OGH 9ObA35/18i

OGH9ObA35/18i25.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Stefula sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber und Nicolai Wohlmuth in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. K* B*, vertreten durch Mag. Peterpaul Suntinger, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei D* GmbH, *, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Februar 2018, GZ 7 Ra 51/17z‑26, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121529

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Für die Frage, ob ein Mitarbeiter als leitender Angestellter iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG anzusehen ist, dem maßgebender Einfluss auf die Führung des Betriebs zusteht, ist vor allem die Entscheidungsbefugnis im personellen Bereich maßgeblich, weil sie den Interessengegensatz zu den übrigen Belegschaftsmitgliedern bewirkt, der der Ausnahmebestimmung des § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG zugrunde liegt (RIS‑Justiz RS0053034; s auch RIS‑Justiz RS0050979). Entscheidend ist, ob der Mitarbeiter rechtlich und nicht nur faktisch befugt war, eine selbständige Personalkompetenz eigenständig auszuüben (RIS‑Justiz RS0050979 [T5]). Ob die vorhandenen Kriterien ausreichen, um von einem leitenden Angestellten im Sinn des ArbVG sprechen zu können, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0050979 [T7]). Die Frage begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO, sofern nicht eine grobe Fehlbeurteilung vorliegt. Eine solche zeigt die außerordentliche Revision der Klägerin nicht auf.

1.2. Im vorliegenden Fall war die Klägerin ärztliche Leiterin der zwei von der Beklagten betriebenen *ambulatorien. Sie führte dabei den Titel Primaria. In den Ambulatorien arbeiteten unter der Klägerin als ärztlicher Leiterin ca 14 Krankenschwestern, eine Sekretärin, eine Laborantin, eine angestellte Ärztin sowie – auf Werkvertragsbasis – weitere vier Ärzte. Der Tätigkeitsbereich der Klägerin umfasste nach ihrem Dienstvertrag ausdrücklich auch „die Einstellung von Ärzten und des übrigen medizinischen Personals“. Während ihrer ärztlichen Leitung kam es zwar zu keinen Änderungen im ärztlichen Personalstand, sehr wohl aber beim Pflegepersonal. Sowohl bei der Begründung als auch bei der Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Pflegekräften lag die letzte Entscheidung bei der Klägerin. Wenn im Lichte dessen die Vorinstanzen die Klägerin als leitende Angestellte iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG qualifizierten, ist dies nicht korrekturbedürftig. In 9 ObA 146/93 (= DRdA 1994, 332 [Eypeltauer]) sah der Oberste Gerichtshof einen Primar allein deshalb nicht als leitenden Angestellten an, weil ihm nur geringe Befugnisse in Personalangelegenheiten – nämlich bloß ein Vorschlagrecht – zustanden. Der hier auf Sozialwidrigkeit der Kündigung klagenden Primaria kam demgegenüber in Personalangelegenheiten Entscheidungskompetenz zu.

2. Nach § 21 Satz 1 Kärntner Krankenanstaltenordnung 1999 (K‑KAO) sind Bewilligungen und Genehmigungen sowie deren Zurücknahme, ferner die Bestellung oder Abberufung leitender Ärzte, die aufgrund der einschlägigen Bestimmungen dieses Gesetzes erteilt bzw verfügt werden, unverzüglich dem Landeshauptmann bekanntzugeben. § 21 K‑KAO folgt damit der Bestimmung des § 42 des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten (KAKuG). Zweck der Bekanntgabe ist nach den bundesgesetzlichen Gesetzesmaterialien (AB 164 BlgNR 8. GP  14 f) und der Literatur (Graziani‑Weiss, Oberösterreichisches Krankenanstaltengesetz [2013], in Radner/Haslinger/Radner, Krankenanstaltenrecht 286–78 [= Kommentar zu § 95]; Stöger in Neumayr/Resch/Wallner, Gmundner Kommentar zum Gesundheitsrecht [2016] § 42 Rz 1), dass der Landeshauptmann die Aufgaben als Organ der sanitären Aufsicht wahrnehmen kann. Sowohl die landesgesetzliche als auch die bundesgesetzliche Bestimmung sieht allein eine Bekanntgabepflicht vor, ohne die Wirksamkeit der bekanntzugebenden Rechtshandlung von der Bekanntgabe abhängig zu machen. Für die von der Rechtsmittelwerberin vertretene Rechtsansicht, die nicht unverzügliche Bekanntgabe ihrer Kündigung an den Landeshauptmann ziehe deren Unwirksamkeit nach sich, gibt es keinen Anhaltspunkt, weshalb das Fehlen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur bundesgesetzlichen oder landesgesetzlichen Vorschrift die Revision nicht zulässig macht (vgl RIS‑Justiz RS0042656 [T63]). Zumal aus § 21 K‑KAO nicht die Unwirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin abgeleitet werden kann, ist dem Berufungsgericht auch nicht darin entgegenzutreten, dass es die Anwendbarkeit der K‑KAO auf den Fall offen ließ.

3. Die Berücksichtigung des Inhalts einer in den Feststellungen der Vorinstanzen – wenn auch ohne wörtliche Wiedergabe – enthaltenen Urkunde, deren Echtheit überdies zugestanden wurde, im Rahmen der rechtlichen Beurteilung erfordert nicht die amtswegige Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung (RIS‑Justiz RS0121557). Zumal die Echtheit der Urkunden zum Dienstvertrag und zur Hausordnung nicht bestritten wurde, durfte das Berufungsgericht ohne mündliche Berufungsverhandlungen zu deren Inhalt ergänzende Feststellungen treffen.

4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

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