European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121016
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Beteiligten haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.
Begründung:
Der am 4. April 2016 verstorbene Erblasser wurde vor seinem Tod in einem von der Rechtsmittelwerberin betriebenen Heim gepflegt. Er war dort als „Selbstzahler“ geführt, bezog also keine Leistungen der Sozialhilfe iSv § 330a ASVG, sondern war (offenbar) vertraglich zur Zahlung des Entgelts verpflichtet. Auf dieser Grundlage meldete die Rechtsmittelwerberin im Verlassverfahren eine Forderung von 13.109,42 EUR an. Die Forderung ist dem Grunde und der Höhe nach unstrittig.
Der Erblasser war Mitinhaber zweier Bankkonten, die auf ihn und seine Ehefrau lauteten; nach Mitteilung der Bank war vertraglich jeweils ein „Einzelverfügungsrecht“ vereinbart. Es war daher jeder Kontoinhaber allein berechtigt, über die Konten zu verfügen. Die Rechtsmittelwerberin ist der Auffassung, dass die Kontoguthaben zur Gänze in den Nachlass fielen, die Witwe steht demgegenüber auf dem Standpunkt, dass die Hälfte ihr zustehe.
Mangels Abgabe von Erbantrittserklärungen schlägt der Gerichtskommissär eine Überlassung an Zahlungs statt nach § 154 Abs 1 und Abs 2 AußStrG vor. In seinem ansonsten auf der Aktenlage beruhenden Beschlussentwurf nimmt er nur die Hälfte der Guthabensstände (10.303,83 EUR) in die Nachlassaktiva auf. Auf dieser Grundlage erlitte die Rechtsmittelwerberin als einzige nicht bevorrechtete Gläubigerin (§ 154 Abs 2 Z 3 AußStrG) einen Ausfall von 7.178 EUR.
Die Rechtsmittelwerberin beantragt die Bestellung eines Verlasssenschaftskurators und die Nachlassseparation. Sie sehe sich „veranlasst“, ihre Forderung gerichtlich geltend zu machen, weswegen ein Kurator zu bestellen sei. Die Witwe vertrete die Auffassung, dass die Kontenguthaben zur Hälfe ihr zustünden. „Dementsprechend“ erscheine es „erforderlich, das erblasserische Vermögen von dem der präsumtiven Erben zu separieren“.
Das Erstgericht wies beide Anträge ab. Die Konten seien nur zur Hälfte zu berücksichtigen, weswegen der Nachlass überschuldet sei. Daher sei auch die Bestellung eines Verlassenschaftskurators nicht erforderlich.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige, und ließ den Revisionsrekurs zunächst nicht zu.
Nach der Rechtsprechung sei mangels eindeutigen Gegenbeweises davon auszugehen, dass Guthaben von Oder-Konten nur zur Hälfte in den Nachlass fielen. Ein auf dieser Grundlage überschuldeter Nachlass sei nach § 154 Abs 2 AußStrG kridamäßig zu verteilen. Darüber hinaus seien im konkreten Fall keine Angelegenheiten zu regeln. Daher seien die Anträge auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators und auf Nachlassseparation abzuweisen.
In ihrem mit einer Zulassungsvorstellung nach § 63 AußStrG verbundenen Revisionsrekurs macht die Rechtsmittelwerberin geltend, dass es ihr mangels Bestellung eines Kurators unmöglich sei, ihre Ansprüche gegen die Verlassenschaft „über die Kridaquote hinaus“ „zB nach der AnfO“ zu verfolgen. Zwar könne die Frage der Nachlasszugehörigkeit nur in einem streitigen Verfahren geklärt werden. Ein solches Verfahren sei aber nur möglich, wenn für die Verlassenschaft ein Vertreter bestellt werde. Die Abweisung des Separationsantrags habe das Rekursgericht nicht begründet; insofern sei der angefochtene Beschluss nichtig. Die Überschuldung des Nachlasses und die „Anspruchsstellung der Witwe“ bestätigten „das Risiko der Erben des Erblassers.“
Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs nachträglich zu, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob schon vor Überlassung eines Nachlasses an Zahlungs statt für dessen Vertretung zu sorgen sei.
Die Witwe beantragt in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben. Sie bringt insbesondere vor, dass die Bestellung eines Kurators nicht erforderlich sei, weil die Forderung der Rechtsmittelwerberin ohnehin nicht bestritten werde. Die Kosten des Kurators würden nur den Deckungsfonds der Rechtsmittelwerberin schmälern.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
1. Die Rechtsmittelwerberin ist durch die angefochtene Entscheidung auch materiell beschwert.
1.1. Auch im Außerstreitverfahren ist Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ein Eingriff in die geschützte Rechtssphäre des Rechtsmittelwerbers (RIS-Justiz RS0006497). Es bedarf also nicht nur der formellen, sondern auch der materiellen Beschwer, die dann vorliegt, wenn die rechtlich geschützten Interessen des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt werden (RIS-Justiz RS0006641, RS0041868, RS0118925).
1.2. Die Rechtsmittelwerberin macht Kosten einer stationären Pflege geltend. Damit ist zunächst die Anwendbarkeit von § 330a ASVG zu prüfen. Danach ist der „Zugriff“ auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen sowie auf das Vermögen ihrer Angehörigen, Erben und Geschenknehmer „im Rahmen der Sozialhilfe“ unzulässig. Diese Bestimmung trat mit 1. Jänner 2018 in Kraft; zu diesem Zeitpunkt anhängige Verfahren sind nach § 707a Abs 2 ASVG „einzustellen.“ Fiele der Anspruch der Rechtsmittelwerberin unter diese Bestimmung, könnte sie nun keinen Anspruch gegen den Nachlass oder allfällige Geschenknehmer mehr geltend machen; ein allfälliger Zivilprozess könnte daher jedenfalls nicht zu einem stattgebenden Urteil führen (vgl dazu näher Fucik/Mondel, Was bedeutet die Abschaffung des „Pflegeregresses“ für zivilgerichtliche Verfahren, SWK 2017/36, 1561 ff). In diesem Fall wäre die Rechtsmittelwerberin durch die Entscheidungen des Rekursgerichts nicht materiell beschwert.
1.3. Im konkreten Fall macht die Rechtsmittelwerberin allerdings einen Anspruch gegen einen „Selbstzahler“ geltend. Sie stützt sich (offenkundig) auf einen zwischen ihr und dem Erblasser geschlossenen Vertrag und wird daher gerade nicht „im Rahmen der Sozialhilfe“ tätig. Dem § 330a ASVG kann aber nicht unterstellt werden, dass er auch Ansprüche von (öffentlichen oder privaten) Heimbetreibern erfassen sollte, die in keinen Zusammenhang mit einer der betreuten Person gewährten Leistung der „Sozialhilfe“ (Mindestsicherung) stehen. § 330a ASVG steht dem geltend gemachten Anspruch daher nicht entgegen. Damit ist die Rechtsmittelwerberin durch die angefochtene Entscheidung nicht nur formell, sondern auch materiell beschwert. Ihr Rechtsmittel ist daher nicht jedenfalls unzulässig.
2. Ein Verlassenschaftskurator ist nicht zu bestellen.
2.1. Die Rechtsmittelwerberin weist an sich zutreffend darauf hin, dass Gläubiger der Verlassenschaft nach § 811 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 (§ 1503 Abs 7 Z 2 und Z 8 ABGB) schon vor Abgabe einer Erbantrittserklärung die Befriedigung oder Sicherstellung ihrer Forderungen verlangen „und zur Vertretung der Verlassenschaft die Bestellung eines Kurators beantragen“ können. Das Interesse der Gläubiger an der Durchsetzung ihrer Forderungen gegen die Verlassenschaft ist daher rechtlich geschützt (2 Ob 147/16f iFamZ 2017/187, 346 [Mondel] mwN). Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine solche Situation auch bei einem überschuldeten Nachlass auftritt, der an Zahlungs statt überlassen werden soll (Mondel, Die Kuratoren im österreichischen Recht2 [2013] Rz 7/40 mwN).
2.2. Ein Verlassenschaftskurator ist allerdings nur zu bestellen, wenn dies tatsächlich zur Befriedigung oder Sicherstellung der Forderung erforderlich ist.
(a) Auf dieser Grundlage wäre für einen nicht vertretenen Nachlass jedenfalls dann ein Kurator zu bestellen, wenn eine Forderung bestritten wurde und daher gegen einen nicht überschuldeten Nachlass ein Titel geschaffen werden müsste oder wenn diese Forderung zwar unbestritten blieb, aber mangels Vertretung des Nachlasses keine Auszahlung erfolgen könnte. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, weil die Forderung ohnehin unbestritten ist und die (wenngleich nur teilweise) Befriedigung durch die beabsichtigte Überlassung an Zahlungs statt auch ohne Mitwirkung eines Kurators erfolgen kann. Dieses Einschreiten des Verlassgerichts wird im Regelfall die Bestellung eines Kurators erübrigen (Mondel, Kuratoren Rz 7/34). Dass die Rechtsmittelwerberin zur Verfolgung eines Anfechtungsanspruchs einen vollstreckbaren Titel benötigte (§ 8 AnfO), hat sie in erster Instanz nicht behauptet. Das diesbezügliche – zudem nicht weiter konkretisierte – Rechtsmittelvorbringen ist daher eine unzulässige Neuerung.
(b) Auch sonst ist kein Grund für die Kuratorenbestellung zu erkennen. Bei Oder-Konten ist im Verlassverfahren – mangels Bescheinigung des Gegenteils – eine anteilige Berechtigung der Kontoinhaber anzunehmen (1 Ob 108/13h EF‑Z 2014/58, 89 [Tschugguel] = EvBl 2014/79 [Schatzl]; Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 166 Rz 15). Ob auch das weitere Guthaben in die Verlassenschaft gehört, kann – wie auch die Rechtsmittelwerberin zugesteht – nur in einem streitigen Verfahren geklärt werden. Diese Klärung kann aber ebenfalls ohne Bestellung eines Kurators erfolgen. Vielmehr genügt es, dass das Erstgericht der Rechtsmittelwerberin den von ihr behaupteten Anspruch der Verlassenschaft gegen die Witwe im Ausmaß ihrer Restforderung an Zahlungs statt überlässt. Zwar ist dieser Anspruch im Verlassverfahren mit Null zu bewerten, weil mangels Bescheinigung des Gegenteils nur anteilige Nachlasszugehörigkeit der Konten anzunehmen ist. Das hindert jedoch nicht die Überlassung an Zahlungs statt an einen Gläubiger, der das Bestehen des Anspruchs und damit einen weiteren Befriedigungsfonds behauptet. Diese ökonomische Vorgangsweise ermöglicht dem Gläubiger die Rechtsverfolgung gegen den behaupteten Schuldner des Nachlasses, ohne dass seine eigene Forderung vollstreckbar sein müsste. Im konkreten Fall könnte die Rechtsmittelwerberin auf dieser Grundlage als Einzelrechtsnachfolgerin des Erblassers Klage gegen die Witwe erheben. In diesem Verfahren wäre dann zu klären, ob die strittigen Teile der Guthaben inter partes dem Erblasser oder der Witwe zustanden. Der Rechtsschutz der Rechtsmittelwerberin ist daher auch ohne Bestellung eines Verlassenschaftskurators gewährleistet.
3. Gründe für eine Nachlassseparation liegen nicht vor.
Durch die Nachlassseparation soll eine rechtliche und faktische Vermögenstrennung zwischen dem Erben und der Verlassenschaft erreicht werden. Es kommt zu einem getrennt verwalteten Sondervermögen, das ausschließlich zur Befriedigung der Nachlassgläubiger zu verwenden ist (2 Ob 144/15p mwN). Damit soll allen Gefahren vorgebeugt werden, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt der Erben ergeben (RIS-Justiz RS0013073, RS0105648). Ein solcher Fall liegt hier nicht einmal ansatzweise vor: Da keine Erbantrittserklärung abgegeben wurde und der Nachlass überschuldet ist, wird das Erstgericht nach § 154 AußStrG vorzugehen haben; die Gefahr der Vermischung von Nachlass- und Erbenvermögen besteht daher von vornherein nicht.
4. Aus diesen Gründen muss der Revisionsrekurs zur Gänze scheitern. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 185 AußStrG.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)