihrer Ansicht kommt es bei dieser Sachlage auch nicht darauf an, ob ihr Verhalten „eine verwerfliche gröblich sittenwidrige Vorgangsweise“ begründete, wozu sie unter Berufung auf § 1 UWG Feststellungen vermisst, weil die Begründetheit des Vertragsrücktritts durch die Beklagte, nicht jedoch Ansprüche nach dem UWG zu beurteilen sind.

6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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