OGH 1Ob235/17s

OGH1Ob235/17s30.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. K* Privatstiftung, *, und 2. DI A* M*, beide vertreten durch Dr. Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. arch. M* B* und 2. DI U* B*, vertreten durch Dr. Kurt L. Breit und Dr. Thomas Mayr, Rechtsanwälte in Wien, wegen 6.196,58 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30. Oktober 2017, GZ 38 R 134/17p‑34, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 10. März 2017, GZ 9 C 51/14d‑30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E120825

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Bestand einer Gegenforderung wird bis zur Höhe der Klagsforderung geprüft. Unzweifelhaft setzten die Beklagten ihre Gegenforderungen (auf: Rückzahlung von zuviel bezahltem Mietzins und Kosten für Maßnahmen, die in die Erhaltungspflicht des Vermieters fallen) der gesamten, also auch der ausgedehnten Klagsforderung entgegen. Die Kläger haben überdies nicht nur die Beurteilung des Erstgerichts, die Gegenforderungen seien gegen die gesamte Klagsforderung eingewendet worden, in ihrer Berufung gar nicht bekämpft und können dies in der Revision nun nicht mehr nachholen (RIS‑Justiz RS0043338 [T13]; RS0043480 [T22] ua), sie übersehen offenbar auch die von den Beklagten am 12. 6. 2015, also nach Ausdehnung des Klagebegehrens, erhobene Aufrechnungseinrede gestützt auf die Rückforderung von zuviel bezahltem Mietzins für die Monate August 2014 bis Juni 2015.

2. Die Kläger bekämpfen das vom Erstgericht festgestellte Zu-Recht-Bestehen der Gegenforderungen in dritter Instanz – wie schon zuvor – mit der Argumentation, dass diese ihnen gegenüber wegen des Grundsatzes der Mündlichkeit des Zivilprozesses erst durch den Vortrag des (schon am 15. 5. 2014 eingebrachten) Schriftsatzes in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 14. 10. 2014 und somit außerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist geltend gemacht worden seien. Das Berufungsgericht hatte aber – abgesehen von dem Hinweis auf die ohnehin binnen drei Jahren erfolgte Einbringung und Zustellung des Schriftsatzes (vgl zur Rückwirkung einer Klagsausdehnung auf den Zeitpunkt der Einbringung bei späterem Vortrag in der Verhandlung: RIS‑Justiz RS0034965 [T4]) – die Einrede der Verjährung schon wegen der Rückwirkung der Aufrechnungserklärung auf den Zeitpunkt, in welchem sich Forderung und Gegenforderung zum ersten Mal aufrechenbar gegenübergestanden sind (6 Ob 110/12p uva = SZ 2012/90; RIS‑Justiz RS0033973; RS0033904; RS0034016), verneint. Damit setzen sich die Kläger in ihrer Revision aber gar nicht auseinander. Angesichts des mit der Klage geltend gemachten Mietzinses für den Zeitraum Dezember 2013 bis Juli 2014 und der auf Mietzinsminderungsansprüchen für den im Zeitraum Juli 2011 bis November 2015 bezahlten Mietzins beruhenden Gegenforderungen (sowie einer Zahlung für Elektroinstallationsarbeiten im November 2013) können die Kläger nicht ansatzweise erklären, inwiefern die Beurteilung der Vorinstanzen eine aufzugreifende Fehlbeurteilung darstellen sollte.

3. Das Ausmaß einer Mietzinsminderung gemäß § 1096 ABGB hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0021324 [T3]), weshalb seine Beurteilung regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufwirft (jüngst 1 Ob 50/17k; 3 Ob 151/17b). Die Kläger behaupten zwar, die Ausmessung durch das Berufungsgericht widerspräche den von der Lehre und Rechtsprechung zur Mietzinsminderung gemäß § 1096 ABGB aufgestellten Grundsätzen wie auch den Intentionen des Gesetzgebers, können dies aber mit keiner einzigen Belegstelle aus höchstgerichtlicher Rechtsprechung oder Lehre belegen. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung können sie auf diese Weise nicht aufzeigen:

Die von ihnen zitierte Entscheidung „MietSlg 34.251“ (des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 4. 11. 1982, 41 R 695/82) befasst sich damit, dass der Mietvertrag gemäß § 1116a ABGB nicht mit dem Tod des Mieters endet. Sollte die zu MietSlg 34.215 veröffentlichte Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 26. 4. 1982, 14 R 67/82, gemeint gewesen sein, wäre das Zitat ebenfalls unpassend, weil es damals um ein gegen hohen Mietzins angemietetes, sehr großes Bestandobjekt mit repräsentativen Wohnräumen im Parterre eines Hauses ging, bei dem nach dieser Entscheidung (subjektiv) andere Maßstäbe bei der Einschätzung einer gerechtfertigten Mietzinsreduktion gelten sollen als im Regelfall. Die von den Klägern aufgestellte Behauptung, weil das Alter des Hauses für die Beurteilung der Mietzinsminderung entscheidend sei, könne aus „derartigen kurzfristigen Beeinträchtigungen“ keine Minderung abgeleitet werden, ist schon angesichts mehrerer unangekündigter Stromausfälle zum Teil auch über mehr als eine Stunde, wodurch Computer abstürzten und Daten verloren gingen, weil sie nicht mehr gesichert werden konnten, und mehrtätiger Unterbrechung der Wasserversorgung, weswegen die Beklagten gezwungen gewesen waren, Wasser aus dem im Erdgeschoss gelegenen Café in ihre Wohnung zu tragen, nicht nachvollziehbar. Von kurzfristigen, die Nutzung des Mietgegenstands nicht beeinträchtigenden Störungen kann bei diesen Vorfällen nicht mehr gesprochen werden. Bei der Mietzinsminderung wegen des Nichtfunktionierens des Aufzugs gehen die Kläger zum einen zuerst unrichtig von einer Minderung von 30 % aus, zum anderen halten sie (auch) den (tatsächlich) gewährten Prozentsatz von 20 % für überhöht, weil „sogar bei der im Haus befindlichen Arztordination … nur eine Mietzinsminderung von 15 % für gerechtfertigt angesehen“ worden sei. Auf welchen Fall sie sich dabei beziehen, bleibt unklar. Sollte es der vom Erstgericht zitierte und zu 5 Ob 67/07z sowie 5 Ob 72/06h entschiedene sein, dann fehlte es schon an der Vergleichbarkeit der Umstände: Dort handelte es sich zwar um eine Arztpraxis (im zweiten Stock), jedoch ging es nicht um den Ausfall des Lifts, sondern „bloß“ um dessen eingeschränkte Benützbarkeit (der neue Aufzug konnte [nur] von Rollstuhlpatienten nicht benutzt werden). Sie übersehen außerdem, dass im vorliegenden Fall ein Kostenanteil für den Lift im Mietvertrag vereinbart gewesen war und sich das zu beurteilende Bestandobjekt, das nicht nur als Wohnung, sondern auch als Architektenbüro genutzt wird, im 5. Stock befindet.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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