European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00238.17V.1221.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen traf der Beklagte am 2. 2. 2016 und am 12. 2. 2016 mit einem von der Klägerin beauftragten Privatdetektiv zusammen. Letzteres Treffen fand in einem Gasthaus statt. Der Beklagte bezeichnete in diesen Gesprächen die Klägerin mit vom Erstgericht im Einzelnen näher festgestellten Schimpfworten. Ob im Gasthaus andere Gäste das Gespräch mitgehört haben, konnte das Erstgericht nicht feststellen. Der Privatdetektiv fertigte von beiden Gesprächen heimlich Tonaufzeichnungen an, die er anschließend in Schriftform übertrug.
Die Vorinstanzen gaben dem auf § 1330 ABGB gestützten Begehren auf Unterlassung der inkriminierten Äußerungen statt. Es handle sich um Ehrenbeleidigungen, die keinem Wahrheitsbeweis zugänglich seien. Die Wiederholungsgefahr sei bereits bei einem einmaligen Verstoß zu vermuten.
Nachträglich ließ das Berufungsgericht die Revision mit der Begründung zu, es könne keine oberstgerichtliche Judikatur zu der Rechtsfrage aufgefunden werden, ob der Schutz des absoluten Rechtsguts der Ehre gemäß § 16 ABGB durch Einschleusung eines Privatdetektivs verloren gehe und ob eine Mindestpublizität der Ehrenbeleidigung für Unterlassungsansprüche vorauszusetzen sei.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:
1.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist der zivilrechtliche Schutz der Ehre umfassend und nicht auf die strafrechtlichen Tatbestände (§§ 111 ff StGB) eingeschränkt (vgl Kissich in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.00 § 1330 Rz 3 mwN).
1.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine „Mindestpublizität“ für Ansprüche nach § 1330 ABGB erforderlich, zumal eine Ehrenbeleidigung nach § 1330 Abs 1 ABGB ebenso wie die Rufschädigung nach § 1330 Abs 2 ABGB die Verbreitung der Äußerung voraussetzt. Eine Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB liegt daher vor, wenn sie einem Dritten gegenüber geäußert wird (6 Ob 37/95 mit Verweis auf Korn/Neumayer , Persönlichkeitsschutz 44 f). Damit erfüllt die Mitteilung an zumindest eine vom Täter und Verletzten verschiedene Person das Publizitätserfordernis, wobei die bloße Wahrnehmbarkeit genügt (vgl 6 Ob 249/16k; 6 Ob 37/95; 6 Ob 42/14s).
1.3. Daher reicht es für die erforderliche Mindestpublizität etwa schon aus, dass die beleidigende Mitteilung der Sekretärin des Beleidigten zur Kenntnis gelangt. Zwar wird in ständiger Rechtsprechung betont, die bloß abstrakte Gefahr, dass eine Mitteilung in falsche Hände treten könnte, reiche nicht aus (6 Ob 184/04h; 6 Ob 40/09i). Dabei wird als Beispiel auf die Möglichkeit, dass ein Brief der Sekretärin des Beleidigten zur Kenntnis gelangt, hingewiesen. Aus den zitierten Entscheidungen ergibt sich jedoch, dass zwar die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme durch eine Sekretärin nicht ausreicht, die tatsächliche Kenntnisnahme durch die Sekretärin aber sehr wohl für die Herstellung der vom § 1330 ABGB geforderten Publizität ausreichen würde.
1.4. Rechtlich entscheidend ist zudem nicht die tatsächliche Wahrnehmung durch einen vom Äußernden und Beleidigten verschiedenen Dritten, sondern die Wahrnehmbarkeit. Waren bei einem Gespräch zwischen zwei Personen weitere Personen zugegen, und waren die Äußerungen wahrnehmbar, so kommt es nicht darauf an, ob diese die beleidigende Äußerung auch tatsächlich vernommen haben (6 Ob 101/07g; Kissich aaO § 1330 Rz 21 und 27 mwN). Aus diesem Grund ist die erforderliche Öffentlichkeit für die am 12. 2. 2016 gefallenen Äußerungen schon deshalb zu bejahen, weil diese Äußerungen in einer Gaststube abgegeben wurden, in der auch andere Personen anwesend waren. Dass das Gespräch zwischen dem Beklagten und dem Privatdetektiv derart leise geführt worden wäre, dass eine Wahrnehmbarkeit durch andere Personen von vornherein ausschied, ist den Feststellungen der Vorinstanzen nicht zu entnehmen.
2. Aber auch im Zusammenhang mit den Äußerungen am 2. 2. 2016, bei denen keine weiteren Personen zugegen waren, stellt sich keine erhebliche Rechtsfrage:
2.1. Nach herrschender Auffassung sind in bestimmten Sonderfällen Einschränkungen des Tatbestands des § 1330 ABGB anzuerkennen. So sind Äußerungen im engsten Familienkreis in der Regel als nicht öffentlich zu betrachten (6 Ob 37/95 ua; Kissich aaO Rz 49; Reischauer in Rummel , ABGB 3 § 1330 Rz 26). Der Schutz des Familienlebens (Art 8 Abs 1 MRK) rechtfertigt unbeschwerte (vertrauliche) Äußerungen innerhalb der Familie auch dann, wenn kein berechtigtes Interesse im Sinne des § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB vorliegt, zumindest wenn keine Gefahr der Weiterverbreitung durch unreife Familienmitglieder besteht ( Reischauer aaO; 6 Ob 37/95).
2.2. Voraussetzung dafür ist aber, dass das besondere Naheverhältnis zwischen dem Äußernden und dem Empfänger der Äußerung besteht. Hingegen vermag ein allfälliges Naheverhältnis zwischen dem Empfänger der Äußerung und dem Beleidigten an der Tatbestandsmäßigkeit des § 1330 ABGB nichts zu ändern. In diesem Sinne hat der erkennende Senat daher bereits den Tatbestand des § 1330 ABGB in einem Fall bejaht, in dem die inkriminierten Äußerungen gegenüber der Lebensgefährtin des Beleidigten abgegeben wurden (6 Ob 249/16k). Der Ausnahmetatbestand der „beleidigungsfreien Intimsphäre“ kommt dem Beklagten daher nicht zugute.
2.3. Ausnahmsweise kann die Tatbestands‑ mäßigkeit nach § 1330 ABGB trotz Zugänglichkeit der Äußerung für mehrere Personen auch dann entfallen, wenn nach den konkreten Umständen damit zu rechnen ist, dass keine Weitergabe an außenstehende Personen erfolgen werde, etwa weil dies aufgrund von Geheimhaltungspflichten ( Kissich aaO Rz 49; vgl SZ 35/82 zum Bankgeheimnis) oder aus anderen besonderen Gründen zu erwarten ist. Inwieweit dies bei bloß nach § 1330 Abs 1 zu beurteilenden reinen Ehrenbeleidigungen auch außerhalb des durch Art 8 Abs 1 EMRK geschützten Kreises der engsten Vertrauten (RIS‑Justiz RS0102048) aufrechtzuerhalten bzw – etwa bei juristischen Personen – abzugrenzen ist (krit Kissich aaO) bedarf hier keiner Erörterung, weil schon die von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen für einen solchen Ausnahmefall nicht vorliegen. Solche Umstände wurden von der Rechtsprechung angenommen, wenn eine an eine Gesellschaft gerichtete rufschädigende Nachricht an ein Organ und den leitenden Prokuristen der Gesellschaft zugestellt wurde (6 Ob 184/04h). Gleiches wurde angenommen, wenn die Mitteilung zur Kenntnis einer auch zur Öffnung der Privatpost ermächtigten Chefsekretärin des Beleidigten gelangt (7 Ob 57/64). In der Lehre wird in diesem Zusammenhang jedoch darauf hingewiesen, dass diese Auffassung auf Angestellte in untergeordneten Personen nicht übertragbar sein dürfte ( Kissich aaO Rz 50; offen gelassen in 6 Ob 40/09i).
2.4. Entscheidend ist jedoch in diesem Fall, dass der Mitteilende mit der vertraulichen Behandlung durch den Mitteilungsempfänger rechnen musste (6 Ob 40/09i; 4 Ob 338/87; 6 Ob 37/95 ua). Der bloße Umstand, dass objektiv zwischen dem Empfänger der Äußerung und dem Beleidigten ein (dem Äußernden gar nicht bekanntes) besonderes Naheverhältnis besteht, mag dieses allenfalls auch durch vertragliche Verschwiegenheitspflichten gekennzeichnet sein, reicht demgegenüber noch nicht aus, die Tatbestandsmäßigkeit des § 1330 ABGB zu verneinen. Entscheidend ist vielmehr der sich dem Äußernden bei Abgabe der Äußerung darbietende äußere Eindruck. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war dem Beklagten die Rolle des Privatdetektivs aber gar nicht bekannt; er wurde von ihm zu den abgegebenen Äußerungen auch in keiner Weise provoziert. Dafür, dass der Empfänger der beleidigenden Äußerungen diese allenfalls aufgrund seines zur Beleidigten bestehenden Vertragsverhältnisses nicht weiterverbreiten würde, hatte der Beklagte bei Abgabe seiner Äußerung nicht den geringsten Anhaltspunkt. Damit ist aber die Einschätzung der Vorinstanzen nicht zu beanstanden, dass den inkriminierten Äußerungen die nach § 1330 ABGB erforderliche Mindestpublizität zukam.
3. Damit bedarf es im vorliegenden Fall keines Eingehens auf die Frage, ob aus § 16 ABGB iVm § 1330 ABGB auch ein vorbeugender Unterlassungsanspruch abgeleitet werden kann, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass beleidigende Äußerungen in einer für Dritte wahrnehmbaren Form wiederholt werden. Eine derartige (Erstbegehungs‑)Gefahr wäre jedenfalls gegeben, wenn der Beklagte die Klägerin gegenüber einer von ihm als Außenstehenden angesehenen Person beleidigt, selbst wenn man davon ausginge, dass durch das zwischen der Klägerin und dem Privatdetektiv bestehende Vertragsverhältnis durch die Äußerung selbst die erforderliche Mindestpublizität noch nicht gewährleistet wäre.
4. Zusammenfassend bringt die Revision daher keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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