OGH 6Ob101/07g

OGH6Ob101/07g21.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Stefan P*****, Rechtsanwalt, *****, gegen die beklagte Partei Georg S*****, vertreten durch Dr. Gunther Weichselbaum, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 1.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2007, GZ 18 R 212/06i-19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 28. Juni 2006, GZ 8 C 107/06b-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 266,69 EUR (darin 44,45 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob der Rechtfertigungsgrund der Begehung im engsten Familienkreis auch dann vorliegt, wenn die Beleidigung unmittelbar gegenüber dem Verletzten, aber in Gegenwart (bloß) von Familienmitgliedern erfolgte.

Gegenstand dieses Verfahrens ist der Vorwurf des Klägers, der Beklagte habe ihn mit den Worten „Sie sind wahnsinnig" bezeichnet. Diese Äußerung sei im Zuge einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den Parteien gefallen, welche vermutlich auch die Ehegattin des Klägers gehört haben dürfte. Der Beklagte habe dem Kläger zu Unrecht vorgeworfen, dessen Hund habe an der Grundstücksgrenze des Beklagten seine Notdurft verrichtet.

Das Kläger begehrt - gestützt auf § 1330 ABGB - die Unterlassung dieser und ähnlicher Bezeichnungen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, das Berufungsgericht wies es hingegen ab.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist im Hinblick auf § 1330 Abs 2 ABGB die Verbreitung rufschädigender, wahrheitswidriger Tatsachenbehauptungen verboten; unter „Verbreiten" ist dabei jede Mitteilung einer Tatsache an einen vom Verletzten verschiedenen Dritten zu verstehen (4 Ob 320/77 = SZ 50/86 = ÖBl 1978, 3 [Schönherr]; RIS-Justiz RS0031781). Der Oberste Gerichtshof hat aber außerdem bereits ausgesprochen, dass auch eine Ehrenbeleidigung nach § 1330 Abs 1 ABGB die Verbreitung der Äußerung (also die Mitteilung an zumindest eine vom Täter und Verletzten verschiedene Person) voraussetzt (6 Ob 37/95 = SZ 69/12; 6 Ob 50/50/01y; 6 Ob 165/01k). Er hat dies damit begründet, dass unter Ehre der aus der Personenwürde entspringende, jedermann zukommende Anspruch auf achtungsvolle Behandlung durch andere zu verstehen sei;

aus dieser Begriffsbestimmung ergebe sich, dass eine Ehrverletzung nur vorliegen kann, wenn sich durch sie an der Einschätzung des Verletzten durch seine Umwelt etwas geändert habe oder ändern könne;

ein Schadenseintritt sei nur denkbar, wenn die ehrenbeleidigende Äußerung der Umwelt (also nicht nur dem Verletzten selbst) zur Kenntnis gelangt und diese Umwelt dem Verletzten dann nicht mehr die gebotene achtungsvolle Behandlung entgegenbringt; die Gefahr eines Schadens sei nicht denkbar, wenn die Umwelt von der Ehrenbeleidigung keine Kenntnis erlangt bzw erlangen kann (6 Ob 37/95).

2. Die Verbreitung der Ehrenbeleidigung im Sinne einer Mitteilung an eine vom Täter und Verletzten verschiedene Person hat der Verletzte zu beweisen. Dieser Beweis ist dem Kläger jedoch nicht gelungen. Er hat nicht einmal diesbezügliche Behauptungen aufgestellt; nach diesen „dürfte" (lediglich) seine Ehegattin die Äußerungen gehört haben. Der Oberste Gerichtshof hat zwar in der Entscheidung 3 Ob 295/52 (= SZ 25/169) ausgeführt, wenn bei dem Gespräch zwischen Täter und Verletzten weitere Personen zugegen sind, komme es nicht darauf an, ob diese anderen Personen die Äußerung auch vernommen haben; es reiche ihre Wahrnehmbarkeit aus. Dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt lässt sich aber nicht entnehmen, ob die Äußerung des Beklagten für die Ehegattin des Klägers überhaupt wahrnehmbar gewesen wäre. Damit kommt es auf die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage gar nicht, hat doch nicht einmal ein Familienmitglied die Äußerung des Beklagten gehört.

3. Dass es sich - wie der Kläger in seiner Revision meint - um ein Gespräch auf offener Straße handelte, wobei jederzeit Passanten hätten vorbeikommen oder sich auch Nachbarn in ihren Gärten hätten aufhalten können, reicht ebenfalls nicht aus; es müsste schon eine konkrete Wahrnehmbarkeit vorhanden gewesen sein.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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