OGH 8Ob59/18m

OGH8Ob59/18m29.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Hargassner, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* T*, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M* Ö*, vertreten durch BLS Rechtsanwälte Boller Langhammer Schubert GmbH in Wien, wegen 49.412,10 EUR sA (Revisionsinteresse 46.012,45 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Februar 2018, GZ 13 R 163/17m‑36, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121965

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

Der Kläger stellte – vertreten durch dieBeklagte – vor der Schlichtungsstelle einen Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter (§ 37 Abs 1 Z 1 MRG) und dazu explizit „in eventu“ einen Antrag auf Mietzinsüberprüfung (§ 37 Abs 1 Z 8 MRG). Unter Hinweis auf den Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter und den Umstand, dass innerhalb einer Frist von drei Monaten weder eine Entscheidung gefällt noch ein Vergleich abgeschlossen worden waren, beantragten hierauf die Schlichtungsgegner die Entscheidung des Gerichts; der auf Mietzinsüberprüfung gerichtete Eventualantrag blieb in diesem – nach § 40 Abs 2 MRG gestellten – Antrag unerwähnt.

Rechtliche Beurteilung

Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass nach § 40 Abs 2 MRG nicht nur das Verfahren über den Haupt-, sondern auch jenes über den Eventualantrag bei Gericht anhängig wurde, ist nicht korrekturbedürftig:

1. Es ist in Literatur (Klicka in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht – MRG3 [2013] § 40 Rz 9; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 [2015] § 40 MRG Rz 1) und Judikatur (5 Ob 190/98x; 5 Ob 185/99p = immolex 2000, 228 [zust Iby]; 5 Ob 88/14y = wobl 2015, 15 [zust Etzersdorfer]; RIS‑Justiz RS0111174) anerkannt, dass die Abziehung von der Schlichtungsstelle an das Gericht im Zweifel das gesamte bei der Schlichtungsstelle anhängige Verfahren betrifft und nur ausnahmsweise, nämlich (1.1.) bei ausdrücklicher Abziehung allein eines Teils des Antrags oder (1.2.) bei ihrem Wesen nach voneinander unabhängigen Anträgen, eine Teilabziehung in Betracht kommt.

1.1. Im Antrag nach § 40 Abs 2 MRG wurde allein der Hauptantrag, nicht aber der Eventualantrag erwähnt. Es kann damit nicht gesagt werden, dass im Sinne der Rechtsprechung „ausdrücklich nur ein Teil des Antrags“ abgezogen wurde. Hierzu wäre ein ausdrücklicher Parteiwille auf Teilung erforderlich gewesen (5 Ob 240/02h), mit anderen Worten in unmissverständlicher Weise klarzumachen gewesen, dass der eventualiter gestellte Sachantrag auf Mietzinsüberprüfung nicht zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung werden sollte (vgl 5 Ob 88/14y = wobl 2015, 15 [Etzersdorfer]). Eine solche Ausklammerung des Eventualantrags auf Mietzinsüberprüfung enthielt der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 40 Abs 2 MRG nicht.

1.2. Es lagen auch keine „ihrem Wesen nach voneinander unabhängigen Anträge“ vor. Ein Eventualantrag ist – sowohl nach zivilprozessualem (Fasching,Lehrbuch2 [1990] Rz 759; Rechberger/Klicka in Rechberger, ZPO4 [2014] § 226 Rz 6 mwN) als auchnach verwaltungsverfahrensrechtlichem Verständnis (Hengstschläger/Leeb, AVG2 [2014] § 13 Rz 4 und AVG3 § 73 Rz 18 mwN) – gerade dadurch gekennzeichnet, dass über ihn nur dann entschieden werden soll, wenn der Hauptantrag nicht durchdringt. Die Entscheidung 5 Ob 137/04i, wonach sich die Ansicht des damaligen Rekursgerichts, die Sachanträge nach § 37 Abs 1 Z 1 und Z 8 MRG seien ihrem Wesen nach voneinander unabhängig und deshalb eine Teilabziehung möglich, im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs halte, spricht nicht gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, zumal im Unterschied zu jenem Fall im hier zu entscheidenden die beiden Anträge nicht nebeneinander gestellt wurden, sondern der zweitere zum ersteren bloß hilfsweise (eventualiter).

2. Im Übrigen bildet die einzelfallbezogene Auslegung von Prozesserklärungen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0042828 [T16]). Dies gilt folglich auch für die Frage der Reichweite einer Anrufung des Gerichts nach § 40 MRG. Die Auslegung einer Prozesserklärung kann im Einzelfall nur dann an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden, wenn ihr Ergebnis fundamentalen Regeln der Interpretation widerspricht, wie das etwa bei der Verletzung von Gesetzen der Sprache oder Logik der Fall wäre (RIS‑Justiz RS0044273 [T56]). Eine solche Korrekturbedürftigkeit liegt hier nicht vor.

3. Nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision unter anderem dann zulässig, wenn Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt. Ein Mangel an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs – hier zur Frage, ob bei Abziehung bloß des Hauptantrags zu Gericht nach § 40 MRG ein Eventualantrag zulässigerweise bei der Schlichtungsstelle verbleiben könnte – macht die außerordentliche Revision daher nicht zulässig. Dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Bestimmungen des Verwaltungsrechts fehlt, begründet für sich allein ebensowenig eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn von § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0123321). Bei der Auslegung von nicht in die Kompetenz der ordentlichen Gerichte fallenden Rechtsmaterien – wozu das Verwaltungsverfahrensrecht und damit der in der außerordentlichen Revision angesprochene § 13 Abs 8 AVG zählt – kommt dem Obersten Gerichtshof keine Leitfunktion zu (RIS‑Justiz RS0116438).

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