OGH 3Ob151/17b

OGH3Ob151/17b20.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei B* GmbH, *, vertreten durch Bartlmä Madl Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei R*, vertreten durch Winkler Reich‑Rohrwig Illedits Wieger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wegen 18.358,02 EUR sA und Räumung, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 11.451,70 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 7. Juni 2017, GZ 40 R 329/16b‑117, womit das Teilurteil des Bezirksgerichts Hernals vom 22. August 2016, GZ 6 C 912/13y‑108, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E119408

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 860,58 EUR (hierin enthalten 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Beklagte ist unter anderem Mieterin einer Wohnung im Haus der Klägerin. Der Schacht, in dem sich Abgassammler (Rauchfang), Rauchsammler (Notkamin), Abluftleitungen, Wassersteigleitungen und Fallleitungen befinden, ist vierseitig aus Gipsdielen hergestellt. Dieses Gipsmauerwerk ist durch unter Putz in die Schachtwand verlegte Elektro‑, Gas‑ und Wasserleitungen und durch die Revisionstürchen durchbrochen. Ob dadurch die erforderliche F90‑Wandstärke, die eine Dauer des Feuerwiderstands gegen Versagen, Hitzedurchgang und Flammenüberschlag von 90 Minuten gewährleistet, fehlt, ist nicht feststellbar.

Im März 2008 fiel die Therme in der Wohnung der Beklagten zur Gänze aus. Es gab einen Abgasrückstau. Damals wurde festgestellt, dass die Einmündung des Abgassammlers in die Wohnung der Beklagten mangelhaft war. Überdies wurde festgestellt, dass in zahlreichen Wohnungen des Hauses unzulässigerweise Ventilatoren in Betrieb waren. Werden diese gleichzeitig mit der Therme betrieben, kann ein Abgasrückstau entstehen. Auch in der Wohnung der Beklagten war ein solcher Ventilator angebracht, der vermutlich den Abgasrückstau ausgelöst hat und dann sofort abgeklemmt wurde.

Sowohl der Abgassammler als auch der Rauchsammler sind ohne Mantelstein ausgeführt, sie bilden also keinen eigenen Baukörper. Das Fehlen des Mantelsteins könnte dann, wenn das Schamottrohr (der Abgassammler) brüchig wird, zu Rissen in der Schachtwand führen, was wiederum das Eindringen von Rauchgasen in die Wohnung der Beklagten nach sich ziehen könnte. 2008 gab es Risse in der Anschlussbuchse zum Rohr. Derzeit ist das Schamottrohr dicht und weist keine Schäden auf.

Auch die horizontale Abdichtung des Schachts wurde mangelhaft ausgeführt; sie ist undicht, was im Fall eines Brandes in einer unterhalb der Wohnung der Beklagten liegenden Wohnung dazu führen könnte, dass Rauchgas über den Schacht in die Wohnung der Beklagten gelangt.

Die Brandschutzsituation in der Wohnung der Beklagten war daher jedenfalls bis einschließlich Mai 2016 (bis zur Durchführung von Sanierungsarbeiten durch die Klägerin) mangelhaft.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung rückständiger Mietzinse unter anderem für die Wohnung in Höhe von zuletzt 18.300,03 EUR sA für den Zeitraum November 2013 bis Mai 2016 sowie, gestützt auf § 1118 zweiter Fall ABGB, die geräumte Übergabe dieses Objekts.

Die Beklagte wendete ein, dass ihr aufgrund diverser Mängel, insbesondere wegen des mangelnden Brandschutzes, eine Mietzinsminderung im Ausmaß von 100 % zustehe.

Das Erstgericht erachtete eine Mietzinsminderung von insgesamt 73 % als angemessen und verpflichtete die Beklagte mit Teilurteil zur Zahlung von 4.756,87 EUR sA, während es das Zahlungsmehrbegehren abwies. Der mangelnde Brandschutz rechtfertige für sich allein nur eine Mietzinsminderung im Ausmaß von 15 %, weil das eher geringe Risiko eines Thermendefekts und eines Brandes, wodurch es zu einem Eintritt von Rauchgas in die Wohnung der Beklagten kommen könnte, durch einen Brand‑ und Rauchgasmelder noch verringert werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen den stattgebenden Teil des Ersturteils nicht Folge und änderte dieses über Berufung der Klägerin dahin ab, dass es ihr einen Teilbetrag von 11.451,70 EUR sA zusprach, während es das Zahlungsmehrbegehren von 6.906,32 EUR sA abwies. Insgesamt sei nur eine Mietzinsminderung im Ausmaß von 35 % angemessen, darin enthalten 15 % für den mangelnden Brandschutz. Entgegen der Ansicht der Beklagten führe der mangelhafte Brandschutz nicht zu einer gänzlichen Unbenützbarkeit der Wohnung, weil die Wahrscheinlichkeit eines Brandes sehr gering sei, wobei der Brandschutz auch nicht vollständig fehle, sondern nur unzureichend sei. Ein Brandüberschlag in eine andere Wohnung und ein Rauchgaseintritt seien nie gänzlich auszuschließen, eine hundertprozentige Brandsicherheit gebe es nie. Der vorliegende Mangel erhöhe lediglich die Gefahr der Brandausbreitung um eine weitere Möglichkeit. Mit einem Brand- und Rauchgasmelder sei zwar nicht die Wahrscheinlichkeit eines Brandüberschlags oder Raucheintritts durch den Kamin zu vermindern, allerdings könnten die Folgen eines solchen Ereignisses dadurch erheblich reduziert werden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Frage fehle, ob und in welcher Höhe unzureichender Brandschutz eine Mietzinsminderung rechtfertige.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten, mit der sie die gänzliche Abweisung des Klagebegehrens anstrebt, weil der mangelhafte Brandschutz (für sich allein) eine Mietzinsminderung von 100 % rechtfertige, ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Da die Vorinstanzen der Beklagten– insoweit unbekämpft – eine Zinsminderung im Ausmaß von 15 % zugebilligt haben, stellt sich die vom Berufungsgericht primär als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob für den mangelhaften Brandschutz überhaupt eine Mietzinsminderung gemäß § 1096 ABGB gebühre, in dritter Instanz nicht mehr.

2. Das in der Revision dementsprechend allein relevierte Ausmaß der Mietzinsminderung hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0021324 [T3]), weshalb seine Beurteilung regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufwirft (jüngst 1 Ob 50/17k). Mit ihren Ausführungen gelingt es der Beklagten nicht, eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen bei der Bemessung der Mietzinsminderung aufzuzeigen:

2.1. Der von der Beklagten als Beleg für die (gänzliche) Unbrauchbarkeit der Wohnung infolge des mangelhaften Brandschutzes ins Treffen geführte Abgasunfall im Jahr 2008 war nach den Feststellungen gerade nicht auf den (zumindest) bis Mai 2016 bestehenden Mangel (fehlende horizontale Abdichtung des Schachts) zurückzuführen, sondern auf das Vorhandensein von – in der Folgebehobenen – Rissen und den unzulässigen Betrieb von Ventilatoren.

2.2. Wegen der mangelhaften horizontalen Schachtabdichtung würde im Fall eines Brandes im Haus der Klägerin die nach den einschlägigen Normen erforderliche Dauer des Feuerwiderstands von 90 Minuten nicht erreicht. Eine gänzliche objektive Unbenützbarkeit der Wohnung lässt sich daraus jedoch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht ableiten.

Der Beklagten ist zuzugestehen, dass die Installation eines Rauchmelders weder die Gefahr eines Brandes oder Brandüberschlags noch die Folgen eines Brandes (mit Ausnahme der Gefährdung des Lebens der in der Wohnung anwesenden, rechtzeitig gewarnten Personen) verhindern kann. Es trifft auch zu, dass die Gefahr eines Brandes – anders als etwa eine veraltete Elektroanlage, aufgrund derer etwa im Badezimmer keine Elektrogeräte betrieben werden dürfen – die gesamte Wohnung betrifft und überdies der Zeitpunkt der Manifestierung dieser Gefahr nicht vorhersehbar ist. Allerdings haben die Vorinstanzen völlig zu Recht die (auch von der Beklagten selbst eingeräumte) objektiv geringe Wahrscheinlichkeit eines Brandes berücksichtigt. Außerdem ist festzuhalten, dass die festgestellte Situation nicht etwa die Brandgefahr erhöht, sondern nur im Fall eines Brandes in einer anderen Wohnung des Hauses Rauchgase (früher) in die Wohnung der Beklagten eindringen können. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist das Ausmaß der von den Vorinstanzen zuerkannten Mietzinsminderung nicht zu beanstanden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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