OGH 12Os117/17y

OGH12Os117/17y16.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Rechtshörers Biley als Schriftführer in der Strafsache gegen Fabian H***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des genannten Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 11. August 2017, GZ 144 Hv 17/17a‑53, sowie über dessen Beschwerde gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO, GZ 144 Hv 17/17a-54, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00117.17Y.1116.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Fabian H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuld‑ und Freisprüche weiterer Angeklagter enthält, wurde Fabian H***** des Verbrechens des Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1 StGB (vgl jedoch 12 Os 58/15v, EvBl 2016/14, 84; I./A./1./) sowie der Vergehen der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (I./A./2./), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I./B./) und der falschen Beweisaussage nach §§ 12 zweiter Fall288 Abs 1 und Abs 4 StGB (I./C./) schuldig erkannt.

Nach dem Schuldspruch hat/haben – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant –

I./ Fabian H***** am 16. September 2016 in W*****

A./ versucht,

1./ mit Gewalt gegen Personen und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Marcel B***** und Florian R***** fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz wegzunehmen und abzunötigen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er wiederholt die Herausgabe von Geld forderte, wobei er äußerte, dass er auch anders könne, und diese Drohung durch einen Tritt gegen den Kopf des Florian R***** unterstrich;

2./ Marcel B***** mit Gewalt zur Unterlassung der Anzeigeerstattung zu nötigen, indem er zu ihm sagte „keine Polizei“ und ihm einen Faustschlag gegen den Kopf versetzte;

B./ durch die unter I./A./2./ genannte Tat Marcel B***** vorsätzlich am Körper verletzt, wobei das Opfer eine Schädelprellung erlitt;

C./ Dominic P***** zu der unter II./B./1./ genannten Handlung bestimmt, indem er ihn aufforderte, er solle vor der Polizei nichts sagen;

II./ Dominic P***** in W*****

...

B./ am 21. September 2016

1./ als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei falsch ausgesagt, indem er gegenüber den vernehmenden Beamten betreffend die unter I./ genannten Handlungen befragt sinngemäß angab, sie hätten Marcel B***** und Florian R***** nur nach deren Befinden befragt und seien nicht an dem Raub beteiligt gewesen; ...

Dagegen richtet sich die auf Z 5, Z 5a und Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Fabian H*****, der keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) liegt nur vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431). Soweit die Rüge zu I./A./1./ ausführt, es wäre für den Rechtsmittelwerber ein Leichtes gewesen, dem volltrunkenen Florian R***** die Geldbörse wegzunehmen, falls es ihm tatsächlich um einen Raub gegangen wäre, richtet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

Gewalt und Drohung sind beim Verbrechen des Raubes rechtlich gleichwertige Begehungsformen. Es handelt sich um einen alternativen Mischtatbestand (RIS‑Justiz RS0093803). Soweit die weitere Mängelrüge zu I./A./1./ des Schuldspruchs lediglich die Feststellungen zur Begehungsvariante der Gewalt bekämpft, spricht sie somit keine entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0116655).

Indem die Mängelrüge (Z 5) zu I./C./ des Schuldspruchs ausführt, der Nichtigkeitswerber hätte den Angeklagten Dominic P***** niemals aufgefordert, als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren falsch auszusagen, versucht sie lediglich der leugnenden Verantwortung des Erstangeklagten zum Durchbruch zu verhelfen, ohne eine Anfechtungskategorie dieses Nichtigkeitsgrundes anzusprechen.

Soweit die Beschwerdeschrift behauptet, „Sage nichts!“ wäre keine Aufforderung im Sinne der erstgerichtlichen Annahme und auch viel zu unbestimmt, (inhaltlich Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO), orientiert sie sich nicht an den Konstatierungen, wonach der Rechtsmittelwerber Dominic P***** vor dem Eintreffen der Polizei am Tatort dazu aufforderte, dass er dieser nichts sagen solle, und dabei beabsichtigte, ihn dazu zu veranlassen, bei seiner förmlichen Vernehmung als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei oder der Staatsanwaltschaft zur Sache falsch auszusagen (US 8).

Auch das weitere Vorbringen zu I./C./ des Schuldspruchs, Dominic P***** wäre Beschuldigter gewesen, sodass für ihn eine Zeugenaussage gar nicht in Frage kam (inhaltlich Z 9 lit a), orientiert sich gleichfalls nicht am festgestellten Sachverhalt (US 8) und verfehlt damit die prozessordnungskonforme Ausführung einer Rechtsrüge (RIS‑Justiz RS0099810).

Z 5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern (RIS‑Justiz RS0118780). Diesen Anfechtungsrahmen verlässt der Angeklagte, indem er bloß auf die vom Zeugen Marcel B***** abgegebene Täterbeschreibung verweist und behauptet, sie würde auf ihn nicht zutreffen (vgl aber US 9 f), jedoch außer Acht lässt, dass das Opfer den Rechtsmittelwerber nicht nur unmittelbar am Tatort gegenüber der Polizei, sondern auch in der Hauptverhandlung zweifelsfrei identifizieren konnte (US 9).

Das Vorbringen, der Erstangeklagte hätte keinesfalls eine halbe Stunde auf die Polizei gewartet, sofern er tatsächlich schuldig gewesen wäre, bekämpft neuerlich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung.

Die Behauptung der Subsumtionsrüge (Z 10), der Angeklagte wäre zu I./A./1./ allenfalls wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15 Abs 1, 127 StGB zu verurteilen, orientiert sich nicht am festgestellten Sachverhalt und verfehlt damit die prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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