OGH 4Ob123/18v

OGH4Ob123/18v17.7.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Katharina Kolland‑Twaroch, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei G***** M*****, vertreten durch H***** M*****, als Sachwalterin, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler und Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, wegen zuletzt 62.177,89 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 13. April 2018, GZ 7 R 135/17z‑53, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00123.18V.0717.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Mit Mietvertrag vom 8. 1. 2005 vermietete der Beklagte der Klägerin ein Geschäftslokal. Auf das noch aufrechte Bestandverhältnis ist das MRG nicht anwendbar. Die Klägerin hat das Bestandobjekt in Kenntnis des Umstands übernommen, dass zur Herstellung eines brauchbaren Zustands noch Investitionen notwendig sind. Sie verpflichtete sich, die erforderlichen Sanierungsarbeiten selbst durchzuführen, im Gegenzug räumte der Beklagte Mietzinsfreiheit für die ersten zwei Monate ein. Im Mietvertrag ist auch vereinbart, dass die Klägerin die während der Bestanddauer notwendig werdenden Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten „auf eigene Kosten und ohne Anspruch auf Rückersatz vorzunehmen hat. Sämtliche Investitionen und Verbesserungen gehen bei Beendigung des Bestandverhältnisses ersatzlos in das Eigentum des Vermieters über, sofern sie sich nicht ohne Beschädigung der Substanz und unter Wiederherstellung des vorherigen Zustandes entfernen lassen.“. Die Parteien sind dabei davon ausgegangen, dass die Klägerin die von ihr vorgenommenen Sanierungen und Verbesserungen auf ihre eigenen Kosten und ohne Ersatzanspruch gegenüber dem Beklagten durchführen könne.

Die Vorinstanzen haben das auf §§ 1097, 1036 ABGB gestützte Klagebegehren auf Ersatz der Kosten der im Geschäftslokal getätigten Investitionen abgewiesen. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Die Vorinstanzen legten ihrer Entscheidung zur Frage des Ausschlusses eines Ersatzanspruchs für die von der klagenden Mieterin getätigten Aufwendungen den übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien zugrunde. Insoweit die Klägerin in der Revision diesbezüglich einen Konsens zwischen den Streitteilen vermisst, versucht sie diese Feststellungen zu bekämpfen, worauf nicht näher einzugehen ist, weil der Oberste Gerichtshof keine Tatsacheninstanz ist (RIS‑Justiz RS0042903 [T2, T10], RS0069246 [T1, T2]).

2.1 Nach gesicherter Rechtsprechung ist die Pflicht des Bestandgebers, den Bestandgegenstand nach § 1096 ABGB in brauchbarem Stand zu übergeben und zu erhalten, außerhalb zwingender Normen des MRG abdingbar (3 Ob 47/13b; RIS‑Justiz RS0021233, RS0124826, RS0020947). Auch die Bestimmung des § 1097 ABGB ist abdingbar; deshalb kann außerhalb des Vollanwendungsbereichs des MRG auch vereinbart werden, dass der Bestandnehmer die Sache auf seine Kosten brauchbar zu machen hat (RIS‑Justiz RS0020459).

2.2 Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass § 1096 ABGB und § 1097 ABGB abdingbar und die Klagsansprüche wegen der Vereinbarung zu verneinen seien, hält sich im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung und bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

3. Eine solche Vereinbarung könnte wegen Verletzung besonderer gesetzlicher Bestimmungen (§ 879 ABGB) allenfalls als unwirksam angefochten werden (RIS‑Justiz RS0124826). Ob aber Sittenwidrigkeit vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls, die nicht aufzugreifen ist, wenn das Berufungsgericht bei dieser Entscheidung die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens nicht überschritten hat (RIS‑Justiz RS0042881 [T8]). Das Berufungsgericht hat im Anlassfall eine Sittenwidrigkeit der Vereinbarung verneint, weil der Klägerin im Hinblick auf den fünfzehnjährigen Kündigungsverzicht der Beklagten eine langjährige Nutzungsmöglichkeit des Bestandobjekts (und damit auch der von ihr getätigten Investitionen) zukommt. Diese Rechtsansicht hält sich im Rahmen der Rechtsprechung, die unter anderem darauf abstellt, ob dem Mieter die Möglichkeit geboten wird, die Aufwendungen zeitlich und umfänglich entsprechend zu nützen (10 Ob 52/14s, RIS‑Justiz RS0024045). Mit dieser Wertung des festgestellten Sachverhalts hat das Berufungsgericht weder die Grundsätze der wiedergegebenen Rechtslage verlassen, noch – in der Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Einzelfall – seinen Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit nach § 879 ABGB überschritten (vgl 8 ObA 27/10v), sodass auch darauf die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht gestützt werden kann.

4. Auch im Zusammenhang mit § 934 ABGB zeigt das Rechtsmittel keine Frage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf. Das Berufungsgericht hat die Verjährung des entsprechenden Einwands bejaht. Soweit die Klägerin damit argumentiert, dass die dreijährige Verjährungsfrist erst nach Ablauf der sechsmonatigen Frist des § 1097 ABGB zu laufen beginne, steht ihr die ständige Rechtsprechung entgegen, nach der die Verjährung bereits mit dem wirksamen Vertragsschluss zu laufen beginnt (RIS‑Justiz RS0018871, RS0019052 [T1], RS0018798; für den Bestandvertrag: 9 Ob 4/13y).

5. Die gerügte Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit wurden geprüft. Sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

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