European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00037.18S.0626.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten der Revision selbst zu tragen
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin mit Wohnsitz in Österreich bezieht seit 1. 12. 2003 eine unbefristete Berufsunfähigkeitspension von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt sowie eine polnische Pension von umgerechnet 10 EUR monatlich. Sie hat auch im Vereinigten Königreich von 6. 4. 1984 bis 30. 11. 2015 Versicherungszeiten erworben (1.028 Wochen).
Das (britische) Department for Work and Pensions erkannte der Klägerin mit Schreiben vom 26. 10. 2016 eine „Employment and Support Allowance“ (ESA) in Höhe von 60,11 Pfund pro Woche ab 2. 12. 2013 zu. Im Revisionsverfahren ist zu klären, ob diese britische Leistung bei der Festsetzung einer Ausgleichszulage als Einkommen zu berücksichtigen ist.
Mit Bescheid vom 29. 11. 2016 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Ausgleichszulage mit der Begründung ab, dass das maßgebliche monatliche Gesamteinkommen die Höhe des in Betracht kommenden Richtsatzes erreiche oder übersteige.
Die Klägerin begehrt in der dagegen erhobenen Klage den Zuspruch einer Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß. Die ESA sei eine finanzielle Unterstützung für Menschen, die nicht mehr arbeiten könnten und diene somit im Sinne einer Sozialhilfe der Bekämpfung der Armut. Diese Beihilfe sei daher nicht als Einkommen zu werten und bei Berechnung der Ausgleichszulage nicht zu berücksichtigen. Es bestehe auch kein Anspruch auf dieses Arbeitsunfähigkeitsgeld, wenn eine festgelegte Vermögensgrenze überschritten werde.
Die Beklagte wendete ein, die Klägerin beziehe im Vereinigten Königreich eine Leistung bei Invalidität, welche von der Dauer der Versicherungs‑ oder Wohnzeiten abhängig sei. Die ESA sei als Invaliditätspension anzusehen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte – zusammengefasst – Folgendes fest:
Bei der Zuerkennung der ESA hielt das Department for Work and Pensions (UK) fest, dass die Klägerin in die „Support‑Group“ eingestuft worden ist. Damit anerkennt der Staatssekretär, dass die Gesundheitsstörung oder Invalidität die Arbeitsfähigkeit einschränkt. Weiters wird anerkannt, dass die Gesundheitsstörung oder Invalidität bedeutet, dass die Betroffenen keine arbeitsbezogenen Aktivitäten ausüben sollten. Auf dieser Grundlage wurde eine Erhöhung der ESA zuerkannt, die Unterstützungskomponente („Support Component“). Im Gegensatz zu der Gruppe für arbeitsbezogene Aktivitäten, wo Gespräche mit einem Berater geführt werden, gibt es in der Unterstützungsgruppe keine Gespräche. Es gibt zwei Arten von ESA: Die beitragsabhängige, die jemand erhält, der genügend Sozialversicherungsbeiträge geleistet hat, sowie die einkommensabhängige, die selbständig oder zusätzlich zur beitragsabhängigen ESA ausgezahlt wird, wenn jemand ein niedriges Einkommen hat. Die Klägerin erhält eine beitragsabhängige und keine einkommensabhängige ESA. Der wöchentliche ESA‑Betrag wird auf Grundlage der Beiträge geleistet, welche die Klägerin im UK‑System geleistet hat.
Rechtlich qualifizierte das Erstgericht die von der Klägerin bezogene britischen ESA nicht als Leistung der Sozialhilfe iSd § 292 Abs 4 lit f ASVG. Die ESA stelle vielmehr eine aufgrund der Beitragszeiten im Vereinigten Königreich gewährte Abgeltung der Arbeitsunfähigkeit dar. Die ESA sei als – wenn auch nicht steuer‑ und versicherungspflichtiges – Einkommen und nicht als Behindertenbeihilfe anzusehen. Die ESA gelte seit 2008 im Vereinigten Königreich als Nachfolgemodell für die Incapacity Benefit. Sie falle in einen Rechtsbereich, der mit einer österreichischen vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit vergleichbar sei. Die von der Klägerin bezogene ESA mit Unterstützungskomponente falle daher nicht unter die in § 294 Abs 4 ASVG aufgezählten Beihilfen.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil und ließ die Revision zu. Die VO 883/2004 gelte gemäß ihrem Art 3 Abs 1 unter anderem für Leistungen bei Invalidität als Zweig der sozialen Sicherheit sowie nach ihrem Art 3 Abs 3 auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Art 70. Sie sei aber nach Art 3 Abs 5 weder auf die soziale und medizinische Fürsorge noch auf Leistungssysteme für Opfer des Krieges und seiner Folgen anwendbar. Unter Kapitel 4 „Leistungen bei Invalidität“, führe Art 44 Abs 1 an, dass im Sinn dieses Kapitels der Ausdruck „Rechtsvorschriften des Typs A“ alle Rechtsvorschriften bezeichne, nach denen die Höhe der Leistung bei Invalidität von der Dauer der Versicherungs‑ oder Wohnzeiten unabhängig sei und die durch den zuständigen Mitgliedstaat ausdrücklich im Anhang VI aufgenommen worden seien. Alle anderen Rechtsvorschriften seien „Rechtsvorschriften des Typs B“. Anhang VI habe unter „Vereinigtes Königreich“ ab 8. 1. 2013 Folgendes beinhaltet:
„Beschäftigungs‑ und Unterstützungsbeihilfe
a) Großbritannien
Teil 1 des Gesetzes zur Reform der Sozialen Sicherheit 2007.
Dieser Eintrag sei mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union am 22. 3. 2017 wie folgt geändert worden:
„Beschäftigungs‑ und Unterstützungsbeihilfe (ESA)
a) Vor dem 1. April 2016 wurden die ESA‑Leistungen für die ersten 91 Tage in Form von Krankengeld gewährt (Untersuchungsphase). Ab dem 92. Tag (Hauptphase) in Form einer Invaliditätsleistung.
b) Seit dem 1. April 2016 werden ESA‑Leistungen für die ersten 365 Tage in Form von Krankengeld gewährt (Untersuchungsphase). Ab dem 366. Tag (Unterstützungsgruppe) in Form einer Invaliditätsleistung.“
Art 70 der VO 883/2004 regle die „besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen“.
Anhang X („Besondere beitragsunabhängige Geldleistungen“) enthalte seit 2012 im Abschnitt „Vereinigtes Königreich“ die einkommensabhängige Beschäftigungs‑ und Unterstützungsbeihilfe (Employment and Support Allowance Income‑related – Welfare Reform Act 2007 und Welfare Reform Act [Northern Ireland] 2007). Der Vorschlag für die Änderungen der Verordnung im Anhang X enthalte dazu Folgendes: „Im Eintrag 'Vereinigtes Königreich' wird eine neue besondere beitragsunabhängige Leistung aufgenommen – die einkommensabhängige Beschäftigungs‑ und Unterstützungsbeihilfe („Employment and Support Allowance Income‑related, ESA [IR]). Vorrangiges Ziel der ESA (IR) ist es, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und sozialen Lage im Vereinten Königreich ein Mindesteinkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts zu garantieren. ESA (IR) wird in Fällen gezahlt, in denen aufgrund der Beitragszeiten oder finanziellen Situation der betreffenden Person keine oder keine angemessene beitragsabhängige Beschäftigungs‑ und Unterstützungsbeihilfe gezahlt werden kann.“
Die Klägerin beziehe eine beitragsabhängige ESA mit Unterstützungskomponente. Dies sei eine Leistung bei Invalidität, deren Höhe nicht von der Dauer der Beitragszeit unabhängig sei. Die beitragsabhängige ESA hänge davon ab, dass ausreichend Sozialversicherungsbeiträge geleistet worden seien und biete finanzielle Unterstützung bei Arbeitsunfähigkeit.
Es müsse geprüft werden, ob die von der Klägerin bezogene ESA als Einkommen bei der Berechnung der Ausgleichszulage zu berücksichtigen sei oder unter die Ausnahme des § 292 Abs 4 lit f ASVG falle (Bezüge aus Leistungen der Sozialhilfe und der freien Wohlfahrtspflege). Die Ausgleichszulage sei nach der Rechtsprechung des EuGH eine „Sozialhilfeleistung“. Der EuGH betone zum Begriff der Fürsorge bzw Sozialhilfe als Abgrenzungskriterium insbesondere das Erfordernis der Bedürftigkeitsprüfung. Zentrales Element einer Fürsorgeleistung sei die Subsidiarität der Leistung gegenüber privatrechtlichen Unterhaltsansprüchen oder vorrangigen Sozialleistungen. Neben dem wesentlichen Merkmal der Bedürftigkeit sei auch das Fehlen des Erfordernisses von Beschäftigungs‑, Mitgliedschafts‑ oder Beitragszeiten und die Notwendigkeit, andere Sozialleistungs‑ und Unterhaltsansprüche geltend zu machen, wesentliche Kriterien für eine Fürsorgeleistung. Die beitragsabhängige ESA der Klägerin stelle einen Einkommensersatz bei Invalidität dar. Ihre Höhe hänge von den Umständen des Einkommens, der Art der ESA und dem Einstufungsprozess ab, allerdings nicht von dem wesentlichen Abgrenzungskriterium für die Sozialhilfe, nämlich einer individuellen Bedürftigkeitsprüfung.
Selbst wenn das Einkommen Einfluss auf das einkommensabhängige oder beitragsabhängige Arbeitsunfähigkeitsgeld haben könne, nämlich wenn das Einkommen des Antragstellers mit jenem des Partners mehr als 6.000 Pfund betrage bzw der Antragsteller Ersparnisse von mehr als 16.000 Pfund habe (bei einkommensabhängigem Arbeitsunfähigkeitsgeld), lasse sich daraus nur eine Obergrenze für den Bezug der ESA ableiten, keinesfalls aber eine Bedürftigkeitsprüfung.
Die von der Klägerin bezogene ESA stelle damit eine beitragsabhängige Leistung aufgrund Invalidität dar und mangels Bedürftigkeitsprüfung und Subsidiarität keine Sozialhilfeleistung. Aus der Gewährung der ESA „mit Unterstützungskomponente“ lasse sich nur eine beträchtliche Beeinträchtigung ihrer Arbeitsfähigkeit ableiten, aber kein Bezug auf ihre individuelle Bedürftigkeit.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Rechtsfrage der Anrechnung und Qualifikation ausländischer Leistungen als Einkommen bzw Sozialhilfeleistung gemäß § 292 Abs 1 und § 292 Abs 4 lit f ASVG keine Rechtsprechung vorhanden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die – beantwortete – Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht angegebenen Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
1.1. Die Ausgleichszulage ist eine Leistung der gesetzlichen Pensionsversicherung. Sie hat Fürsorgecharakter (RIS‑Justiz RS0085127) und soll das Existenzminimum des Pensionsberechtigten sichern (RIS‑Justiz RS0084847).
1.2. Das Ausgleichszulagenrecht geht von einem umfassenden Einkommensbegriff aus (10 ObS 23/17f mwN). Das Nettoeinkommen ist jedes, tatsächlich zufließende Einkommen des Pensionsberechtigten, es sei denn, es liegt einer der in § 292 Abs 4 ASVG aufgezählten Fälle vor (RIS‑Justiz RS0085360 [T1]; RS0085296).
1.3. Im Revisionsverfahren ist ausschließlich strittig, ob die der Klägerin im Oktober 2016 in Großbritannien zuerkannte „Employment and Support Allowance“ (ESA) als Leistung der Sozialhilfe (§ 292 Abs 4 lit f ASVG) von der Anrechnung ausgenommen ist.
1.4. Die österreichische Judikatur versteht unter Leistungen der Sozialhilfe nur die nach den Sozialhilfegesetzen zu gewährenden Leistungen der öffentlich‑rechtlichen Sozialhilfeträger (RIS‑Justiz RS0085390). Leistungen der Sozialhilfe sind solche nach Sozialhilfe‑ oder Mindestsicherungsgesetzen ( Ziegelbauer in Sonntag ASVG 9 § 292 Rz 38).
1.5. Eine rein innerstaatliche Differenzierung nach Rechtsgrundlage und Leistungsträger greift bei einem internationalen Fall (hier: Vereinigtes Königreich‑Österreich) jedoch zu kurz. Es ist zu prüfen, wie die britische Leistung nach den europäischen sozial‑(versicherungs‑)rechtlichen Vorschriften einzustufen ist.
2.1. Die (EG) VO 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit erfasst als Leistung der sozialen Sicherheit auch Leistungen bei Krankheit (Art 3 Abs 1 lit a) und bei Invalidität (Art 3 Abs 1 lit c). Art 3 Abs 5 lit a VO 883/2004 nimmt „soziale Fürsorgeleistungen“ vom Anwendungsbereich der Verordnung zur Gänze aus.
2.2. Fürsorgeleistungen oder Leistungen der Sozialhilfe sind nach der Rechtsprechung des EuGH dadurch von Leistungen der sozialen Sicherheit abzugrenzen, dass sie von der Bedürftigkeit des Beziehers abhängen, keinerlei Berufstätigkeits‑, Mitgliedschafts‑ oder Beitragszeiten fordern und eine Beurteilung im Einzelfall nach Ermessen vorsehen (vgl EuGH Rs 1/72, Frilli , Rn 14/15; Rs 249/83 Hoeckx , Rz 13 [je zur VO 1408/71 ]; Felten in Spiegel , Zwischenstaatliche Sozialversicherungsrecht [59. Lfg 2017] VO 883/2004 Art 3 Rz 6 und Art 70 Rz 5; Fuchs in Fuchs , Europäisches Sozialrecht 7 Art 3 VO 883/2004 Rz 37; Dern in Schreiber/Wunder/Dern , VO 883/2004 Art 3 Rz 26).
2.3. Im Anwendungsbereich der VO 883/2004 gibt es noch die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen nach Art 70 VO 883/2004 , die sowohl Merkmale der sozialen Sicherheit als auch der Sozialhilfe aufweisen ( Felten in Spiegel , Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht [59. Lfg 2017] Art 70 VO 883/2004 Rz 1, 3 f; Otting in Hauck/Noftz , EU‑Sozialrecht [6. Erg‑Lfg] Art 70 VO 883/2004 Rz 1; Fuchs in Fuchs , Europäisches Sozialrecht 7 [2018] Art 70 VO 883/2004 Rz 4, 7). Derartige Leistungen unterfallen nach Art 70 Abs 3 und 4 VO 883/2004 nicht der – ansonsten nach Art 7 der VO geltenden – „Exportpflicht“ ( Felten in Spiegel , Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht Art 70 VO 883/2004 Rz 1; Otting in Hauck/Noftz , EU‑Sozialrecht Art 70 VO 883/2004 Rz 24; Fuchs in Fuchs , Europäisches Sozialrecht 7 Art 70 VO 883/2004 Rz 18 ).
2.4. Jene (nationalen) Leistungen, die Art 70 VO 883/2004 unterliegen, sind in Anhang X aufgeführt. Für Österreich ist dies die Ausgleichszulage, die der EuGH ausdrücklich sowohl als besondere beitragsunabhängige Leistung ( Felten in Spiegel , Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Art 70 Rz 6 mN in FN 24) als auch als Sozialhilfeleistung iSd Art 7 der Freizügigkeits‑RL 2004/38 ( Felten in Spiegel Art 70 Rz 6/1 mN in FN 28) bestätigt hat. Für das Vereinigte Königreich wurde die einkommensabhängige Beschäftigungs‑ und Unterstützungsbeihilfe (Employment and Support Allowance Income‑related, Welfare Reform Act [ESA‑IR] in den Katalog aufgenommen.
2.5. Der Welfare Reform Act 2007 des Vereinigten Königreichs (abrufbar unter http:\\www.legislation.gov.uk ) unterscheidet in Kapitel 5 Teil 1 Nr 1 Abs 7 bei der ESA grundsätzlich zwischen der „contributory allowance“ und der „income-related allowance“. Als primäre Voraussetzung für den Bezug einer „contributory allowance“ normiert der Welfare Reform Act 2007 in Schedule 1 Teil 1 Nr 1 Z 1 lit a, dass der Anspruchswerber in den letzten drei vollständigen Steuerjahren vor Beginn des relevanten Bezugsjahres tatsächlich Beiträge der Klasse 1 oder 2 gezahlt hat. Damit fehlt ein wesentliches Charakteristikum für die Einstufung als Fürsorgeleistung iSd Art 3 Abs 5 VO 883/2004 oder als Leistung der Sozialhilfe, nämlich die Unabhängigkeit der Leistung von Berufstätigkeits‑ oder Beitragszeiten.
2.6. In Anhang VI der VO 883/2004 wurde – im Sinn einer konstitutiven Voraussetzung ( Pöltl in Spiegel Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht Art 44 Rz 3) – als Rechtsvorschriften des Typs A, die Kapitel 4 (Leistungen bei Invalidität) unterliegen und nach denen die Höhe der Leistungen bei Invalidität von der Dauer der Versicherungs- oder Wohnzeiten unabhängig ist (Art 44 Abs 1 VO 883/2004 ), für das Vereinigte Königreich die Beschäftigungs- und Unterstützungsbeihilfe (ESA) aufgenommen. Wie sich aus dem Welfare and Reform Act 2007 iVm Anhang X der VO 883/2004 ergibt, wird damit die „contributory allowance“ erfasst. Nach britischem Recht ist grundsätzliche Voraussetzung für den Anspruch auf eine „contributory allowance“, dass für einen gewissen Mindestzeitraum Beiträge gezahlt wurden. Das heißt allerdings nicht, dass die Höhe dieser Leistung (nur) vom Ausmaß der Beiträge abhängt. Es sind – wie für Rechtsvorschriften des Typs A charakteristisch ( Pöltl in Spiegel Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht Art 44 Rz 3) – Pauschalbeträge vorgesehen, deren Höhe nach Alter (unter oder über 25 Jahren) und der jeweiligen Einstufung (work-related actitvity oder [hier relevant] Support group) variiert. Die Einordnung einer „contributory allowance“ als Rechtsvorschrift des Typs A iSd Art 44 VO 883/2004 ist vorrangig für die Sonderkoordinierung nach den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels von Bedeutung. Hier ist nicht die Koordinierung von britischen und österreichischen Invaliditäts‑(Berufsunfähigkeits‑)pensionen zu beurteilen. Es geht nur darum, ob auf die Art 70 VO 883/2004 unterliegende österreichische Ausgleichszulage die britische ESA anzurechnen ist. Die Einordnung der (contributory) ESA als Rechtsvorschrift des Typs A schließt aber ihre Qualifikation als Leistung der Sozialhilfe, wie sie durch die Rechtsprechung des EuGH definiert wird, aus.
2.7. Die Klägerin bezieht aus dem Vereinigten Königreich nach den Festellungen keine einkommensabhängige, sondern eine beitragsabhängige ESA. Diese Qualifikation bezweifelt sie in der Revision auch nicht, geht sie doch selbst von der Voraussetzung für die Auszahlung der ESA im Ausland davon aus, dass es sich um eine „contribution‑based“ ESA handelt. Ihrer Meinung nach soll jedoch diese, auf Beitragszeiten abstellende ESA als Sozialhilfe gewertet werden, weil zwar grundsätzlich eine individuelle, die Einkommenssituation berücksichtigende Bedürftigkeitsprüfung stattfinde, die jedoch bei Beziehern der ESA mit Wohnsitz außerhalb des Vereinigten Königreichs aus Kostengründen unterbleibe.
2.8 Diese Ausführungen sind Mutmaßungen und als Schlussfolgerung aus den zitierten Beilagen nicht gerechtfertigt. So hält die Mail eines Mitarbeiters des Departments for Work and Pensions (Beilage ./M) als Voraussetzung für die Auszahlung der ESA im Ausland im Wesentlichen nur fest, dass es sich um eine „contribution‑based ESA“ („which is dependant on UK National Insurance Contributions“) handeln muss. Die Überlegungen der Beklagten stützen ihren Standpunkt überdies nicht.
2.9. Nach Art 70 Abs 4 VO 883/2004 unterliegen die besonderen beitragsunabhängigen Leistungen den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaats. Art 3 Abs 3 VO 883/2004 ordnet ausdrücklich die Anwendung der VO auf diese Leistungen an, was grundsätzlich auch das Gebot der Gleichstellung von beispielsweisen Leistungen und Einkünften iSd Art 5 der VO erfasst ( Felten in Spiegel, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, VO 883/2004 Art 70 Rz 10). Dieses Gebot wird hier nicht verletzt, weil die von der Klägerin bezogene beitragsabhängige ESA keine Sozialhilfeleistung ist.
3. Ergebnis: Eine Contributory Employment and Support Allowance (beitragsabhängige ESA) des Vereinigten Königreichs ist keine den in § 292 Abs 4 lit f ASVG angeführten Leistungen vergleichbare Sozialhilfeleistung. Sie ist bei der Ermittlung des Einkommens für die Bemessung der österreichischen Ausgleichszulage zu berücksichtigen.
4. Ein Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG ergibt sich weder aus dem Vorbringen noch aus dem Akteninhalt. Die Klägerin hat daher die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
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