OGH 3Nc3/18y

OGH3Nc3/18y24.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi als weitere Richter in der Ordinationssache der Antragstellerin I***** M*****, wegen vorläufiger Kontenpfändung, über den Antrag auf Ordination gemäß § 28 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0030NC00003.18Y.0124.000

 

Spruch:

Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.

Begründung:

Die nicht anwaltlich vertretene Antragstellerin begehrte mit ihrem am 9. Oktober 2017 beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien eingebrachten Antrag die Erlassung eines Beschlusses auf vorläufige Kontenpfändung nach der EuKoPfVO aufgrund zweier gerichtlicher Vergleiche aus den Jahren 1993 und 2008. Sie verwies auf ein in den vorgelegten Beilagen ersichtliches österreichisches Konto des Titelschuldners und gab an, dass der Antrag für Deutschland und Österreich gestellt werde. Für Deutschland ersuche sie um eine „Kontenabfragung“ über das (deutsche) Bundesamt für Justiz.

Mit Beschluss vom 10. Oktober 2017 sprach das Bezirksgericht Innere Stadt Wien rechtskräftig aus, dass es örtlich unzuständig sei und überwies die Rechtssache an das Bezirksgericht Linz gemäß § 44 JN iVm § 423 Abs 1, § 387 Abs 1 EO, weil zu den beiden Exekutionstiteln am Bezirksgericht Linz bereits ein Exekutionsverfahren gegen den Titelschuldner anhängig sei.

Das Bezirksgericht Linz wies mit Beschluss vom 20. Oktober 2017 den Antrag auf Erlassung eines Beschlusses auf vorläufige Kontenpfändung zurück. Es verneinte sowohl seine Zuständigkeit als auch das Vorliegen einer „inländischen Zuständigkeit für dieses Verfahren“ und verwies dazu auf den Wohnort des Titelschuldners in Deutschland. Auch dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.

Die Antragstellerin begehrt mit ihrem am 10. Jänner 2018 beim Obersten Gerichtshof eingebrachten Schriftsatz die Bestimmung eines österreichischen Gerichts, vorzugsweise des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, im Wege der Ordination. Sie beruft sich auf Art 6 EuKoPfVO, weshalb § 28 Abs 1 Z 1 JN zur Anwendung komme. Auch § 28 Abs 1 Z 2 JN würde hier gelten, weil die Antragstellerin die vorläufige Kontenpfändung in Deutschland wegen der dort fehlenden internationalen Zuständigkeit nicht durchsetzen könnte.

Rechtliche Beurteilung

Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.

1. Die Antragstellerin musste sich beim Ordinationsantrag nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Nach § 27 Abs 1 ZPO besteht „vor allen höheren Gerichten“ grundsätzlich Anwaltspflicht, auch wenn diese funktionell als Erstgericht einschreiten (RIS-Justiz RS0121427 [T1]). Nach § 422 Abs 1 EO sind auf einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung grundsätzlich die Bestimmungen über die einstweilige Verfügung anzuwenden. Eine Anwaltspflicht kann hier aber nicht auf § 27 Abs 1 ZPO (iVm § 422 Abs 1 EO, § 402 Abs 4 EO, § 52 Satz 2 EO, § 78 EO) gestützt werden: Die Bestimmungen des Provisorialverfahrens gelten bei abweichenden Regelungen in der EuKoPfVO nämlich nicht und Art 41 Satz 1 EuKoPfVO normiert, dass in Verfahren, mit denen ein Beschluss zur vorläufigen Pfändung erwirkt werden soll, eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder einen sonstigen Rechtsbeistand nicht verpflichtend ist. Da der vorliegende Ordinationsantrag im Rahmen eines Verfahrens zur Erwirkung einer vorläufigen Kontenpfändung gestellt wurde, geht Art 41 leg cit als abweichende Regelung der allgemeinen Regel des § 27 Abs 1 ZPO vor.

2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine Ordination auch in Exekutionssachen möglich (RIS‑Justiz RS0053178; RS0046326 [T2]; jüngst 3 Nc 16/17h). Entsprechendes gilt für das Provisorialverfahren, welches ebenfalls unter den Begriff der „bürgerlichen Rechtssache“ iSd § 28 Abs 1 JN fällt (vgl Garber in Fasching/Konecny 3 § 28 JN Rz 148). Gemäß § 422 Abs 1 EO kommt eine Ordination also grundsätzlich auch bei einem Antrag auf Erlassung eines Beschlusses auf vorläufige Kontopfändung nach der EuKoPfVO in Betracht.

3.1 Die Ordination nach § 28 Abs 1 Z 1 JN setzt die internationale Zuständigkeit Österreichs voraus (RIS‑Justiz RS0118239; RS0053178 [T10]; RS0046326; Garber in Fasching/Konecny 3 § 28 JN Rz 22), welche vom Obersten Gerichtshof im Ordinationsverfahren zu prüfen ist (RIS-Justiz RS0046568 [T1]). Dieser ist dabei allerdings an eine darüber bereits ergangene rechtskräftige Entscheidung gebunden (Garber in Fasching/Konecny 3 § 28 JN Rz 25; 2 Nc 17/12s mwN; vgl auch 5 Nc 14/11w [Prüfung der inländischen Gerichtsbarkeit durch den Obersten Gerichtshof, weil die rechtskräftige Klagszurückweisung nur auf örtliche Unzuständigkeit gestützt wurde]).

3.2 Da das Bezirksgericht Linz die internationale Zuständigkeit Österreichs zur Erledigung des Antrags auf Erlassung eines Beschlusses auf vorläufige Kontenpfändung nach der EuKoPfVO rechtskräftig verneinte, was im Ordinationsverfahren zu beachten ist, kann eine Ordination nicht auf § 28 Abs 1 Z 1 JN gestützt werden.

4.1 Als Grundlage für eine Ordination kommt daher nur der Fall des § 28 Abs 1 Z 2 JN in Betracht, wonach die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts durch den Obersten Gerichtshof dann zulässig ist, wenn der Antragsteller seinen Wohnsitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre (so auch RIS-Justiz RS0046320 [T5 und T9]). Diese (in § 28 Abs 1 Z 2 JN genannten) Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Fehlt eine davon, hat eine Ordination nicht zu erfolgen (Garber in Fasching/Konecny³ § 28 JN Rz 68; jüngst 3 Nc 16/17h).

4.2 In ihrem Ordinationsantrag behauptet die Antragstellerin lediglich, die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung in Deutschland sei nicht möglich, weil Deutschland für die vorläufige Kontenpfändung international unzuständig sei. Ihr damit aufrecht erhaltener bisheriger Standpunkt, dass vielmehr Österreich international zuständig sei, steht jedoch in Widerspruch zum rechtskräftigen, für den Obersten Gerichtshof bindenden, Ausspruch des Bezirksgerichts Linz über die fehlende internationale Zuständigkeit Österreichs. Da sonstige Gründe dafür, weshalb der Antragstellerin die Rechtsverfolgung in Deutschland nicht möglich oder unzumutbar sein sollte, nicht aufgezeigt werden, sind auch die Voraussetzungen nach § 28 Abs 1 Z 2 JN für die beantragte Bestimmung eines zuständigen Gerichts nicht erfüllt.

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