OGH 1Ob114/06f

OGH1Ob114/06f11.7.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Markus N*****, und 2. Zäzilia N*****, vertreten durch Dr. Paul Fuchs, Rechtsanwalt in Thalheim bei Wels, gegen die beklagten Parteien 1. Hildegard Z*****, und 2. Josef Z*****, vertreten durch Dr. Josef Hofer und Mag. Dr. Thomas Humer, Rechtsanwälte in Wels, wegen Feststellung und Einwilligung (Streitwert EUR 30.000), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. März 2006, GZ 2 R 18/06i-19, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 17. November 2005, GZ 5 Cg 61/05b-7, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit EUR 1.729,02 (darin enthalten EUR 288,18 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagten sind bzw waren Miteigentümer der Grundstücke Nr 263 und 265/1. Auf dem Grundstück Nr 263 war für die Zwecke des Grundstücks Nr 265/1 eine gut sichtbare, „ins Auge fallende" Brunnenanlage errichtet worden. 1995 übereigneten die Beklagten das Grundstück Nr 265/1 schenkungsweise ihrem Sohn, der es 2004 an die Kläger verkaufte. Noch vor 1995 hatten die Beklagten unter anderem hinsichtlich des Grundstücks Nr 263 zu Gunsten ihres Sohnes einen Übergabsvertrag auf den Todesfall errichtet; gleichzeitig hatten sie ihrem Sohn ein Veräußerungs- und Belastungsverbot eingeräumt. Die Kläger wussten beim Kauf des Grundstücks 265/1, dass das für diese Liegenschaft benötigte Wasser aus der auf dem Grundstück 263 der Beklagten befindlichen Brunnenanlage bezogen wird.

Die Kläger begehrten die Feststellung, dass zu Gunsten ihres Grundstücks Nr 265/1 die Dienstbarkeit des Wasserbezugsrechts vom Grundstück Nr 263 bestehe, und seien die Beklagten schuldig, ihre Einwilligung zur Einverleibung dieser Dienstbarkeit zu erteilen. Die Beklagten wendeten ein, es sei keine Dienstbarkeit begründet worden und stehe das ihrem Sohn eingeräumte Belastungs- und Veräußerungsverbot dem Klagebegehren entgegen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist unzulässig.

Wie bereits das Berufungsgericht richtig erkannt hat, entsteht nach einhelliger und ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofs, die von der Lehre überwiegend gebilligt wurde, bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von denen eine offenkundig der anderen dient und weiterhin dienen soll, eine Dienstbarkeit auch ohne spezifische Vereinbarung und Verbücherung. Auf diese Weise kann die Dienstbarkeit für den Erwerber des herrschenden Grundstücks, aber auch für den Veräußerer des dienenden Grundstücks begründet werden. Dabei wird angenommen, dass der mittels des Übertragungsakts tatsächlich geschaffene Zustand der Natur einer Dienstbarkeit entspricht und die Dienstbarkeit somit unmittelbar durch den Übertragungsakt entsteht, weil im Zweifel anzunehmen ist, dass ein bestehender Zustand aufrecht bleiben und demnach die Eigentümerbefugnis als Grunddienstbarkeit fortbestehen soll. Dies muss insbesondere gelten, wenn der Eigentümer zweier Grundstücke auf einem Grundstück Anlagen - hier eine Brunnenanlage - für Zwecke des anderen Grundstücks geschaffen hat (1 Ob 84/03i mwN; NZ 2001, 372 mwN; 6 Ob 80/98b; 1 Ob 2419/96h; SZ 63/73; 6 Ob 668/90; JBl 1990, 584; JBl 1989, 721; SZ 57/38; Kiendl-Wendner in Schwimann, ABGB3 § 480 Rz 3 und § 481 Rz 7; Hofmann in Rummel, ABGB3 § 480 Rz 2). Entstand die Dienstbarkeit durch die Übereignung, also ohne vertragliche Grundlage und außerbücherlich, bedurfte es - entgegen den Revisionsausführungen - für die Begründung der Dienstbarkeit weder eines Titels noch eines modus. Schon in der Entscheidung SZ 34/128 wurde in diesem Sinn ausgesprochen, dass es sich um eine unmittelbare Entstehung einer Dienstbarkeit durch den Übertragungsakt handelt und nicht - wie die Revisionswerber meinen - um eine solche durch konkludenten Vertrag, kommt doch dem durch den Übertragungsakt geschaffenen tatsächlichen Zustand bereits die Rechtsnatur einer Dienstbarkeit zu. Die Beklagten und deren Sohn hätten freilich etwas anderes ausdrücklich oder schlüssig vereinbaren können, etwa dass das Entstehen einer Dienstbarkeit ausgeschlossen wird (JBl 1989, 721). Anhaltspunkte für den Abschluss einer solchen Vereinbarung - oder gar eine dementsprechende Feststellung - liegen aber nicht vor. Dem Umstand, dass die Beklagten keine Dienstbarkeit des Wasserbezugsrechts hätten begründen wollen, wenn sie bereits bei der Schenkung gewusst hätten, dass das von ihrem Sohn auf der schenkungsweise übergebenen Liegenschaft betriebene Unternehmen späterhin in Konkurs verfallen und die Liegenschaft 2004 im Zuge eines Konkursverfahrens an die Kläger verkauft werden sollte, kann keine Relevanz zukommen.

Richtig ist, dass grundsätzlich ein Veräußerungs- und Belastungsverbot der Begründung von Dienstbarkeiten entgegensteht. Ein Veräußerungs- und Belastungsverbot hindert aber nicht das Entstehen von Dienstbarkeiten, die nicht auf vertraglicher Grundlage beruhen, sondern (ex lege) unmittelbar entstehen (vgl SZ 49/31). In solchen Fällen steht ein vertragliches Veräußerungs- und Belastungsverbot - selbst wenn es verdinglicht ist - der Einverleibung der Dienstbarkeit nicht entgegen, da auch der Verbotsberechtigte Adressat der zu Grunde liegenden rechtsbeschränkenden oder - entziehenden Norm ist (Oberhammer in Schwimann, ABGB3, § 364c Rz 18; vgl SZ 73/192). Demnach kann auch ein in einem Übergabsvertrag auf den Todesfall vereinbartes Veräußerungs- und Belastungsverbot das Entstehen einer Grunddienstbarkeit nicht hindern, wenn - wie hier - eine von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers übereignet wird und eine der Liegenschaften offenkundig der anderen dient und weiter dienen soll. Ein solches Veräußerungs- und Belastungsverbot ist im Zweifel nur dahin zu verstehen, dass weitere Belastungen nicht mehr entstehen dürfen, das Verbot jedoch „eine als entstehend angenommene" Servitut nicht betrifft (JBl 1989, 721). In Fällen, in welchen die dienende Funktion des zurückbehaltenen Grundstücks für das übergebene bzw veräußerte Grundstück unbestrittenermaßen offenkundig war bzw ist, besteht ungeachtet des vertraglich vereinbarten, das dienende Grundstück betreffenden Belastungs- und Veräußerungsverbots eine entsprechende Dienstbarkeit (JBl 1989, 721).

Mit diesen Grundsätzen steht die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts im Einklang. Das auf dem Grundstück Nr 263 einverleibte Belastungsverbot hindert die Eintragung der Grunddienstbarkeit des Wasserbezugsrechts nicht. Die Beklagten müssen vielmehr diese - schon anlässlich der Übergabe des Grundstücks Nr 265/1 an ihren Sohn entstandene - Dienstbarkeit auch im Verhältnis zu den Klägern als spätere Erwerber dieses Grundstücks gelten lassen. Die Zustimmung des verbotsberechtigten Sohns der Beklagten zur Einverleibung der Dienstbarkeit ist nicht erforderlich. Die Vorinstanzen haben daher zutreffenderweise dem auf Feststellung der Dienstbarkeit sowie auf Einwilligung der Beklagten zur Einverleibung dieser Dienstbarkeit gerichteten Klagebegehren Folge gegeben. Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts ist eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen. Dies führt zur Zurückweisung der Revision als unzulässig. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Kosten der Revisionsbeanwortung sind zuzusprechen, da die Kläger auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen haben (RIS-Justiz RS0035979).

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