European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00184.17W.1221.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Liegt das Verschulden eines Rechtsanwalts in der nicht rechtzeitigen Vornahme einer Prozesshandlung (hier verspätete Einbringung einer außerordentlichen Revision in einem Amtshaftungsverfahren) ist über einen daraus abgeleiteten Schadenersatzanspruch der Prozess hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte, wenn die Prozesshandlung rechtzeitig vorgenommen worden wäre (RIS‑Justiz RS0022706).
2. Soweit dem Höchstgericht die Überprüfung bekämpfter Entscheidungen – nach den Verfahrensvorschriften – nur in eingeschränktem Ausmaß möglich ist, können Amtshaftungsansprüche aus einem nicht überprüfbaren Verhalten der Vorinstanzen geltend gemachten werden (RIS‑Justiz RS0102269 [T2]; RS0077496).
3. Aus einer unrichtigen Beweiswürdigung eines Richters kann grundsätzlich kein Amtshaftungsanspruch abgeleitet werden, es sei denn, es läge Willkür vor, weil sich der Richter über wesentliche Verfahrensergebnisse ohne ersichtlichen Grund hinweggesetzt hat (RIS‑Justiz RS0049947).
4. Im Amtshaftungsverfahren verneinten Erst- und Berufungsgericht eine willkürliche Beweiswürdigung, die der Kläger dem Erstrichter des Anlassverfahrens (Rückforderung von Spielverlusten) zum Thema der Diskretions‑ und Dispositionsfähigkeit bei den einzelnen Glücksspielverträgen vorgeworfen hatte. Der Erstrichter des Anlassverfahrens, der dem Klagebegehren im ersten Rechtsgang wegen angenommener Diskretions- und Dispositionsunfähigkeit teils stattgegeben hatte, führte im zweiten Rechtsgang nach Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichts eine mündliche Gutachtensergänzung mit dem bereit bestellten Sachverständigen durch und traf auf Basis dieser Ergänzung jene Negativfeststellungen, die letztlich zum (teils) negativen Ausgang des Anlassverfahrens für den Kläger führten. Seine Beweiswürdigung beruhte auf sachlichen Erwägungen ohne greifbaren Anhaltspunkt für Willkür. Die disziplinarrechtliche Verurteilung des Erstrichters war Folge seiner Äußerungen über die Mitglieder jenes Berufungssenats, die seine Entscheidung aufgehoben hatten, und ist für die Beurteilung von Willkür ohne Bedeutung.
5. Nach Meinung des Klägers hat das Erstgericht im Anlassverfahren gegen § 499 Abs 2 ZPO verstoßen, weil es den Aufträgen des Berufungsgerichts im Aufhebungsbeschluss nicht nachgekommen sei. Dem Berufungsgericht wirft er vor, diesen im zweiten Rechtsgang gerügten Mangel auf unvertretbare Weise verneint zu haben. Das Erstgericht ist aber nur an die rechtliche Beurteilung des Aufhebungsbeschlusses gebunden, nicht an die dort etwa geäußerten Ansichten zur Beweiswürdigung. Eine nachvollziehbar vorgenommene Änderung der Beweiswürdigung verstößt nicht gegen die Bindungswirkung des § 499 Abs 2 ZPO (RIS‑Justiz RS0117141) .
6. Angesichts der Verfahrensergebnisse in Anlass‑ und Amtshaftungsverfahren ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass auch die rechtzeitige Einbringung einer außerordentlichen Revision nichts am negativen Ausgang des Amtshaftungsprozesses geändert hätte, nicht zu korrigieren.
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