European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00093.18D.0620.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Artikel 18 („Ausschlüsse“) der dem Unfallversicherungsvertrag zwischen den Parteien zugrundeliegenden AUVB 2004 lautet auszugsweise:
„Ausgeschlossen von der Versicherung sind Unfälle,
[…]
8. die der Versicherte infolge einer Bewusstseinsstörung erleidet, oder infolge einer wesentlichen Beeinträchtigung seiner psychischen Leistungsfähigkeit durch Alkohol, Suchtgift oder Medikamente;
[...]“
Rechtliche Beurteilung
1.1. Der – einem verständigen Versicherungsnehmer ohne weiteres erkennbare – Sinn dieser Ausschlussklausel liegt darin, solche Unfälle vom Versicherungsschutz auszunehmen, die Folge einer beim Versicherten schon vor dem Unfall vorhandenen, gefahrerhöhenden Beeinträchtigung und sich daraus ergebenden Einschränkung seines sozialadäquaten Verhaltens sind (vgl 7 Ob 78/16w; RIS‑Justiz RS0122121). Die Bewusstseinsstörung oder Beeinträchtigung muss, um einen Ausschluss von der Versicherung zu begründen, den Unfall verursacht haben, zumindest aber mitursächlich gewesen sein (RIS-Justiz RS0082132 [T1]).
1.2. Der Grenzwert des Alkoholisierungsgrads, ab dem der Ausschlusstatbestand der wesentlichen Beeinträchtigung der psychischen Leistungsfähigkeit erfüllt ist, hängt davon ab, ob die vom alkoholisierten Versicherten ausgeübte Tätigkeit besondere Anforderungen an die Aufnahmefähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsfähigkeit stellt oder nicht (RIS-Justiz RS0081871). Die Grenzwerte der Alkoholisierung werden dementsprechend verschieden sein, je nach dem, ob der Versicherte etwa Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger ist (vgl RIS-Justiz RS0082043 [T2]). Wenn der Blutalkoholgehalt allein (vgl nochmals RIS-Justiz RS0082043) für die Annahme des Ausschlussgrundes noch nicht ausreicht, ist der Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung der psychischen Leistungsfähigkeit danach zu messen, ob der Versicherte noch in der Lage ist, mit der jeweiligen Situation, in der er sich zur Zeit des Unfalls befindet, einigermaßen zurechtzukommen (RIS-Justiz RS0081872); dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage (vgl RIS‑Justiz RS0050065).
1.3. Diese Rechtsfrage ist nach den festzustellenden, fallspezifischen Gegebenheiten zu beurteilen; der für die Annahme einer Bewusstseinsstörung bzw wesentlichen Beeinträchtigung infolge Alkoholeinwirkung anzunehmende Grenzwert hängt somit von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (vgl RIS-Justiz RS0042975). Damit ist die Beurteilung des Vorliegens einer wesentlichen Beeinträchtigung der psychischen oder physischen Leistungsfähigkeit durch Alkohol keine erhebliche Rechtsfrage, es sei denn, es läge eine krasse Fehlbeurteilung vor, die vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste (vgl 7 Ob 262/04m).
2. Eine solche korrekturbedürftige Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor:
Das Berufungsgericht ging zusammengefasst von den Feststellungen aus, dass der Kläger um etwa fünf Uhr morgens aus seinem Hotelzimmer im ersten Stock durch ein Fenster zum Urinieren und Rauchen auf ein schmales Flachdach stieg, er von diesem Dach abstürzte und sich dabei schwer verletzte. Er war eine Stunde zuvor von einem Heurigenbesuch zurückgekehrt und mittelstark alkoholisiert (1,88–1,92 ‰); seine Bewusstseinsbildung war dadurch wesentlich beeinträchtigt und er unterschätzte durch die Alkoholisierung die – sich dann auch verwirklichende – Gefahr, in alkoholisiertem Zustand auf ein schmales Flachdach zu steigen und von dort hinunterzufallen. Ob der Kläger nach dem Ausstieg am Rollschotter auf dem Dach ausrutschte oder die Größe des Daches falsch einschätzte und deshalb hinunterfiel, war nicht nicht mehr feststellbar.
Dass dies den – vom Versicherer zu beweisenden (vgl RIS‑Justiz RS0081884; RS0082083; RS0081447) – Ausschlussgrund nach Art 18.8 AUVB 2004 verwirklicht, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung.
2.1. Soweit der Revisionswerber seinen Überlegungen zugrundelegt, es sei nicht feststellbar gewesen, dass er auch in nüchternem Zustand auf das Dach geklettert und vom Dach gefallen wäre, geht er nicht von dem Sachverhalt aus, den das Berufungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrundelegte. Der Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO liegt aber nur dann vor, wenn in ihm, ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, aufgezeigt wird, dass dem Berufungsgericht bei Beurteilung dieses Sachverhaltes ein Rechtsirrtum unterlaufen ist (RIS-Justiz RS0043312 [insb T4, T12, T14]; vgl RS0043603 [insb T2, T3, T8]; RS0043480 [T21]; RS0069246 [T6]).
2.2. Auf die Umstände, die das Berufungsgericht bewogen, die eben erwähnte Feststellung ausdrücklich nicht zu übernehmen, geht die Revision zudem nicht ein. Abgesehen davon ist dieser Feststellung gerade nicht zu entnehmen, dass der Alkoholeinfluss für den Sturz nicht kausal war.
3. Wie der Revisionswerber selbst erkennt, ist der Oberste Gerichtshof nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz, sodass Fragen der Beweiswürdigung und bereits im Berufungsverfahren erfolglos geltend gemachte Verfahrensmängel erster Instanz an ihn nicht herangetragen werden können (zB RIS-Justiz RS0002399; RS0043414 [T11]; RS0042903 [T2, T7, T8, T10]; RS0069246 [T1, T2]; RS0042963). Warum die Schlussfolgerungen und Feststellungen der Vorinstanzen in Ansehung des Alkoholisierungsgrades des Klägers geradezu mit den logischen und Denkgesetzen oder der Erfahrung unvereinbar sein sollten (vgl RIS-Justiz RS0043521 [T2]; RS0022810 [T2];
RS0022483 [T5]; RS0043371 [T6]), zeigt die Revision nicht nachvollziehbar auf.
4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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