OGH 7Ob178/17b

OGH7Ob178/17b29.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Dr. C* H*, vertreten durch Dr. Gerhard Schatzlmayr LL.M., Rechtsanwalt in Schwanenstadt, gegen den Gegner der gefährdeten Partei Dipl.‑Ing. J* H*, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, wegen einstweiliger Verfügung nach §§ 382b und 382e EO, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 14. Juni 2017, GZ 21 R 91/17g‑34, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120358

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird gemäß §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Ob ein bestimmtes Verhalten einer Person den an sie gerichteten Auftrag zum Verlassen der Wohnung gemäß § 382b EO rechtfertigt, ist, weil dabei immer die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind, grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0118857; RS0123926). Diese Einzelfallbeurteilung der Vorinstanzen ist jedenfalls vertretbar:

Maßgeblich für die Beurteilung der Unzumutbarkeit eines weiteren Zusammenlebens nach § 382b EO, aber auch des Zusammentreffens nach § 382e EO sind Ausmaß, Häufigkeit und Intensität der bereits – auch schon länger zurückliegenden – angedrohten oder gar verwirklichten Angriffe sowie bei – ernst gemeinten und als solche verstandenen – Drohungen die Wahrscheinlichkeit deren Ausführung (RIS‑Justiz RS0110446).

Dass die Drohungen des Antragsgegners hier teilweise schon länger zurücklagen, hindert daher – entgegen seinem Rechtsmittelvorbringen – nicht deren Einbeziehung in die Beurteilung.

2. Gerade die im Rechtsmittel zitierte Entscheidung 9 Ob 286/01a, weist auf die Entschärfung der Voraussetzungen durch das Gewaltschutzgesetz, BGBl 1996/759, und auch darauf hin, dass ein effektiver physischer Angriff oder die Drohung damit ausreichen. Nach der Judikatur entspricht jeder körperliche Angriff und jede ernsthafte und substanzielle Drohung mit einem solchen dem Unzumutbarkeitserfordernis. Als Verfügungsgrund genügt so bereits eine einmalige und ihrer Art nach nicht völlig unbedeutende tätliche Entgleisung, weil das persönliche Recht auf Wahrung der körperlichen Integrität absolut wirkt (RIS‑Justiz RS0110446 [T5]).

Das Verhalten des Antragsgegners war immer wieder aggressiv. Er ohrfeigte die Antragstellerin zu Beginn der Ehe 2009 und drohte ihr im Juli 2015 mit einem Faustschlag ins Gesicht und im Mai 2014, am 18. 1. 2016 und am 30. 5. 2016 mit dem Umbringen. Entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers kann beim Vorfall vom 23. 9. 2016 im Wegschieben der Antragstellerin mit solcher Vehemenz, dass sie dabei auf die Couch fiel, keineswegs von einem „gelindesten Mittel“, um ihren Angriff („Griff ins Gesicht“) abzuwehren, und daher von einer „bloßen Abwehrhandlung“ gesprochen werden. Im Zusammenhalt mit seinem sonstigen Verhalten ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dies rechtfertige die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO, nicht zu beanstanden.

3. Die Relevanz einer Verzeihung ist – anders als bei der Scheidung in § 56 EheG – gesetzlich nicht angeordnet. Selbst dort ist aber nach der Judikatur – und entgegen dem wiederholten Vorbringen des Rechtsmittelwerbers – ein nachfolgender Geschlechtsverkehr für sich keineswegs als Verzeihung zu werten, sondern nur im Zusammenhang mit dem Gesamtverhalten, das hier jedenfalls kein ausreichendes Substrat für eine Verzeihung ergibt, zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0057075; vgl auch Aichhorn in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe‑ und Partnerschaftsrecht, § 56 EheG Rz 6 mit weiteren Hinweisen auf die Judikatur). Auf die Frage braucht daher nicht weiter eingegangen werden.

Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

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