OGH 10ObS22/18k

OGH10ObS22/18k14.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Dr. F*****, vertreten durch Dr. Burghard Seyr, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 5. Dezember 2017, GZ 25 Rs 85/17m‑9, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00022.18K.0314.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die klagende und gefährdete Partei (in weiterer Folge: Kläger) beantragte bei der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei (in weiterer Folge: Beklagte) am 24. 7. 2017 die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension. Der Kläger ist am 30. 9. 1960 geboren.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. 8. 2017 lehnte die Beklagte die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension mangels Erfüllung der Wartezeit ab.

Mit seiner gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Klage begehrt der Kläger die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension sowie von Übergangs‑ bzw Rehabilitationsgeld.

Verbunden mit der Klage begehrte der Kläger mit einstweiliger Verfügung, ihm als vorläufige Maßnahme

1. unverzüglich Versicherungsschutz in der Krankenkasse zu gewähren und

2. unverzüglich einen monatlich auszuzahlenden, vom Gericht festzusetzenden Geldbetrag zuzuerkennen.

Für den Kläger gelte gemäß § 669 Abs 5 ASVG ua § 253e ASVG in der Fassung vom 31. 12. 2013. Danach genüge für den Anspruch auf berufliche Rehabilitation der Erwerb von 36 Pflichtversicherungsmonaten einer Erwerbstätigkeit; der Kläger habe 44 Beitragsmonate erworben. Die Beklagte hätte zuerst über die Rehabilitation entscheiden müssen und erst dann über den Pensionsantrag entscheiden dürfen. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten darauf hingewiesen, dass er über keine Krankenversicherung verfüge und dringend eine Behandlung der Zähne benötige.

Das Erstgericht wies den Antrag des Klägers auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, ihm unverzüglich Versicherungsschutz in der Krankenversicherung zu gewähren, wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück.

Das Rekursgericht gab dem vom Kläger gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs nicht Folge. Der Antrag des Klägers auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension sei nach § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG in der hier anzuwendenden Fassung (§ 688 Abs 1 Z 2 ASVG) des SVAG 2014, BGBl I 2015/2, vorrangig als Antrag auf Leistung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation und von Rehabilitationsgeld sowie auf Feststellung, ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar seien, einschließlich der Feststellung des Berufsfelds, zu werten. Selbst wenn man den Antrag des Klägers zu dessen Gunsten in einen Antrag auf Gewährung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation (Sanierung der Zähne) umdeuten wolle, fehle es jedoch an der Prozessvoraussetzung der Rechtswegzulässigkeit, weil der Pensionsversicherungsträger nach der auf den Kläger anwendbaren Rechtslage vor dem SRÄG 2012, BGBl I 2013/3, (§ 669 Abs 5 ASVG) Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation nur nach pflichtgemäßem Ermessen zu gewähren habe. Die Gewährung medizinischer Maßnahmen der Rehabilitation in der Pensionsversicherung gemäß §§ 301 ff ASVG sei von der Bescheidpflicht ausdrücklich ausgenommen gewesen, zumal § 222 Abs 3 ASVG in § 367 Abs 1 Satz 2 ASVG nicht erwähnt gewesen sei.

Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei.

In seinem gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der in § 528 Abs 1 ZPO (iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO) geforderten Qualität auf.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Der Revisionsrekurswerber führt aus, dass auch der abweisende Bescheid der Beklagten eine – abschlägige – Entscheidung über die vom Kläger bereits im Verfahren vor der Beklagten beantragte Zahnbehandlung als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation sei, sodass der Rechtsweg zur Durchsetzung, mag die Beklagte im Spruch des angefochtenen Bescheids Maßnahmen der Rehabilitation auch nicht erwähnt haben, zulässig sei. Über Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation sei dann mit Bescheid abzusprechen, wenn diese im Rahmen eines Pensionsantrags begehrt werden. Für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf eine Zahnbehandlung als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation genüge die in § 253e ASVG in der Fassung vom 31. 12. 2013 genannte Ausübung einer Erwerbstätigkeit von 36 Pflichtversicherungsmonaten aufgrund einer Erwerbstätigkeit.

1.2 Der Kläger hat jedoch selbst zutreffend darauf hingewiesen, dass für ihn § 669 Abs 5 ASVG zur Anwendung gelangt. Daher sind insbesondere auch die Bestimmungen der §§ 222 Abs 1 und 367 Abs 1 ASVG in der am 31. 12. 2013 geltenden Fassung (in beiden Fällen: BBG 2011, BGBl I 2010/111) weiterhin anzuwenden. Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation waren aber nach dieser Rechtslage, worauf das Rekursgericht hingewiesen hat, weder in dem für den Kläger maßgeblichen Leistungskatalog des § 222 Abs 1 ASVG enthalten, noch bestand – auch im Rahmen eines Antrags auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension (§ 222 Abs 1 Z 2 lit c ASVG idF BBG 2011) – gemäß § 367 Abs 1 ASVG eine Pflicht der Beklagten zur Erlassung eines Bescheids über einen Antrag auf medizinische Maßnahmen aus der Pensionsversicherung. Schon daher zeigt der Revisionsrekurswerber keine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Rekursgerichts auf, dass mit dem angefochtenen Bescheid nicht (auch nicht implizit) über Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation (mit‑)entschieden wurde.

2.1 Nach dem in Sozialrechtssachen geltenden Grundsatz der sukzessiven Kompetenz kann in einer Leistungssache – abgesehen vom Fall des § 65 Abs 1 Z 3 ASGG und vorbehaltlich des § 68 ASGG – das Gericht nur angerufen werden, wenn vom Versicherungsträger entweder „darüber“, das heißt über den der betreffenden Leistungssache zugrundeliegenden Anspruch des Versicherten, bereits ein Bescheid erlassen wurde oder der Versicherungsträger mit der Bescheiderlassung säumig geworden ist (§ 67 Abs 1 ASGG; RIS‑Justiz RS0085867). Insofern ist der mögliche Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens durch Antrag, Bescheid und Klagebegehren in dreifacher Weise eingegrenzt (Neumayr in ZellKomm² § 67 ASGG Rz 4 mwH; RIS‑Justiz RS0124349).

2.2 Über den vom Kläger im Rechtsmittelverfahren noch behaupteten Anspruch auf Zahnbehandlung als medizinische Maßnahme der Rehabilitation hat die Beklagte weder einen Bescheid erlassen noch war sie verpflichtet, einen Bescheid zu erlassen, sodass auch kein Säumnisfall vorliegt.

2.3 Gehört der Hauptanspruch nicht vor die Gerichte, steht auch dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen (RIS‑Justiz RS0004913 [T4], jüngst 10 ObS 99/17g). Diese vom Rekursgericht beachtete Rechtsprechung stellt der Revisionsrekurswerber nicht in Frage.

3. Dass es sich bei dem vom Kläger im Provisorialverfahren losgelöst von einem konkreten Versicherungsfall der Krankheit eigentlich geltend gemachten Anspruch auf Gewährung des Versicherungsschutzes in der Krankenkasse nicht um eine Leistungs‑, sondern um eine Verwaltungssache im Sinn des § 355 ASVG handelt, für die der Rechtsweg nicht offen steht (§ 355 ASVG iVm § 414 ASVG), hat der Oberste Gerichtshof bereits in der ebenfalls den Kläger betreffenden Vorentscheidung 10 ObS 99/17g ausgesprochen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte