OGH 10ObS68/17y

OGH10ObS68/17y14.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Schramm und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gabriele Griehsel (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Sebastian Mairhofer, Mag. Martha Gradl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Kostenübernahme, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 13. März 2017, GZ 11 Rs 14/17h‑10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 25. Oktober 2016, GZ 36 Cgs 114/16b‑6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00068.17Y.1114.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt im Jahr 1986 einen Motorradunfall, bei dem er ein Bein verlor. Zuletzt erhielt der Kläger vor 15 Jahren eine (nunmehr veraltete) Oberschenkelprothese. Mit dieser ist das Steigen von Stiegen aufwärts nicht möglich, abwärts bringt das Stiegensteigen eine erhebliche Mehrbelastung und große Anstrengung mit sich. Dabei wird insbesondere das bestehende Bein samt Gelenken stark belastet. Darüber hinaus besteht mit der derzeitigen Prothese ein erhebliches Sturzrisiko, das sich bereits mehrmals verwirklicht hat. Aufgrund der körperlichen Mehrbelastung durch die gestreckte Prothese treten beim Kläger zudem erhebliche Abnützungserscheinungen auf. Da die Prothese nicht wasserfest ist, kann man damit nicht duschen. Der Kläger übt zwei Berufe aus und ist regelmäßig im Ausland tätig.

Dem Kläger wurde am 20. 10. 2015 eine Oberschenkelprothese mit Genium X3 Kniegelenk ärztlich verordnet. Durch diese Prothese kann sein bereits vorgeschädigter Körper entlastet, der Bewegungsapparat geschont, das Auftreten (weiterer) gesundheitlicher Schäden hintangehalten und die bestehende (erhöhte) Sturzgefahr verringert werden. Der Kläger kann mit dieser Prothese weitere Strecken mit wesentlich weniger Ermüdungserscheinungen zurücklegen und schiefe Ebenen sowie Treppen überwinden. Die Oberschenkelprothese mit Genium X3 Kniegelenk erlaubt „entspannteres“ Stehen auf abschüssigem Gelände. Mit ihr wird eine symmetrische Schrittlänge mit natürlichem Gangbild sowie die Möglichkeit der Abwinkelung des Kniegelenks erreicht. Dadurch wird die Stoßbelastung beim Auftreten reduziert. Ein vollflächiger Fußkontakt ist daher möglich und reduziert die Gefahr des Wegrutschens. Die Prothese ist wasserfest. Der Preis für eine derartige Prothese beträgt 82.265,32 EUR.

Mit Schreiben vom 14. 3. 2016 teilte die Pensionsversicherungsanstalt der Beklagten mit, dass – auch von ihr – die Kosten für die beantragte Prothese mit Genium X3 Kniegelenk nicht übernommen würde. Alternativ (vorbehaltlich einer Ganganalyse) biete sie dem Kläger jedoch eine Neuversorgung mit einer Oberschenkelprothese mit C‑Leg Kniegelenk an. Auch durch diese Prothese kann der bereits vorgeschädigte Körper des Klägers entlastet, der Bewegungsapparat geschont, das Auftreten (weiterer) gesundheitlicher Schäden hintangehalten und die bestehende (erhöhte) Sturzgefahr verringert werden. Der Kläger wurde von der Beklagten auf diese von der Pensionsversicherungsanstalt angebotene Möglichkeit hingewiesen, bestand jedoch gegenüber der Beklagten auf Ausstellung eines Bescheids.

Mit Bescheid vom 12. 7. 2016 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Kostenübernahme für eine Oberschenkelprothese mit Genium X3 Kniegelenk ab. Eine Versorgung mit einem solchen Hilfsmittel im Sinn des § 154 ASVG stelle – infolge des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs mit der Krankenbehandlung – keine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation im Sinn des § 154a ASVG dar. Der höchstmögliche Kostenzuschuss für dieses Hilfsmittel betrage nach der Satzung der Beklagten 3.100 EUR (das 20‑fache der täglichen Höchstbeitragsgrundlage für 2015).

Mit seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt der Kläger die Übernahme der Kosten für die Anschaffung einer Oberschenkelprothese mit Genium X3 Kniegelenk in vollem Umfang, hilfsweise im gesetzlichen Umfang durch die Beklagte. Die Oberschenkelprothese mit Genium X3 Kniegelenk sei ihm ärztlich verordnet worden, sie sei notwendig und zweckmäßig. Die im Gesetz genannte Voraussetzung des zeitlich unmittelbaren Anschlusses an die Heilbehandlung sei verfassungswidrig und unsachlich. Sie würde bedeuten, dass die Beklagte für den Kläger lediglich die Kosten von Prothesen im technischen Stand von 1986 zu übernehmen hätte, während ein zu einem späteren Zeitpunkt verunfallter Versicherter wesentlich modernere Prothesen erhielte. Die Wortfolge „im Anschluss an die Krankenbehandlung“ in § 154a Abs 1 ASVG sei lediglich einschränkend als Verbot der gleichzeitigen Gewährung von Krankenbehandlung und Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation zu verstehen. Bei Prothesen habe auch eine nachträgliche Ersatzbeschaffung zu erfolgen, weil sie Körperersatzstücke im Sinn des § 154 ASVG seien. Nach den Richtlinien des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger sei automatisch ein Rehabilitationsverfahren gemäß § 154a ASVG einzuleiten und die Rehabilitation nach dem jeweiligen technischen Stand der Zeit durchzuführen.

Die Beklagte wandte dagegen ein, dass der Anspruch des Klägers viele Jahre nach Abschluss der Krankenbehandlung keine gesetzliche Grundlage in § 154a ASVG habe.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Beklagte schuldig sei, die Kosten für die Anschaffung einer Oberschenkelprothese mit Genium X3 Kniegelenk durch den Kläger im satzungsgemäßen Umfang zu übernehmen und wies das Mehrbegehren ab. Die 30 Jahre nach der Beinverletzung des Klägers ohne Anknüpfung an eine verletzungsbedingte Heilbehandlung angestrebte prothetische Versorgung stelle keine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation gemäß § 154a ASVG dar. Es fehle am entsprechenden zeitlichen Konnex zwischen Krankenbehandlung und Rehabilitation. Das Begehren des Klägers sei daher als Kostenübernahmebegehren im Sinn des § 154 ASVG anzusehen. Da die Oberschenkelprothese mit Genium X3 Kniegelenk als geeignetes Hilfsmittel anzusehen sei, gebühre dem Kläger ein Kostenzuschuss entsprechend der Satzung der Beklagten in Höhe von 3.100 EUR.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Gegenstand des Berufungsverfahrens sei nur mehr die Frage der Anwendbarkeit des § 154a ASVG. Der vorliegende Sachverhalt sei dem zu 10 ObS 168/12x entschiedenen vergleichbar. Diese Entscheidung sei von der herrschenden Lehre gebilligt worden. Die vereinzelt daran geübte Kritik überzeuge nicht: § 154a ASVG intendiere die unmittelbar nach der Krankenbehandlung folgende medizinische Rehabilitation, nicht jedoch eine fortlaufende medizinische Rehabilitation. Es sei insofern von einer „zeitlichen Befristung“ der Rehabilitationsmaßnahmen auszugehen. Eine Ersatzbeschaffung im Sinn einer fortlaufenden Versorgung (§ 154 Abs 2 Z 2 ASVG) liege nicht vor, weil es sich bei der Oberschenkelprothese mit Genium X3 Kniegelenk um eine wesentlich höherwertige Versorgung handle. Für die vom Kläger begehrte prothetische Versorgung komme daher nur ein Kostenzuschuss in Betracht.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil die bisher einzige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Notwendigkeit eines zeitlichen Zusammenhangs einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation in der Lehre nicht auf ungeteilte Zustimmung gestoßen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen dieses Urteil erhobene und von der Beklagten beantwortete Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

1.1 Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der vorliegende Sachverhalt mit dem zu 10 ObS 168/12x, SSV‑NF 27/11, entschiedenen vergleichbar ist. Der Oberste Gerichtshof hat im damaligen Fall den Anspruch der Klägerin gemäß § 154a ASVG vor allem mit dem Argument verneint, dass zwischen der Krankenbehandlung und medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation ein entsprechender zeitlicher Konnex bestehen muss (RIS‑Justiz RS0128669), an dem es fehle. Der erforderliche zeitliche Konnex liegt auch im nunmehr zu beurteilenden Sachverhalt nicht vor.

1.2 In der Entscheidung 10 ObS 168/12x heißt es auszugsweise:

„3.1 Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass die Krankenversicherungsträger nach § 154a Abs 1 ASVG, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder die Folgen der Krankheit zu erleichtern, 'im Anschluss an die Krankenbehandlung' nach pflichtgemäßem Ermessen und nach Maßgabe des § 133 Abs 2 ASVG medizinische Maßnahmen der Rehabilitation gewähren, und zwar mit dem Ziel, den Gesundheitszustand der Versicherten und ihrer Angehörigen soweit wiederherzustellen, dass sie in der Lage sind, in der Gemeinschaft einen ihnen angemessenen Platz möglichst dauernd und ohne Betreuung und Hilfe einzunehmen.

3.2 Die medizinische Rehabilitation ist somit im Anschluss an eine Krankenbehandlung zur Sicherung ihres Erfolgs oder zur Folgenerleichterung derart zu gewähren, dass der Versicherte durch Verbesserung seines Gesundheitszustands in die Lage versetzt wird, einen angemessenen Platz in der Gemeinschaft möglichst dauernd und ohne Betreuung und Hilfe einzunehmen. Die zeitliche Aneinanderreihung von Krankenbehandlung und medizinischer Rehabilitation wurde für nötig erachtet, um Leistungsvoraussetzungen zu schaffen und ein Unterlaufen der Vorschriften über den Arzneimittel‑Erstattungskodex, Kostenbeteiligungen und kassenfreien Raum im Kurativbereich zu verhindern. Es muss also die Krankenbehandlung abgeschlossen sein, ehe die medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation beginnen. Andererseits muss aber zwischen der Krankenbehandlung und der Rehabilitation ein entsprechender zeitlicher Konnex bestehen (vgl Binder in Tomandl, SV‑System 21. ErgLfg 264/47 mwN). Die medizinische Rehabilitation schließt optimalerweise an die akutmedizinische Versorgung an und steht mit dieser im ursächlichen zeitlichen Zusammenhang. Die Gewährung von ärztlicher Hilfe, Heilmittel, Heilbehelf als Rehabilitationsmaßnahme kommt daher nur im unmittelbaren Anschluss an eine Krankenbehandlung in Betracht (vgl in diesem Sinne auch die Bestimmung des § 154a Abs 2 Z 3 ASVG; Kindermann, Kann die medizinische Rehabilitation eine Pflichtleistung der Krankenversicherung werden?, SozSi 1992, 547 f).“

2.1 Die Entscheidung 10 ObS 168/12x fand in der Literatur weit überwiegend – wenn auch teilweise nicht näher begründete – Zustimmung (ausführlich Felten/Mosler, Grenzen der Krankenbehandlung, DRdA 2015, 476 [487]; Felten in Tomandl, SV‑System [29. ErgLfg] 2.2.3.5, 245; Windisch‑Graetz in SV‑Komm [156. Lfg] § 154 Rz 11; Schober in Sonntag, ASVG8 § 154a Rz 1; Poperl, ASVG 2. Teil [54. Lfg], §§ 154 bis 155 Rz 15). Kritik an dieser Entscheidung übte lediglich Weißensteiner (C‑Leg‑Kniegelenksprothese als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation? DRdA 2013/52, 517 [519 ff]); damit hat sich bereits das Berufungsgericht auseinandergesetzt.

2.2 Weißensteiner greift die Gedanken der auch in der Entscheidung 10 ObS 168/12x zitierten Autoren Binder und Kindermann (s oben) auf, dass neben der gesetzlichen Konzeption eine gesundheitspolitische Sicht bereits ein begleitendes Einsetzen der Rehabilitation fordere. § 154a ASVG sei daher „nicht zu eng“ zu deuten. Die Wortfolge in § 154a Abs 1 ASVG „im Anschluss an die Krankenbehandlung“ dürfe daher nicht als „unmittelbarer“ Anschluss an die Krankenbehandlung interpretiert werden. Dies würde Versicherte von medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen aus der Krankenversicherung ausschließen, die noch länger berufstätig sein wollten und könnten.

2.3 Der Oberste Gerichtshof sieht sich durch diese Kritik nicht veranlasst, von den in der Entscheidung 10 ObS 168/12x dargelegten Grundsätzen abzugehen. Schon nach dem Wortlaut des § 154a Abs 1 ASVG sind medizinische Maßnahmen der Rehabilitation ausdrücklich „im Anschluss an die Krankenbehandlung“ vorgesehen (Burger/Ivansits, Medizinische und berufliche Rehabilitation in der Sozialversicherung, DRdA 2013, 106 [111]). Die durch § 154a Abs 1 ASVG normierte zeitliche Nachordnung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation zur Krankenbehandlung kommt auch in § 116 ASVG zum Ausdruck, wo nach der Krankenbehandlung (§ 116 Abs 1 Z 2 ASVG) medizinische Maßnahmen der Rehabilitation als – weitere – Aufgabe der Krankenversicherung seit der mit der 50. Novelle zum ASVG, BGBl 1991/676, neu geschaffenen Z 4 in § 116 Abs 1 ASVG genannt werden (ErläutRV 284 BlgNR 18. GP  26 f).

2.4 Dass ein entsprechender zeitlicher Konnex zwischen der Krankenbehandlung und den medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation aus der Krankenversicherung erforderlich ist, ergibt sich auch daraus, dass es sich bei beidem gemäß § 116 ASVG um eine Aufgabe der Krankenversicherung handelt. Aus dem ausdrücklichen Verweis in § 154a Abs 1 ASVG auf § 133 Abs 2 ASVG ergibt sich, dass medizinische Maßnahmen der Rehabilitation aus der Krankenversicherung ebenso wie die Krankenbehandlung zwar ausreichend und zweckmäßig sein müssen, jedoch das Maß des Notwendigen nicht übersteigen dürfen. Nur im Rahmen einer im zeitlichen Zusammenhang mit der Krankenbehandlung stehenden medizinischen Rehabilitation aus der Krankenversicherung ist der Krankenversicherungsträger in der Lage, die ihm gesetzlich übertragenen Aufgaben in der Krankenversicherung zur Erreichung der dargestellten Ziele zu erreichen und die Folgen der Krankheit möglichst vollständig zu beseitigen.

2.5 Auch nach dem historisch gewachsenen Verständnis, das in Österreich explizit im Rehabilitationsbegriff der Krankenversicherung in § 154a ASVG zum Ausdruck kommt, schließt Rehabilitation im ursächlichen und zeitlichen Zusammenhang an die sogenannte „Akutversorgung“ an (Bergauer in SV‑Komm [189. Lfg] § 302 ASVG Rz 3). Dies zeigt sich auch in der unterschiedlichen Funktion, die die Krankenbehandlung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation in der Krankenversicherung unterscheidet (vgl näher Felten in Tomandl, SV‑System, 244; Felten/Mosler, DRdA 2015, 487 f; Burger/Ivansits, DRdA 2013, 111): Ziel der Krankenbehandlung ist es (nach § 133 Abs 2 ASVG), die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederherzustellen, zu festigen oder zu bessern (10 ObS 160/06m, SSV‑NF 21/12). Aufgabe der medizinischen Rehabilitation in der Krankenversicherung ist hingegen die Wiederherstellung des Gesundheitszustands der Versicherten bzw ihrer Angehörigen in einem solchen Maß, dass sie in die Lage versetzt werden, den ihnen angemessenen Platz in der Gemeinschaft möglichst dauernd und ohne Betreuung und Hilfe einzunehmen (ErläutRV 284 BlgNr 18. GP  27).

2.6 Weißensteiner weist selbst darauf hin, dass die bereits vor der 50. ASVG‑Novelle bestehende Zuständigkeit der Pensionsversicherungsträger für Rehabilitationsmaßnahmen (§§ 300 ff ASVG) durch die Einführung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation in der Krankenversicherung unberührt blieben (ErläutRV 284 BlgNR 18. GP  28). Medizinische Maßnahmen der Rehabilitation in der Pensionsversicherung werden gemäß § 302 Abs 2 Satz 1 ASVG gewährt, wenn und soweit sie nicht aus einer gesetzlichen Krankenversicherung gewährt werden. Anders als § 154a Abs 1 ASVG verlangt § 300 Abs 1 ASVG auch nach den Änderungen dieser Bestimmung mit dem BBG 2011, BGBl I 2010/111, kein direktes Anschließen von Rehabilitationsmaßnahmen an eine Krankenbehandlung (Bergauer in SV‑Komm [189. Lfg] § 302 ASVG Rz 13).

2.7 Auch im vorliegenden Fall hat die Pensionsversicherungsanstalt eine Versorgung des Klägers mit einer C‑Leg‑Prothese, die ebenfalls zur Besserung dessen Gesamtsituation geeignet ist, als Rehabilitationsmaßnahme angeboten. Das von Weißensteiner ins Treffen geführte Argument, es bestehe ein Rechtsschutzdefizit, weil die Pensionsversicherungsträger über Anträge auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation nicht mit Bescheid zu entscheiden haben (10 ObS 78/16t mwH), ist durchaus beachtlich. Es ist jedoch nicht Aufgabe der Gerichte, unbefriedigende Gesetzesbestimmungen zu ändern, sondern der Gesetzgebung (RIS‑Justiz RS0008880).

2.8 Zu Unrecht beruft sich Weißensteiner für ihren Standpunkt auf die Entscheidung 10 ObS 7/05k, SSV‑NF 19/34). Die Versorgung des damaligen Klägers mit einer C‑Leg‑Kniegelenksprothese erfolgte bereits 14 Tage nach der Operation, sodass kein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt. Die Rechtsansicht der damals entscheidenden Vorinstanzen, dass dieser Anspruch des Klägers zu Recht bestehe, wurde in der Revision nicht in Frage gestellt (es ging nur um die Frage der Rechtswegszulässigkeit), sodass sie vom Obersten Gerichtshof nicht zu prüfen war.

2.9 Auf die im Einzelnen schwierig zu beantwortende Frage, ab wann eine Krankenbehandlung beendet ist und eine Rehabilitationsmaßnahme beginnt (vgl wiederum Felten/Mosler, DRdA 2015, 487 f; Bergauer in SV‑Komm § 302 ASVG Rz 3, 12; Burger/Ivansits, DRdA 2013, 111; unterscheidend nach dem Vorliegen von Krankheit oder Gebrechen, Windisch‑Graetz, Das neue Pensionsrecht zum 1. 1. 2014 – Auswirkungen auf das Dienstverhältnis, ZAS 2014/17, 99 [100] mH auf 10 ObS 70/11h, SSV‑NF 25/86), braucht im vorliegenden Fall nicht näher eingegangen werden, weil zwischen den Parteien nicht strittig ist, dass die Krankenbehandlung des Klägers nach seinem 1986 erlittenen Unfall abgeschlossen ist. Ein Anspruch aus Krankenbehandlung ist weder nach dem angefochtenen Bescheid noch nach dem Klagebegehren und der Klageerzählung Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens.

3.1 Der Revisionswerber argumentiert, dass die Regelung des § 154a Abs 1 ASVG gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz verstoße. Ihm seien bei Annahme eines zeitlich unmittelbaren Konnexes zwischen Krankenbehandlung und Rehabilitationsmaßnahmen nur Kosten für Prothesen „am medizinischen Stand von 1986“ zu ersetzen, während Versicherte, die einen Unfall „nunmehr“ erleiden, wesentlich modernere und teurere Prothesen erhalten würden.

3.2 Eine Regelung ist nicht schon dann gleichheitswidrig, wenn ihr Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen wird (RIS‑Justiz RS0053882). Dem Gesetzgeber steht verfassungsrechtlich insoweit ein Gestaltungsspielraum zu, als er in seinen rechts‑ und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen frei ist. Gerade im Sozialversicherungsrecht ist eine durchschnittliche Betrachtungsweise erforderlich, die auf den Regelfall abstellt und damit Härten in Einzelfällen nicht ausschließen kann (RIS‑Justiz RS0053889).

3.3 Vor diesem Hintergrund ist die vom Revisionswerber vermeinte Verfassungswidrigkeit des § 154a Abs 1 ASVG nicht ersichtlich. Alle von dieser Norm erfassten Versicherten werden schon deshalb gleich behandelt, weil ihnen medizinische Maßnahmen der Rehabilitation aus der Krankenversicherung immer nur im (unmittelbaren) Anschluss an die Krankenbehandlung gewährt werden. Darüber hinaus steht – wie ausgeführt – allen Versicherten im Sinn des § 300 ASVG (vgl zum weiten Begriff der Versicherten nach dieser Bestimmung Bergauer in SV‑Komm [189. Lfg] § 300 ASVG Rz 3, 4) die Möglichkeit offen, medizinische Maßnahmen der Rehabilitation aus der Pensionsversicherung (§ 302 ASVG) in Anspruch zu nehmen.

4. Nach den Feststellungen stellt die vom Revisionswerber begehrte Prothese eine wesentlich höherwertige Versorgung dar, als er sie bis jetzt erhalten hat. Dem darauf beruhenden Argument des Berufungsgerichts, dass schon deshalb keine bloße „Ersatzbeschaffung“ im Sinn des § 154a Abs 2 Z 2 ASVG vorliege, tritt der Kläger in seiner Revision lediglich mit der Behauptung des Gegenteils entgegen, womit er jedoch keine Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts aufzeigt.

5. Da im vorliegenden Fall der gemäß § 154a Abs 1 ASVG erforderliche zeitliche Konnex zwischen Krankenbehandlung und medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation aus der Krankenversicherung fehlt, war die Beklagte nicht verpflichtet, ein Rehabilitationsverfahren bezüglich des Klägers einzuleiten. Mangels gesetzlicher Grundlage kann sich eine solche Verpflichtung auch nicht aus (zwingenden) Richtlinien des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger ergeben.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage (RIS‑Justiz RS0085829 [T1]). Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens ohne Rücksicht auf dessen Ausgang selbst zu tragen (§ 77 Abs 1 Z 1 ASGG).

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