European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120703
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit 368,95 EUR (darin enthalten 61,49 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin kündigte den Beklagten die von ihrem Rechtsvorgänger aufgrund eines Nutzungsvertrags aus 1969 bewohnte Wohnung mangels Eintrittsrechts auf.
Die Beklagten wendeten ein, aufgrund der Bestimmungen des Nutzungsvertrags sei die Klägerin verpflichtet gewesen, nach Darlehensrückzahlung und Lastenfreistellung Wohnungseigentum an der Wohnung zu begründen und das Eigentumsrecht an ihren Rechtsvorgänger und später an sie als dessen Rechtsnachfolger zu übertragen.
Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung mit der Begründung für rechtswirksam, dass die vermieteten Wohnräume nach dem Tod des bisherigen Bestandnehmers nicht mehr einem dringenden Wohnbedürfnis der eintrittsberechtigten Beklagten dienten (§ 30 Abs 2 Z 5 MRG). Die Frage, ob die Klägerin den Beklagten Wohnungseigentum verschaffen müsse, sei hier nicht zu prüfen.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und führte ergänzend aus, falle der Nutzungsvertrag infolge Aufkündigung weg, entfalle auch die vertraglich vereinbarte Verpflichtung zur Einräumung von Wohnungseigentum. Zur Frage des Verhältnisses des Anspruchs des Nutzungsberechtigten auf Wohnungseigentumsbegründung nach §§ 15b ff WGG zum Kündigungsrecht der Bauvereinigung nach § 20 Abs 2 WGG ließ das Berufungsgericht die Revision zu.
Die Beklagten berufen sich in der Revision auf die Vereinbarung aus dem Jahr 1969 zwischen ihrem Rechtsvorgänger und der Klägerin, wonach die Klägerin verpflichtet sei, nach Abstattung sämtlicher Darlehen zur Errichtung des Hauses Wohnungseigentum an der Wohnung zu begründen (§ 21 des Nutzungsvertrags). Der (hier vertraglich) Nutzungsberechtigte könne begehren, dass die Wohnung in sein Eigentum übertragen werde. Dies sei geschehen, nur verweigere die Klägerin die Begründung von Wohnungseigentum. Die Beklagten machen in diesem Zusammenhang auch einen Erörterungsmangel geltend. In ihrer Rechtsrüge führen die Revisionswerber aus, das Berufungsgericht habe die Vertragsurkunde und die „anzuwendende Rechtsquelle“ falsch beurteilt. Ein „Herangehen aus der zeitlichen Distanz von rund 50 Jahren unter Außerachtlassung der seinerzeitigen Willenserklärungen“ sei als unrichtige rechtliche Beurteilung zu sehen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist ungeachtet des – für den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:
1. Der behauptete Erörterungsmangel betrifft das Verfahren erster Instanz. In der Berufung haben die Beklagten diesen Mangel nicht geltend gemacht. In der Berufung nicht gerügte Verfahrensmängel erster Instanz können in dritter Instanz aber nicht mehr aufgegriffen werden (RIS‑Justiz RS0074223).
2.1 Selbst wenn das Berufungsgericht zu Recht ausgesprochen haben sollte, die ordentliche Revision sei zulässig, das Rechtsmittel aber nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0102059; RS0080388 [T1]):
2.2 Das Berufungsgericht hat den Nutzungsvertrag dahin ausgelegt, dass durch die darin vorgesehene Verpflichtung zur Begründung von Wohnungseigentum nicht auf die von der Klägerin herangezogenen Kündigungsgründe verzichtet worden sei und daraus abgeleitet, dass die Verpflichtung nur solange bestehe, als der Nutzungsvertrag aufrecht sei. Gegen dieses aus den Umständen des Einzelfalls abgeleitete Auslegungsergebnis zeigt das Rechtsmittel keine stichhältigen Argumente auf, die eine Korrektur der angefochtenen Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof erfordern würden.
2.3 Die Beklagten berufen sich auf ein vertragliches Anwartschaftsrecht auf Begründung und Übertragung von Wohnungseigentum. Ein Anwartschaftsrecht muss ausgeübt werden. Dies erkennen die Beklagten offenbar selbst, indem sie in der Revision ausführen, der Nutzungsberechtigte könne begehren, dass die Wohnung in sein Eigentum übertragen werde. Die Beklagten haben nun im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht, dass entweder ihr Rechtsvorgänger oder sie selbst gegenüber der Klägerin ein solches Begehren vor der Aufkündigung, die bereits mit der Zustellung wirksam wird, gestellt haben. Dass sie im vorliegenden Verfahren das Begehren auf Übertragung von Wohnungseigentum zum Gegenstand ihrer Einwendungen gemacht hätten, behaupten sie in der Revision nicht. Das im Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts angesprochene gesetzliche Anwartschaftsrecht nach §§ 15b ff WGG ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
3. Insgesamt zeigt die Revision keine Rechtsfragen in der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wären. Sie ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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