OGH 1Ob237/17k

OGH1Ob237/17k30.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. D***** B*****, 2. mj L***** B*****, und 3. mj L***** B*****, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. U***** AG, *****, und 2. Republik Österreich (Bund), beide vertreten durch Dr. Elisabeth Messner, Rechtsanwältin in Wien, wegen 29.652,70 EUR sA und Feststellung, über die „außerordentliche“ Revision der Zweitklägerin und des Drittklägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 8. November 2017, GZ 14 R 113/17s‑149, mit dem das Endurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Mai 2017, GZ 30 Cg 37/11y‑141, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00237.17K.0130.000

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

 

Begründung:

Mit Endurteil wies das Erstgericht das (bisher unerledigte) Begehren, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, der Zweitklägerin und dem Drittkläger je 18.000 EUR samt Zinsen zu zahlen, ab. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene „außerordentliche Revision“ legte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof direkt vor. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs kommt (derzeit) aber nicht in Betracht.

1. Eine Revision ist nach § 502 Abs 3 ZPO– außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand in zweiter Instanz an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat.

2. Gemäß § 55 Abs 1 Z 2 und Abs 5 JN sind bei Beurteilung der Revisionszulässigkeit Ansprüche, die von mehreren Klägern geltend gemacht werden und jeweils 30.000 EUR nicht übersteigen, nur bei Vorliegen einer materiellen Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO zusammenzurechnen. Eine solche Streitgenossenschaft liegt auf Klägerseite vor, wenn die Kläger in Ansehung des Streitgegenstands in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus demselben tatsächlichen Grund oder solidarisch berechtigt sind. Eine Berechtigung aus demselben tatsächlichen Grund im Sinn des § 11 Z 1 ZPO setzt einen einheitlichen rechtserzeugenden Tatbestand voraus, ohne dass für einen Streitgenossen noch weitere rechtserzeugende Tatsachen für die Ableitung des Anspruchs hinzutreten (RIS‑Justiz RS0035450).

3. Im vorliegenden Fall leiten die Kläger ihre Schadenersatzansprüche („Trauerschmerzengeld“) aus einem Verkehrsunfall ab, bei dem ihr Vater getötet wurde. Werden bei einem Unfallereignis mehrere Personen geschädigt, liegen insoweit lediglich gleichartige, auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen Grund beruhende Ansprüche im Sinne des § 11 Z 2 ZPO vor, nicht jedoch solche, die die Kläger als materielle Streitgenossen erscheinen ließen, wie dies § 55 Abs 1 Z 2 JN fordert (vgl nur RIS‑Justiz RS0110982 zuletzt: 1 Ob 24/15h; 2 Ob 21/17b). Eine Zusammenrechnung der von der Zweitklägerin und dem Drittkläger geltend gemachten Ansprüche findet daher (auch) bei der Ermittlung des Werts des Entscheidungsgegenstands des Berufungsgerichts nicht statt. Vielmehr liegen zwei unabhängige Entscheidungsgegenstände vor, deren Wert zwar jeweils 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt.

4. Damit richtet sich die Zulässigkeit einer Revision nach § 502 Abs 3 ZPO, wonach ein außerordentliches Rechtsmittel nicht in Betracht kommt. In einem solchen Fall kann lediglich der Antrag an das Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 1 ZPO gestellt werden, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde.

Ob der Schriftsatz als Antrag an das Berufungsgericht im Sinn des § 508 Abs 1 ZPO zu qualifizieren oder einem Verbesserungsverfahren zu unterziehen ist, bleibt der Beurteilung des Erstgerichts vorbehalten (RIS‑Justiz RS0109623 [T5], RS0109501 [T12]). Im ersten Fall wird es die Eingabe dem Berufungsgericht vorzulegen, im zweiten Fall die Kläger unter Fristsetzung zur Verbesserung aufzufordern, haben.

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