OGH 8Ob6/18t

OGH8Ob6/18t26.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache der Schuldnerin A***** C***** S*****, vertreten durch Dr. Robert Mogy, Rechtsanwalt in Klagenfurt, über den Revisionsrekurs der Gläubigerin S***** GmbH, *****, vertreten durch den *****, dieser vertreten durch Putz und Rischka Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 29. November 2017, GZ 4 R 287/17y‑52, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Völkermarkt vom 8. November 2017, GZ 3 S 22/09m‑49, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00006.18T.0126.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der abweisende Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Revisionsrekursbeantwortung der Schuldnerin wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 13. 11. 2009 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und am 21. 1. 2010 nach Scheitern des angebotenen Zahlungsplans das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Innerhalb der siebenjährigen Laufzeit der Abtretungserklärung erhielten die Gläubiger eine Quote von weniger als 4 % ihrer angemeldeten Forderungen.

Mit Beschluss vom 12. 6. 2017 verlängerte das Erstgericht das Abschöpfungsverfahren über Antrag der Schuldnerin gemäß § 213 Abs 4 IO (aF) um drei Jahre.

Am 24. 10. 2017 stellte die Schuldnerin den Antrag auf Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 280 IO idF des IRÄG 2017.

Das Erstgericht wies den Antrag mangels der Voraussetzungen des § 280 IO nF ab. Weder sei die aktuelle Abtretungserklärung abgelaufen, noch seien seit dem 1. 11. 2017 fünf Jahre vergangen.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Schuldnerin Folge. Es erklärte das Abschöpfungsverfahren für beendet und sprach aus, dass die Schuldnerin von den im Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit werde.

Die auf anhängige Abschöpfungsverfahren anzuwendende Übergangsbestimmung des § 280 IO idF IRÄG 2017 müsse dahin ausgelegt werden, dass es nur auf den Ablauf der ersten Abtretungserklärung und nicht der verlängerten ankomme, um die Restschuldbefreiung ohne Rücksicht auf die erzielte Quote beantragen zu können. Für diese Auslegung spreche der aus den Materialien hervorgehende Gesetzeszweck, die Entschuldung von Privatpersonen und deren rasche Rückkehr in eine produktive Berufssituation zu fördern. Würde es auf den Ablauf des verlängerten Abtretungszeitraums ankommen, wären Schuldner bevorzugt, deren Abtretungserklärungen ebenfalls vor dem Inkrafttreten des IRÄG 2017 am 1. 11. 2017 abgelaufen waren, bei denen aber gerade noch keine Entscheidung iSd § 213 Abs 3 oder 4 IO aF getroffen wurde.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Anwendung des § 280 IO nF in einem am 1. 11. 2017 anhängigen, bereits verlängerten Abschöpfungsverfahren bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Gläubigerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und auch berechtigt.

1. Die für das Schuldenregulierungsverfahren maßgeblichen Änderungen der IO durch das IRÄG 2017 traten grundsätzlich mit 1. 11. 2017 in Kraft. Sie sind anzuwenden, wenn das Insolvenzverfahren nach dem 31. 10. 2017 eröffnet wurde oder der Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nach diesem Datum bei Gericht eingelangt ist.

Für Abschöpfungsverfahren, die bei Inkrafttreten des Gesetzes anhängig waren, gilt nach § 280 IO idF IRÄG 2017 folgende Übergangsregelung:

„Nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung ist auf Antrag des Schuldners das Abschöpfungsverfahren zu beenden, wenn die Abtretungserklärung abgelaufen ist oder seit dem 1. November 2017 fünf Jahre der Abtretungserklärung abgelaufen sind. § 213 Abs 1 zweiter bis vierter Satz in der vor dem IRÄG 2017 vorgesehenen Fassung sind anzuwenden.“

Aufgrund dieser Übergangsbestimmung werden die herausragenden Neuerungen des IRÄG 2017 im Bereich des Abschöpfungsverfahrens, nämlich die Verkürzung des Zeitraums der Abtretungserklärung von sieben auf fünf Jahre und der Entfall des Erfordernisses einer Mindestquote, für anhängige Verfahren nur teilweise und in zeitlicher Abstufung wirksam. Während der Entfall der Mindestquote auch in anhängigen Verfahren anzuwenden ist, wenn nach dem 31. 10. 2017 gemäß § 280 IO nF über die Erteilung einer Restschuldbefreiung zu entscheiden ist (wodurch dem Schuldner ein Wahlrecht zwischen alter und neuer Rechtslage ermöglicht wird: Kodek, Reform des Privatkonkurses – Das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2017, Zak 2017, 147), kommt die Verkürzung des Abschöpfungszeitraums auf fünf Jahre in den Altverfahren zunächst nur zeitverzögert und nicht in vollem Ausmaß zum Tragen.

In allen laufenden Verfahren, in denen die Abtretung vor dem 1. 11. 2015 wirksam wurde, bleibt es nach dem Übergangsrecht unverändert bei einer insgesamt mindestens siebenjährigen Laufzeit. Nur wenn der Abschöpfungszeitraum erst nach diesem Datum zu laufen begonnen hat, verringert sich nach § 280 IO nF die effektive Gesamtdauer auf Antrag sukzessive bis zum 1. 11. 2022. Ungeschmälert kommt die Verkürzung auf fünf Jahre aber erst jenen Schuldnern zugute, deren Abtretungszeitraum am 1. 11. 2017 oder später begonnen hat (Konecny, IRÄG 2017 und Neues im Insolvenzrecht für natürliche Personen, ecolex 2017, 1160; Mohr, Neuerungen im Privatinsolvenzrecht, ZIK 2017/110; s.a. Riel, Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2017,AnwBl 2017, 275; Clavora/Lödl, Jahrbuch Insolvenz‑ und Sanierungsrecht 2017, 21).

2. Eine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass sich das am 1. 11. 2017 anhängige Abschöpfungsverfahren bereits im Stadium einer Verlängerung nach § 213 Abs 4 IO befindet, enthält § 280 IO nF nicht. Auch in den Materialien zum IRÄG 2017 findet sich kein weiterführender Hinweis, wie der Gesetzgeber diese Fallkonstellation regeln wollte.

In der Literatur zum IRÄG 2017, soweit sie sich mit dieser Frage überhaupt befasst, sprechen sich Konecny (aaO ecolex 2017, 1160) und Mohr (aaO, ZIK 2017/110, 102) für die vom Rekursgericht gewählte Interpretation aus, dass das Antragsrecht nur den Ablauf der ersten, aber nicht der verlängerten Abtretungserklärung erfordere (Konecny aaO, unter Berufung auf Mohr, aaO). Argumentiert wird, dass § 280 IO nF bei Ablauf der siebenjährigen Abtretungsfrist schon ab dem 1. 11. 2017 einen Antrag auf zwingende Restschuldbefreiung vorsehe, sodass ihn der Schuldner in weiter Auslegung auch bei auferlegten Ergänzungszahlungen nach § 213 Abs 3 sowie in den Fällen der Verlängerung nach Abs 4 IO aF sofort stellen könne, weil die erste Abtretungserklärung da ja bereits abgelaufen sei.

3. Diese Auslegung wirft allerdings erhebliche Probleme auf.

Zunächst kommt auf jenes Verfahrensstadium, in dem nur mehr aufgetragene Ergänzungszahlungen nach § 213 Abs 3 IO aF zu leisten sind, eine unmittelbare Anwendung des § 280 IO nF nach dessen Wortlaut nicht in Frage, weil hier das Abschöpfungsverfahren bereits vom Gericht für beendet erklärt wurde. Eine wiederholte Beendigung desselben Verfahrens ist begrifflich nicht möglich.

Für eine analoge Anwendung im Sinne einer Reduktion auf einen Antrag auf vorzeitige Restschuldbefreiung würde wohl sprechen, dass in den nach dem 31. 10. 2017 über Antrag des Schuldners nach § 280 IO getroffenen Entscheidungen nicht mehr auf eine Quotenerfüllung Bedacht zu nehmen ist. Daraus könnte abgeleitet werden, dass es auch auf die Erfüllung der rechtskräftig aufgetragenen Ergänzungszahlungen nicht mehr ankommt, weil das Verfahren jedenfalls mit Restschuldbefreiung zu beenden wäre.

Dagegen spricht allerdings, dass das IRÄG 2017 keinen Eingriff in die Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen vorsieht und § 280 IO nF nicht erkennen lässt, dass mit dieser Übergangsregelung die bereits vor dem 1. 11. 2017 erworbene Rechtsposition jener Gläubiger verschlechtert werden sollte, die noch Ergänzungszahlungen zu erhalten haben und in diesem Umfang auch zur Exekutionsführung berechtigt sind.

4. Dagegen liegen im Fall einer Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens nach § 213 Abs 4 IO aF die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Übergangsregelung vor; das Verfahren ist noch nicht beendet und es wurde noch nicht über die Restschuldbefreiung entschieden.

Ein Schuldner kann hier den Antrag auf Beendigung des Verfahrens (frühestens) stellen, „wenn die Abtretungserklärung abgelaufen ist“. Unter Berücksichtigung des Wortsinns und des grammatikalischen Zusammenhangs liegt es auf der Hand, dass damit die unmittelbar vor dem Beendigungsantrag abgelaufene, also zuletzt gültige Abtretungserklärung gemeint ist.

Hätte der Gesetzgeber hingegen ausdrücken wollen, dass in allen anhängigen Verfahren ein insgesamt siebenjähriger Abschöpfungszeitraum für die Antragsberechtigung ausreicht und ein Verlängerungsbeschluss unbeachtlich ist, wäre eine deutliche Formulierung zu erwarten gewesen (zB: „wenn die erste Abtretungserklärung abgelaufen ist“, „wenn bereits insgesamt sieben Jahre der Abtretungserklärung oder seit dem 1. 11. 2017 fünf Jahre der Abtretungserklärung verstrichen sind“).

Auch die teleologischen Überlegungen des Rekursgerichts vermögen nicht zu überzeugen. Richtig ist, dass mit dem IRÄG 2017 ausdrücklich eine Förderung der Entschuldung von Privatpersonen und die rasche Rückkehr der Schuldner in eine produktive Berufssituation bezweckt wird. Diese Intention hat den Gesetzgeber allerdings nur veranlasst, der Abschaffung des Quotenerfordernisses auch im Übergangsrecht sofort Wirkung zu verschaffen. Dagegen findet die Verkürzung des Abschöpfungszeitraums auf ältere anhängige Verfahren noch überhaupt nicht, auf jüngere ab dem Stichtag 1. 11. 2015 nur pro rata temporis Anwendung.

Aus dem allgemeinen Gesetzeszweck lässt sich daher nicht ableiten, dass der Gesetzgeber gerade die nach § 213 Abs 4 IO aF verlängerten Abschöpfungsverfahren durch eine sofortige Verkürzung, im äußersten Fall um drei Jahre, privilegieren wollte.

Für diese Annahme besteht auch deswegen kein Grund, weil dem Schuldner aus der Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens auch ohne vorzeitige Beendigung weiterhin ein erheblicher Vorteil erwächst. Wäre nämlich die Verlängerung nicht bewilligt worden, hätte das Verfahren bereits nach den ersten sieben Jahren ohne Restschuldbefreiung geendet.

Um diese nach den Regeln des IRÄG 2017 doch noch erlangen zu können, hätte ein solcher Schuldner nach dem 31. 10. 2017 ein neues Verfahren beantragen und weitere fünf Jahre Abschöpfung in Kauf nehmen müssen. Die Übergangsbestimmung des § 280 IO nF verkürzt diesen Zeitraum im verlängerten Verfahren auf die restliche Laufzeit der verlängerten Abtretungserklärung.

Entgegen den Ausführungen des Rekursgerichts führt dieses Ergebnis auch nicht zu einem unsachlichen Vorteil für Schuldner, deren Abtretungserklärung ebenfalls vor dem 1. 11. 2017 ohne Erreichen der Mindestquote abgelaufen ist, bei denen aber vor diesem Stichtag noch keine Entscheidung nach § 213 Abs 3 oder 4 IO aF getroffen wurde. Auch diesen Schuldnern wird der individuelle Abschöpfungszeitraum nicht verkürzt und sie profitieren genauso wie die Schuldnerin lediglich von der neu geschaffenen Restschuldbefreiung ohne Mindestquote.

Aufgrund dieser Überlegungen war dem Rekurs der Gläubigerin Folge zu geben und die zutreffende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Das Revisionsrekursverfahren ist einseitig, die Rechtsmittelbeantwortung der Schuldnerin war daher zurückzuweisen.

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