OGH 1Ob35/18f

OGH1Ob35/18f30.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

 Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ.‑Prof. Dr. H***** S*****, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A***** GmbH & Co KG und 2. A***** GmbH & Co KG, beide *****, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen 26.797,68 EUR sA, in eventu Feststellung (erstbeklagte Partei), und 25.887,64 EUR sA, in eventu Feststellung (zweitbeklagte Partei), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Oktober 2017, GZ 2 R 53/17d‑26, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. Jänner 2017, GZ 20 Cg 69/15y‑22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00035.18F.0430.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, mit dem die beiden Hauptbegehren (26.797,68 EUR sA [erstbeklagte Partei] und 25.887,64 EUR sA [zweitbeklagte Partei]) sowie die Eventual‑(feststellungs‑)begehren abgewiesen wurden. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands der Eventualbegehren jeweils 30.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Auch wenn die Hauptbegehren jeweils die Wertgrenze des § 502 Abs 3 ZPO nicht überschreiten, konnte der Kläger das Rechtsmittel der außerordentlichen Revision ergreifen, weil es bei Abweisung auch des Eventualbegehrens genügt, dass (nur jeweils) dieses die Wertgrenze übersteigt (RIS‑Justiz RS0039370; RS0042305 [T2, T6]).

2. Der Kläger machte Prospektmängel geltend. Solche müssen für den eingetretenen Schaden kausal sein, dh die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospektangaben müssen Grundlage der Disposition des Anlegers gewesen sein, haftet der Emittent doch dem Anleger für den Schaden, der diesem „im Vertrauen auf die Angaben“ eines Kapitalmarktprospekts entstanden ist (§ 11 KMG; 7 Ob 77/10i = SZ 2011/40 = GesRZ 2011, 251 [ Diregger ] = ÖBA 2011, 450 [ Karollus ] = ZFR 2011/130, 238 [ Gruber ] = exolex 2011/228, 609 [ Wilhelm ] = JAP 2011/2012/21, 181 [ Jaindl ] = RIS‑Justiz RS0126931). Die Ursächlichkeit ist dann gegeben, wenn sich der Anleger im Vertrauen auf den ihm bekannten Prospekt zum Kauf entschlossen hat, wenn er also die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospektangaben tatsächlich zur Grundlage seiner schadensauslösenden Disposition gemacht hat (RIS‑Justiz RS0108626). Diesen Kausalzusammenhang hat nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen der Geschädigte zu beweisen (7 Ob 235/12b = RIS‑Justiz RS0108626 [T4]). Weder ist der Anscheinsbeweis für Fragen des Kausalitätszusammenhangs zwischen mangelhaften Prospektangaben und dem Anlageentschluss des Anlegers zulässig (RIS‑Justiz RS0108627) noch bestehen für geschädigte Anleger Beweiserleichterungen wie im Arzthaftungsrecht (7 Ob 62/14i = RIS‑Justiz RS0022862 [T9]).

3. Die Prüfung der Kausalität ist aber dem Tatsachenbereich zuzuordnen (6 Ob 177/15w = JBl 2017, 662 [ Geroldinger ]) und unterliegt damit nicht der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof, der ausschließlich Rechtsinstanz ist (RIS‑Justiz RS0123663). Ausgehend von den auch den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen, wonach ua nicht festgestellt werden konnte, „ob und bejahendenfalls wie weit sich der Kläger die Prospekte vor Zeichnung der Beteiligungen durchlas“ und „ob bei dem Gespräch [mit dem Vermögensberater] steuerrechtliche Aspekte ein Thema waren bzw ob ganz konkret von einer steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft des Klägers als Treugeber die Rede war“, ist eine Korrekturbedürftigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu erkennen.

4. Die jeweils auf Basis des konkreten Vorbringens zu lösende Frage, ob eine im Berufungsverfahren unzulässig Neuerung (etwa zur „Anlagestimmung“, zur Beratung des Vermögensberaters oder zur Informationsweitergabe durch die Bank) vorliegt, geht in ihrer Bedeutung über den Einzelfall nicht hinaus (RIS‑Justiz RS0042828 [T35]; RS0044273 [T61]).

5. Es besteht auch keine Veranlassung ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten. Der Kläger referiert – allerdings ohne auf die jeweilige Gesetzeslage einzugehen (s nur § 21 Abs 1 dWertpapierprospektgesetz und § 11 KMG) – „differierende“ Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs und legt gar nicht dar, welche europarechtliche Bestimmung einer Auslegung durch den EuGH bedürfte.

6. Die außerordentliche Revision ist demnach zurückzuweisen, ohne dass es einer weitergehenden Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

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