OGH 1Ob155/17a

OGH1Ob155/17a27.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Steger als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers I* P*, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegnerin E* P*, geboren * 1999, *, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 8. Juni 2017, GZ 16 R 165/17d‑40, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 13. April 2017, GZ 10 Pu 205/09h‑35, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E119819

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Die während des Revisionsrekursverfahrens volljährig gewordene Antragsgegnerin entstammt der im Juli 2002 geschiedenen Ehe des Antragstellers mit ihrer Mutter. Der Vater ist weiters für seinen sechsjährigen Sohn sorgepflichtig.

Zuletzt wurde er mit Beschluss des Erstgerichts vom 27. 4. 2006 ab 1. 8. 2005 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 300 EUR an seine Tochter verpflichtet.

Der Vater ist Kfz‑Werkmeister und hat die Berufsreifeprüfung absolviert. Er war zuletzt bis 30. 6. 2013 bei einem Unternehmen beschäftigt. Im Zeitraum 2. 8. 2013 bis 29. 11. 2016 bezog er Arbeitslosen‑ bzw Krankengeld. Das Arbeitslosengeld betrug täglich 49,13 EUR.

Er ist am 21. 11. 2016 in ein orthodoxes Kloster eingetreten.

Mit Eingabe vom 16. 11. 2016 begehrte der Vater, ihn von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Tochter zu entheben. Er sei seit 1. 7. 2013 arbeitssuchend und habe bis zuletzt ein Arbeitslosengeld von 49,13 EUR täglich erhalten. Er habe sich zunächst – bisher jedoch erfolglos – intensiv um Arbeit bemüht. Seit 1. 12. 2016 erhalte er keine Bezüge mehr und könne somit keine Unterhaltszahlungen tätigen. Er sei im christlich‑orthodoxen Glauben aufgewachsen. Seit seiner frühesten Kindheit sei es sein Wunsch gewesen, diesen Glauben zu vertiefen und zu leben. Es sei seine Berufung, Christus zu folgen, und er habe sich entschlossen, in ein Kloster einzutreten. Dies bedeute, dass er „jeglichem weltlichen Besitz abschwöre und in Demut und Reue lebe bis ans Ende“ seiner Tage. Er habe die Berufsreifeprüfung absolviert und sei Kfz‑Werkmeister. Er habe eine Weiterbildung an der Universität für Religionspädagogik angestrebt; diese sei über den Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds finanziert worden. Im Hinblick auf seinen Eintritt in ein Kloster habe er keine Bewerbungen mehr durchgeführt. Ein Einkommen sei hinfällig, weil er entsprechend seiner religiösen Überzeugung als griechisch‑orthodoxer Mönch ohne Besitz und in gänzlicher Armut zu leben habe. Er beziehe sich auf sein verfassungsrechtlich verankertes Grundrecht auf freie Religionsausübung. Er sei, wie das gesamte Kloster, auf Zuwendungen angewiesen und habe keine Möglichkeit, Unterhalt für die Antragsgegnerin zu leisten. Er verfüge über keinerlei Ersparnisse und übe keine berufliche Tätigkeit aus, weil dies seinem religiösen Verständnis nicht entspreche. Aufgrund seiner religiösen Überzeugung könne er auch keine Bewerbungen „absetzen“ und bekomme damit auch keine Unterstützung durch das Arbeitsmarktservice.

Die Antragsgegnerin sprach sich gegen eine Unterhaltsenthebung ihres Vaters aus. Sie sei auf den Unterhalt angewiesen, besuche derzeit die Schule und beabsichtige, im folgenden Jahr die Ausbildung zur Krankenschwester anzutreten. Ihrem Vater werde die „Auslebung“ des Glaubens und die damit verbundene Änderung seiner Lebensweise keineswegs abgesprochen, wenn er seinen Sorgepflichten weiterhin nachkomme. Er habe als pflichtbewusster Familienvater nach seinen Kräften für ihren Unterhalt aufzukommen. Er könnte als Facharbeiter im Bereich der Kfz‑Technik arbeiten, müsste im Ausmaß einer Vollzeitbeschäftigung Arbeit suchen und alle ihm möglichen Leistungen vom Arbeitsmarktservice, der Gebiets-krankenkasse oder der Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Durch den Eintritt in den Orden erhalte er zwar kein Entgelt, werde aber durch die Bereitstellung von Wohnraum, Kleidung und Nahrung versorgt und sei vermutlich auch krankenversichert. All dies stelle sehr wohl eine Entlohnung dar. Da er schuldhaft die Erzielung deutlich höherer Einkünfte verabsäume, sei er anzuspannen.

Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters, ihn ab (richtig:) 1. 12. 2016 von seiner Unterhaltsverpflichtung von monatlich 300 EUR gegenüber der Antragsgegnerin zu entheben, ab. Der Vater verfüge aufgrund seiner Religionsausübung über kein Einkommen und habe selbst auf den Bezug von Arbeitslosengeld verzichtet. Dieses Verhalten entspreche keinesfalls dem eines pflichtbewussten Vaters. Aufgrund dessen sei der Anspannungsgrundsatz anzuwenden und der Unterhaltsbemessung der Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von 1.498 EUR monatlich zugrunde zu legen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Rechtlich führte es aus, der 42‑jährige Unterhaltsschuldner sei in ein Kloster eingetreten, beziehe kein Einkommen und verzichte auf den Bezug von Arbeitslosengeld. Er könnte bei entsprechender Antragstellung derzeit eine Leistung des Arbeitsmarktservice von täglich 49,13 EUR beziehen. Unter Berücksichtigung seiner weiteren Sorgepflicht für seinen Sohn habe seine Tochter einen Unterhaltsanspruch von 21 % des erzielbaren Einkommens. Ein pflichtbewusster, um die Erfüllung seiner zwei Sorgepflichten bemühter Vater verzichte vernünftigerweise nicht auf den Bezug von öffentlich‑rechtlichen Leistungen und suche dauerhaft als Mönch im Klosterleben seine Erfüllung. Die Vertiefung des christlich‑orthodoxen Glaubens werde dem Vater keinesfalls verwehrt, ein pflichtbewusster Familienvater hätte jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit seiner Kinder von einer Abkehr von „jeglichem weltlichen Besitz“ und einem Eintritt ins Kloster Abstand genommen. Ausgehend vom Maßstab eines pflichtbewussten Familienvaters wäre er in der Lage und ihm zumutbar, weiterhin zumindest Arbeitslosengeld zu beziehen und sich um einen Arbeitsplatz mit entsprechenden Verdienstchancen zu bemühen. Der Vater sei trotz seiner selbst gewählten Einkommenslosigkeit nicht von seiner Unterhaltsverpflichtung zu entheben.

Das Rekursgericht sprach nachträglich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei, weil zur Rechtsfrage, ob sich der Unterhaltsschuldner durch den Eintritt in ein Kloster seiner Unterhaltspflicht entziehen könne, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der von der Tochter nicht beantwortete Revisionsrekurs des Vaters mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Der Vater wirft – ohne Rechtsnormen, Judikatur oder Literatur zu zitieren – die Frage auf, ob die Religionsfreiheit, die verfassungsgesetzlich gewährleistet sei, ihn nicht von einer „allfälligen“ Unterhaltsverpflichtung enthebe. Die Ausübung der Religionsfreiheit im Rahmen eines Klosterlebens könne wohl nicht als schuldhaftes Verhalten angesehen werden, das zu seiner Anspannung führe. Er habe sich für das Klosterleben entschieden und ihm sei daher die Erzielung eines Einkommens nicht mehr möglich. Das Klosterleben schließe „natürlich den Bezug von Arbeitslosengeld vollständig aus“. Da sich ein Arbeitsloser beim Arbeitsamt zu melden habe, arbeitsbereit sein und auch Stellenvermittlungen annehmen bzw entsprechende Vorstellungsgespräche führen müsse, sei dies „selbstverständlich mit dem Klosterleben nicht in Einklang zu bringen“. Die Ausübung „der Religionsfreiheit“ im Kloster sei kein schuldhaftes Verhalten und er sei „im Hinblick auf die Grundgesetze der Republik Österreich“ nicht anzuspannen.

Mit diesen Ausführungen zeigt der Vater keine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf.

2. Der Unterhaltsschuldner hat alle Kräfte anzuspannen, um seiner Verpflichtung zur Leistung des Unterhalts nachkommen zu können; er muss alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft, unter Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines Könnens so gut wie möglich einsetzen und zumutbare Bemühungen zur Erlangung öffentlich‑rechtlicher Unterhaltsleistungen anstellen (vgl RIS‑Justiz RS0047385 ua; 6 Ob 148/09x: zum Anspruch auf Arbeitslosengeld, das zu beantragen unterlassen wurde). Tut er dies nicht, wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit bzw Antragstellung hätte erzielen können (RIS‑Justiz RS0047686), sofern ihn ein Verschulden daran trifft, dass er keine Erwerbstätigkeit ausübt (RIS‑Justiz RS0047495). Beurteilungsmaßstab für die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ist das Verhalten eines pflichtgetreuen Elternteils. Es ist zu prüfen, wie sich ein solcher in der Situation des Unterhaltspflichtigen verhalten würde (RIS‑Justiz RS0047421; vgl RS0113751).

Änderungen in seinen Lebensverhältnissen, die mit Einschränkungen seiner Unterhaltspflichten verbunden wären, darf der Unterhaltsschuldner nur insoweit vornehmen, als dies bei gleicher Sachlage ein pflichtbewusster Familienvater in aufrechter Ehe getan hätte (RIS‑Justiz RS0047590). Der Eintritt in einen religiösen Orden ist auch Berufswahl und nicht allein Religionsausübung (so zu § 172 ABGB [entspricht weitgehend § 147 ABGB idF BGBl 1977/403] 2 Ob 6/63 = EvBl 1963/334, 463 = JBl 1964, 35 = RIS‑Justiz RS0086105; Hopf in KBB5 § 172 ABGB Rz 1; Barth in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 147 ABGB Rz 1 FN 1). Zum Recht auf freie Berufswahl hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass es das Recht des Unterhaltsberechtigten auf angemessenen Unterhalt nicht völlig in den Hintergrund drängen darf (RIS‑Justiz RS0047550 [T4]; RS0047360 [T4]). Ein mit einem unerzwungenen Berufswechsel verbundener Einkommensverlust muss zur Anspannung des betreffenden Elternteils führen, sofern seine Ausbildung und seine persönlichen Fähigkeiten die Erzielung eines angemessenen Einkommens gestatten (RIS‑Justiz RS0047360).

Hier hat sich der Vater – anstatt weiterhin in seinem erlernten Beruf als Kfz‑Werkmeister tätig zu sein oder einen entsprechenden Arbeitsplatz zu suchen – zum Eintritt in ein Kloster entschieden. Die ihm an sich zur Erzielung eines Einkommens zur Verfügung stehende Zeit nützt er somit nicht, um ein solches zu erzielen, sondern sich dem Klosterleben zu widmen. Zwar folgt daraus nicht, dass er keiner Beschäftigung mehr nachgeht, vielmehr setzt er seine Arbeitskraft für die Belange seines Klosters ein (siehe in diesem Zusammenhang 2 Ob 208/75 = SZ 48/119). Der Eintritt in ein Kloster ist einem Berufswechsel durchaus vergleichbar. Da der Vater aber die Möglichkeit hätte, Einkommen zu erzielen, und auch nicht das ihm zustehende Arbeitslosengeld beantragt, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen davon ausgingen, dass er zumindest auf seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld von monatlich 1.498 EUR anzuspannen ist.

3. Nach griechisch‑orthodoxem Kirchenrecht verliert ein Angehöriger des monastischen Standes mit der– in casu nicht festgestellten – Koura (Tonsur) grundsätzlich die Vermögensfähigkeit (Potz/Synek, Orthodoxes Kirchenrecht [2007] 372; differenzierend allerdings zur aktuellen Rechtslage in Griechenland aaO 373). Dies hat aber auf die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters gegenüber seiner Tochter nach § 231 Abs 1 ABGB keinen Einfluss.

Die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung vom 25. 5. 1898 (Nr 6771 = GlUNF 197 zu § 167 ABGB in der Fassung JGS 1811/946), wonach ein Ordenspriester des Benediktiner‑Ordens unfähig zum Eigentumserwerb und daher „nicht im Stande [sei], seiner Alimentationspflicht nachzukommen,“ ist zumindest nach heutigen Wertvorstellungen nur schwer tragbar – so Fürst (Das Vermögensrecht der österreichischen Ordensleute [2004] 122) – und ist mit § 231 ABGB nicht in Einklang zu bringen. Vielmehr ist gerade im Fall, dass der Unterhaltspflichtige in Kenntnis seiner Unterhaltsverpflichtung seiner Berufung als Mönch nachgeht, kein Einkommen erzielt und damit seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt, der Anspannungs-grundsatz anzuwenden.

4. Die griechisch‑orientalische Kirche in Österreich ist durch das Bundesgesetz vom 23. 6. 1967, BGBl 1967/229, anerkannt (§ 1 Abs 1). Ihr sind mit Wirkung für den staatlichen Bereich alle Personen griechisch-orientalischen (orthodoxen) Glaubensbekenntnisses zugehörig, wenn und solange sie im Bundesgebiet ihren Hauptwohnsitz oder bei Fehlen eines solchen einen gewöhnlichen inländischen Aufenthalt haben. Diese bekenntnismäßige Zugehörigkeit zur griechisch‑orientalischen Kirche in Österreich ist von der Mitgliedschaft zu einer staatlich anerkannten Kirchengemeinde nicht abhängig (§ 1 Abs 2 leg cit idF BGBl 1994/505).

Die Verfassungsbestimmung des Art 14 Abs 1 StGG 1867, RGBl 1867/142, gewährt jedermann die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Nach der Verfassungsbestimmung (Art 149 Abs 1 B‑VG) des Art 63 Abs 2 des Staatsvertrags von Saint Germain‑en‑Laye, StGBl 1920/303, haben alle Einwohner Österreichs das Recht, öffentlich oder privat jede Art Glauben, Religion oder Bekenntnis frei zu üben, sofern deren Übung nicht mit der öffentlichen Ordnung oder mit den guten Sitten unvereinbar ist. Nach der Verfassungsbestimmung (Art II Z 7 Bundesverfassungsgesetz BGBl 1964/59) des Art 9 Abs 1 EMRK, BGBl 1958/210, ist jedermann das Recht auf Glaubens‑, Gewissens- und Religionsfreiheit gewährleistet. Dieses Recht umfasst auch die Freiheit, seine Religion öffentlich oder privat unter Beachtung religiöser Bräuche auszuüben. Nach Art 9 Abs 2 EMRK darf die Religions‑ und Bekenntnisfreiheit nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs sind die drei genannten Verfassungsbestimmungen insofern als Einheit anzusehen, als Art 14 StGG 1867 durch Art 63 Abs 2 Staatsvertrag von St. Germain ergänzt wird und die dort genannten Schranken in Art 9 Abs 2 EMRK näher umschrieben werden. In harmonisierender Interpretation von Art 9 Abs 2 EMRK und Art 63 Abs 2 Staatsvertrag von St. Germain ist davon auszugehen, dass Art 9 Abs 2 EMRK letzteren konkretisiert und dass das Ziel der „öffentlichen Ordnung“ in Art 63 Abs 2 Staatsvertrag von St. Germain nicht auf sicherheitspolizeiliche Gefahren beschränkt ist. Demgemäß kann auch die Verfolgung der übrigen Eingriffsziele des Art 9 Abs 2 EMRK, insbesondere jenes des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer, unter die Eingriffsziele des Art 63 Abs 2 Staatsvertrag von St. Germain subsumiert werden und einen Eingriff in das Grundrecht der Religionsfreiheit rechtfertigen (G 287/09 [V.2.1.] mwN = VfSlg 19.349).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs besteht das Wesen der Glaubens‑ und Gewissensfreiheit im Ausschluss „staatlichen Zwangs auf religiösen Gebieten“. Jedermann soll in Sachen der Religion volle, von niemandem beschränkte Freiheit genießen (B 1168/2012 [III.2.] mwN = VfSlg 19.813). Art 9 EMRK schützt aber nicht jede durch Religion oder Überzeugung motivierte Handlung. Er garantiert auch nicht in jedem Fall das Recht, sich den Vorschriften einer religiösen Überzeugung gemäß zu verhalten oder sich bei einem solchen Verhalten gerechtfertigten Regelungen zu entziehen (vgl dazu die in RIS‑Justiz RS0126892 zitierte Judikatur des EGMR). Demnach bietet er auch keine Grundlage für die vom Vater angestrebte Enthebung von seiner Unterhaltspflicht.

Das Grundrecht auf Religionsfreiheit (Glaubensfreiheit) wird durch die Verpflichtung eines griechisch‑orientalischen Mönchs zur Zahlung von Unterhalt an sein Kind nicht verletzt. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Anspannung des Vaters, der seiner religiösen Überzeugung folgend in ein griechisch‑orthodoxes Kloster eingetreten ist, im Ergebnis dazu führt, dass er einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachzugehen hat, und dies eine Behinderung bei der Wahl oder Ausübung seines Berufs wegen seiner Religionsausübung wäre (vgl Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 [2016] § 22 Rz 120), findet diese notwendige Maßnahme gemäß Art 9 Abs 2 EMRK ihre Rechtfertigung durch den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (demnach auch der Unterhaltsberechtigten). Es ist jedenfalls gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber der in § 231 Abs 1 ABGB normierten Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind insofern Vorrang vor den religiösen Interessen des Unterhaltspflichtigen einräumt.

5. Dem Revisionsrekurs des Vaters ist daher der Erfolg zu versagen.

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