OGH 8ObA63/17y

OGH8ObA63/17y26.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber und Mag. Susanne Haslinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Dr. Peter Döller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** B*****, vertreten durch Mag. Matthias Prückler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zustimmung zur Entlassung und hilfsweise zur Kündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. Oktober 2017, GZ 10 Ra 58/17y‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBA00063.17Y.0126.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.  Der Beklagte ist Vorsitzender des Arbeiterbetriebsrats beim Kläger. Der Kläger begehrt die nachträgliche, in eventu die vorherige Zustimmung zur Entlassung des Beklagten, in eventu die vorherige Zustimmung zu dessen Kündigung. Die Vorinstanzen haben die Begehren mit übereinstimmender Begründung abgewiesen.

2.1  Im Rahmen der Beurteilung, ob der Beklagte durch die inkriminierten Äußerungen in seinen Facebook‑Postings aus Juni und Oktober 2015, in seiner Ansprache bei der Mitarbeiter‑Weihnachtsfeier 2015 sowie gegenüber dem neuen Küchenchef die vom Kläger herangezogenen Entlassungsgründe bzw den herangezogenen Kündigungsgrund verwirklicht hat, ist das Berufungsgericht– so wie auch das Erstgericht – von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen, die auch der Kläger entsprechend heranzieht. Die Frage, ob ein Entlassungsgrund (Auflösungsgrund) verwirklicht ist und ob das dem Arbeitnehmer angelastete Fehlverhalten derart schwerwiegend ist, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung nicht mehr zugemutet werden kann, stellt eine typische Frage des Einzelfalls dar (8 ObA 41/16m; 8 ObA 49/17i). Einzelfallentscheidungen kommt in der Regel keine erhebliche Bedeutung zu, die die Zulässigkeit der Revision begründen würde (RIS‑Justiz RS0105940). Der Kläger erkennt selbst, dass für die Verwirklichung der einzelnen Auflösungstatbestände die Erheblichkeitsschwelle überschritten sein müsste. Den Vorinstanzen kommt im Rahmen dieser Beurteilung im Allgemeinen ein keineswegs enger Entscheidungsspielraum zu.

2.2  Im Anlassfall gehen die Vorinstanzen zutreffend von vollkommen unangebrachten beleidigenden Entgleisungen des Beklagten aus, verneinen aber zu den einzelnen Auflösungsgründen das Vorliegen der jeweils erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen bzw die geforderte Eingriffs- oder Verletzungsintensität. Der Kläger stellt diese Würdigung der Vorinstanzen zwar infrage, vermag letztlich aber keine Gründe darzulegen, die die Entscheidung des Berufungsgerichts als unvertretbar erscheinen lassen.

Die Vorinstanzen stellen bei ihrer Beurteilung zu § 122 Abs 1 Z 2 ArbVG iVm § 283 StGB nicht in Abrede, dass ein politisches Lager unter dem Begriff der „Weltanschauung“ subsumiert werden kann. Sie gehen aber davon aus, dass der Beklagte nach seinen auch nach außen hin erkennbaren Intentionen – zumal seine Facebook‑Äußerungen im Oktober 2015 als Reaktion auf eine konkrete Facebook‑Seite erfolgten, auf die er antwortete und Bezug nahm – die konkreten Facebook‑Nutzer dieser Seite treffen wollte. Diese Beurteilung ist durchaus vertretbar. Das Gleiche gilt für die Wertung der Vorinstanzen, dass die in Rede stehenden Äußerungen zwar ein Beschimpfen darstellten, aber die Grenzen zur qualifizierten Ehrverletzung noch nicht überschritten hätten. Damit steht durchaus auch im Einklang, dass die Staatsanwaltschaft Wien von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts nach § 283 Abs 1 und 2 StGB aufgrund des Fehlens eines Anfangsverdachts absah. Zum Tatbestand der Untreue (§ 122 Abs 1 Z 3 ArbVG) stellen die Vorinstanzen nicht in Abrede, dass auch außerdienstliche (private) Verhaltensweisen diesen Entlassungsgrund erfüllen können. Der Kläger ist in diesem Zusammenhang mit seiner Ansicht im Recht, dass das inkriminierte Verhalten nicht dem Arbeitgeber zurechenbar, also als dessen Meinung anzusehen sein muss. Allerdings muss sich eine ausreichende Verbindung zum Arbeitsverhältnis herstellen lassen, sodass ein Rückschluss oder eine Auswirkung vor allem auf das Ansehen des Arbeitgebers naheliegt. Das Berufungsgericht stützte seine Beurteilung in diesem Zusammenhang vor allem auf die Überlegung, dass aus dem Facebook‑Posting aus Oktober 2015 nicht abzuleiten sei, dem Beklagten sei es darum gegangen, die dienstlichen Interessen des Klägers zu gefährden. Damit verneinte das Berufungsgericht ein vorsätzliches Verhalten in Bezug auf eine schwere Treuepflichtverletzung. Dazu nimmt der Kläger in seinem Rechtsmittel nicht Stellung.

Richtig ist weiters, dass der Beklagte selbst bei der Mitarbeiter‑Weihnachtsfeier 2015 seine politische Tätigkeit nicht ablegen konnte. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass auch in diesem Zusammenhang eine erhebliche Ehrverletzung (§ 122 Abs 1 Z 5 ArbVG) oder eine beharrliche Pflichtverletzung (§ 121 Z 3 ArbVG) nicht erblickt werden könne, hält sich jedoch ebenfalls im Rahmen des dem Berufungsgericht zukommenden Entscheidungsspielraums. Richtig ist schließlich, dass bei der Beurteilung auch auf das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen ist. Dies ändert aber nichts daran, dass ein konkreter Auflösungsgrund in all seinen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein und das verwirklichte Tatbild zudem eine gewisse Mindestintensität aufweisen muss, was hier von den Vorinstanzen – noch vertretbar – verneint wurde.

3.  Insgesamt hält sich die Schlussfolgerung der Vorinstanzen, der Beklagte habe keinen der ins Treffen geführten Auflösungsgründe verwirklicht, weshalb die geforderte gerichtliche Zustimmung nicht zu erteilen sei, im Rahmen der Rechtsprechung.

Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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