OGH 14Os64/18w

OGH14Os64/18w11.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ertl, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhard S***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. November 2017, GZ 124 Hv 17/15a‑164, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00064.18W.0911.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – Gerhard S***** und Paul H***** vom Vorwurf, es hätten in W***** ab dem Jahr 2011 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schwerem Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen,

I./ Gerhard S***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich dass das haftbare Unternehmen B***** existiere, eine Baukonzession habe und die im Urteil konkretisierten Bauaufträge durchführen könne, Nachgenannte zur Zahlung von Geldbeträgen verleitet, die diese in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, nämlich

A./ Anetta und Andreas Ha***** durch Vortäuschung einer Generalsanierung ihres Hauses in P***** zur Übergabe und Überweisung von insgesamt 75.938 Euro;

B./ Wolfgang P***** durch Vortäuschung eines Ausbaus eines Dachgeschosses in W***** zur Übergabe und Überweisung von insgesamt 83.920,80 Euro;

C./ Vincent P***** durch Vortäuschung eines Umbaus seines Lokals „K***** GmbH“ zur Überweisung von insgesamt 272.065,92 Euro;

D./ Maike und Christian W***** durch Vortäuschung des Abrisses und der Neuerrichtung ihres Kleingartenhauses zur Übergabe und Überweisung von insgesamt 78.867,32 Euro;

E./ Hermann W***** durch Vortäuschung der Renovierung seiner Wohnung in W***** zur Überweisung von 151.539,72 Euro;

F./ Manuel M***** zur Zahlung von insgesamt 24.400 Euro durch Vortäuschung der Weitergabe dieses Betrags an Christian Mö***** und an Arbeiter;

(...)

III./ Paul H***** zur Ausführung der zu I./ genannten strafbaren Handlung des S***** beigetragen, indem er als Baumeister auftrat und vorgab, in dessen Auftrag professionelle Arbeiten auf den Baustellen durchzuführen; gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen die Freisprüche der Angeklagten S***** und H*****; ihr kommt keine Berechtigung zu.

Der Beantwortung der Nichtigkeitsbeschwerde ist voranzustellen, dass mangelhafte Urteilsannahmen Gegenstand der Mängelrüge (Z 5) sind, während die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen den Bezugspunkt von Rechts- und Subsumtionsrüge (Z 9 und 10) bildet (RIS‑Justiz RS0128974, RS0099810; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 420). Nur hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen ein freisprechendes Urteil keine (positiven oder negativen) Konstatierungen enthält, ist unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen (RIS‑Justiz RS0127315).

 

Zur gegen den Freispruch des Angeklagten Gerhard S***** gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde:

Unter Hinweis auf Aussagen der Zeugen Christoph W***** und Anetta Ha*****, wonach der Angeklagte S***** auch selbst auf der Baustelle mitgearbeitet habe (ON 84 S 72 und ON 85 S 9), und auf eine Urteilspassage (US 50) vermeint die Beschwerde, das Erstgericht hätte „auf Grundlage der vorhandenen Beweisergebnisse“ und „bei einer den Erfordernissen des § 281 Abs 1 Z 5 StPO entsprechenden Beweiswürdigung“ zu den Feststellungen gelangen müssen, dass S***** keine „oder zumindest unzureichend[e]“ Professionisten beauftragte, Arbeiten auf der Baustelle selbst ausführte, um das Fehlen seiner Befähigung wusste und eine Schädigung der Opfer ernstlich für möglich hielt und sich mit dieser abfand. Sie übt damit weder Kritik an getroffenen Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen iSd Z 5, noch bringt sie Feststellungsmängel prozessordnungskonform zur Darstellung.

Undeutlichkeit iSd Z 5 erster Fall liegt vor, wenn – unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe und des Erkenntnisses – nicht unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS-Justiz RS0089983). Dass sich die Konstatierung, S***** habe „keine ausreichenden Kenntnisse vom Baugewerbe“ gehabt, sei aber „von seinem Können überzeugt“ gewesen (US 6), auf die Fähigkeiten des Angeklagten im Bereich des Baugewerbes bezieht (US 33), räumt die Beschwerde selbst ein. Soweit sie die Ableitung dieser Konstatierung aus dem Auftreten des Angeklagten in der Hauptverhandlung (US 33) für nicht ausreichend begründet erachtet, dessen Glaubwürdigkeit anzweifelt und auf dessen Verantwortung und Vorgangsweise verweist, zeigt sie keine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) auf (RIS‑Justiz RS0118317), sondern übt in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik. Im Übrigen hat das Schöffengericht die Aussage des Angeklagten S*****, er könne Arbeiten nicht selbst durchführen aber bei deren Fertigstellung ihre Fachgerechtheit beurteilen (ON 84 S 31), ebenso berücksichtigt (US 33) wie das Baumängel bekundende Sachverständigengutachten (ON 103; US 31, 36 f, 41, 61, 64 ff).

Dass das Erstgericht die (negativen) Feststellungen zur subjektiven Tatseite (unter anderem) auf die anfängliche Erbringung von Leistungen gestützt hat (US 50), ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Mit dem Hinweis auf die Mangelhaftigkeit der Leistungen, Verzögerungen derselben seit Ende 2011 und der dennoch erfolgten Übernahme weiterer Aufträge bekämpft die Rüge nach Art einer Schuldberufung die Beweiswürdigung des Schöffengerichts zur Nichtannahme eines Schädigungsvorsatzes.

Das selbe gilt für die Aufzählung von teils im Urteil festgestellten, teils vom Bausachverständigen angeführten Mängeln bei den einzelnen Bauvorhaben und für die daraus gezogene Schlussfolgerung, die Baumängel würden über ein normales Maß hinausgehen, eine unfachmännische Vorgehensweise erkennen lassen und zur Wertlosigkeit der Leistungen für die Opfer führen.

 

Keine Begründungsdefizite iSd Z 5 zeigt die Beschwerde auf, indem sie den vom Erstgericht verneinten (US 9, 13 f, 18, 22 f, 25 f und 28) Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung eigenständig aus dem „wirtschaftlichen Sinn“ der Aufträge für den Angeklagten und der Nichterbringung von Leistungen ableitet (RIS‑Justiz RS0099455). Gleiches gilt für die Forderung, dass „ausgehend“ von den gewünschten Feststellungen „angesichts des Vorliegens von weit mehr als drei Fakten und deutlich höherer Einnahmen als 400 Euro monatlich“ Feststellungen zu einem auf gewerbsmäßige Begehung gerichteten Vorsatz zu treffen gewesen wären.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) erachtet „aufgrund der in der Hauptverhandlung hervorgekommenen Beweisergebnisse“ (teils unter Vernachlässigung der getroffenen Konstatierungen) „Ersatzfeststellungen“ für indiziert und verkennt damit das Wesen materieller Nichtigkeit (erneut RIS‑Justiz RS0127315; Ratz , WK‑StPO 581 ff und 600 ff).

 

Zur gegen den Freispruch des Angeklagten Paul H***** gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde:

Weder Nichtigkeit aus Z 5 noch solche aus Z 9 lit a zeigt die Beschwerde mit der Behauptung auf, das Erstgericht hätte angesichts der Konstatierungen, wonach sich der Angeklagte H***** nicht ausreichend um die Baustellen gekümmert habe und seinen Pflichten als Baumeister nicht ausreichend nachgekommen sei, feststellen müssen, aus welchen Gründen er dem Angeklagten S***** „dermaßen vertraute, dass kein Eventualvorsatz angenommen werden muss“.

Zum Begehren von „Ersatzfeststellungen“ wird auf die Beantwortung der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Angeklagten S***** verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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