OGH 8ObA13/18x

OGH8ObA13/18x29.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer und Wolfgang Cadilek in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. C***** S*****, und 2. N***** T*****, beide vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit‑Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei Ö***** R*****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen jeweils Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 24. Jänner 2018, GZ 9 Ra 49/17t‑21, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBA00013.18X.0529.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Rechtsrüge ist nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, wenn nicht dargelegt wird, aus welchen Gründen

ausgehend vom von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht

unrichtig erscheint (RIS‑Justiz RS0043603). Weichen die Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen ab, können sie insoweit einer weiteren Behandlung nicht zugeführt werden (RIS‑Justiz RS0043312 [T12]).

Dies ist hier zunächst insoweit der Fall, als nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts die p***** GmbH gegenüber den Arbeitnehmern – darunter die Kläger – sämtliche Pflichten als Arbeitgeber zu tragen hatte, insbesondere die Anmeldung zur Sozialversicherung, die Bezahlung mindestens der durch die Kollektivverträge geregelten Löhne sowie die Entrichtung aller Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge, und im Verfahren weder behauptet noch festgestellt wurde, dass die beklagte Partei sich dazu verpflichtet hätte, der p***** GmbH deren wirtschaftliches Wagnis als Arbeitskräfteüberlasser abzunehmen. Eine „Würdigung des Prozessverhaltens“ der beklagten Partei in der außerordentlichen Revision vermag an diesen Feststellungen nichts zu ändern. Weil die p***** GmbH die Pflichten des Arbeitgebers trug und den Feststellungen auch keine Vereinbarung zwischen den Klägern und der p***** GmbH zu entnehmen ist, dass die Entlohnung nur nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden erfolge, geht die Berufung der Kläger bezogen auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur verbotenen Arbeitsvermittlung nach § 2 Abs 4 AMFG (insb 14 Ob 224/86; 8 Ob 16/10a; RIS‑Justiz RS0029440) ins Leere. Aus dem gleichen Grund kommt auch der in der Literatur erörterten Frage, ob bei einer – nach den Feststellungen nicht gegebenen – „Scheinbeschäftigung“ von überlassenen Arbeitnehmern bei einem Arbeitskräfteüberlasser ein Arbeitsverhältnis zwischen diesen und dem Beschäftiger anzunehmen ist (s Sacherer in Sacherer/Schwarz, Arbeitskräfteüberlassungsgesetz2 309 f; Geppert, Das Phänomen Arbeitskräfteüberlassung – Entstehung, Entwicklung und Probleme, DRdA 2011, 507 [511 f]; Schindler in ZellKomm2 § 3 AÜG Rz 5; Tomandl, Arbeitskräfteüberlassung3 33 f), keine Entscheidungsrelevanz zu.

2. Die Vorinstanzen verneinten einen (Teil-)Betriebsübergang von der p***** GmbH auf die beklagte Partei, weil festgestelltermaßen kein Verwaltungspersonal von der Beklagten übernommen wurde. Die Kläger ziehen die Richtigkeit dieser Rechtsansicht nur insofern in Zweifel, als die Vorinstanzen verkannt hätten, dass das Verwaltungspersonal nur „zur Verschleierung der tatsächlich bestehenden Dienstverhältnisse zur Beklagten“ gedient habe. Weil solches gerade nicht feststeht, vielmehr nach den Feststellungen davon auszugehen ist, dass die p***** GmbH das wirtschaftliche Risiko der Arbeitskräfteüberlassung trug, geht auch hier die Revision nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Im Übrigen hängt die Frage, ob ein Betriebsübergang im Sinne des § 3 AVRAG vorliegt, stets von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und begründet demzufolge regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz

RS0124074).

3. Bei Fehlen einer – hier nicht vorliegenden – besonderen Vereinbarung besteht nach Judikatur (9 ObA 206/92 = DRdA 1993/37 [Ritzberger-Moser]; 9 ObA 2/08x; RIS‑Justiz RS0050620 [T2, T4]) und Literatur (zB Schindler in ZellKomm2 § 3 AÜG Rz 2; Tomandl, Arbeitskräfteüberlassung3 27) allein zwischen dem Arbeitnehmer und dem Überlasser ein Arbeitsverhältnis. Ist eine Arbeitskräfteüberlassung dahin ausgerichtet, dass der Arbeitnehmer dem Beschäftigerbetrieb nicht bloß – wie für Arbeitskräfteüberlassungen typisch – vorübergehend, sondern für außergewöhnlich lange Zeit überlassen wird, so kann es sich im Einzelfall nach der Entscheidung 9 ObA 113/03p (= DRdA 2004, 553 [Balla]) als sachgerecht erweisen, die Rechtsstellung des Arbeitnehmers jener des Dienstnehmers des Beschäftigers anzunähern (vgl auch RIS‑Justiz RS0118431). Parteien des Arbeitsvertrags bleiben aber auch nach dieser Rechtsprechung allein der Arbeitnehmer und der Überlasser (vgl Marhold, Atypische Arbeitskräfteüberlassung?, ASoK 2008, 162 [165]), weshalb aus ihr für das Begehren der Kläger auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen und der beklagten Partei als Beschäftiger nichts zu gewinnen ist.

4. Ebensowenig vermögen sich die Kläger mit Erfolg auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C‑242/09, Albron Catering BV gegen FNV Bondgenoten und John Roest, zu berufen, wonach bei dauerhafter Überlassung im Konzern auch der Beschäftiger „Veräußerer“ im Sinne von Art 2 Abs 1 Buchst a der Richtlinie (RL) 2001/23/EG sein kann, obwohl zwischen ihm und den überlassenen Arbeitskräften keine arbeitsvertragliche Beziehung besteht. Im vorliegenden Fall liegt schon kein Konzernverhältnis vor (vgl jüngst auch 9 ObA 19/18m). Wenn die Kläger diesen Umstand dadurch zu überbrücken versuchen, dass hier ein „Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten“ vorliege, gehen sie erneut nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, dem gerade nicht zu entnehmen ist, dass in Wahrheit die beklagte Partei das wirtschaftliche Wagnis tragen und an ihrer Stelle p***** GmbH nur zum Schein als Arbeitgeber fungieren sollte.

5. Die Kläger stützten ihr Begehren auf Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses zur Beklagten darauf, dass sie in einem (unbefristeten) Dienstverhältnis GmbH gestanden seien und dieses qua Betriebsübergang auf die beklagte Partei übergegangen sei. Die Vorinstanzen haben jedenfalls vertretbar einen (Teil-)Betriebsübergang von der p***** GmbH auf die beklagte Partei verneint. Die Kläger stützten sich in erster Instanz nicht darauf, dass durch die unzulässige Aneinanderreihung befristeter, mit der beklagten Partei selbst abgeschlossener Dienstverhältnisse mit dieser ein unbefristetes Dienstverhältnis vorgelegen habe. Damit kommt der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Thematik der Zulässigkeit von Kettenarbeitsverträgen nach § 32 Abs 5 Z 1 ORF‑G für den vorliegenden Fall keine Entscheidungsrelevanz zu und es kann folglich in der unterbliebenen Erörterung dieser Bestimmung kein relevanter Verfahrensmangel liegen.

Insgesamt vermag die Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

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