OGH 4Ob85/17d

OGH4Ob85/17d26.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerinnen 1. A***** GmbH & Co KG, 2. A***** GmbH, *****, 3. AH***** GmbH, *****, alle vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, gegen die Beklagten 1. L***** GmbH, *****, 2. K***** L*****, beide vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Feststellung (Streitwert im Sicherungsverfahren 31.000 EUR), über die außerordentlichen Revisionsrekurse der Klägerinnen und der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 5. April 2017, GZ 5 R 36/17d‑20, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00085.17D.0926.000

 

Spruch:

Beide außerordentliche Revisionsrekurse werden gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Erstbeklagte, deren Geschäftsführer der Zweitbeklagte ist, betreibt seit 2007 ein an einem See gelegenes Freizeitzentrum mit zuletzt rund 100 Veranstaltungen jährlich. Erst‑ und Zweitklägerin haben 2014 ein in enger räumlicher Nähe dazu gelegenes ehemaliges Kasernengelände gekauft, auf dem sie ein Veranstaltungs- und Freizeitzentrum betreiben wollen.

Die Vorinstanzen haben es als bescheinigt erachtet, dass die Drittklägerin als Mieterin der Erst- und Zweitklägerin im Wege einer Pressekonferenz für September 2016 ein gegen Eintritt zugängliches „Wiesenfest“ ankündigte, woraufhin der Zweitbeklagte für dasselbe Wochenende ein Jubiläumsfest mit der „größten Party des Landes“ bei freiem Eintritt ankündigte. Danach postete er auf Facebook und in anderen Medien sinngemäß, dass die Erstbeklagte, solange der Wettbewerb bestehe, jeweils zum selben Termin wie die Klägerinnen Gratis-Veranstaltungen abhalten werde („… freuen wir uns schon sehr auf den Wettbewerb und werden uns bemühen, dem Wiesenfest immer nahe zur Seite zu stehen, terminlich, wie auch künstlerisch ...“; „...wenn dieser Veranstalter daher denkt, dass er mit mir in den Ring steigen muss, dann wird bis zur letzten Runde gekämpft. … Ich denke, das wird ein Kampf David gegen Goliath, nur gewinnt diesmal Goliath“).

Das Rekursgericht gab dem Sicherungsantrag der Klägerinnen teilweise statt und verbot den Beklagten mit einstweiliger Verfügung, die Durchführung von Veranstaltungen der Klägerinnen auf ihrem Gelände dadurch zu behindern, dass sie eigene Veranstaltungen auf ihrem Gelände nach Bekanntwerden des Zeitpunkts der Veranstaltung der Klägerinnen zu einem solchen Termin festlegen und/oder ankündigen und/oder bewerben, sofern der zeitliche Abstand zwischen den Veranstaltungen 48 Stunden oder weniger beträgt, und für solche Veranstaltungen keinen Eintrittspreis zu verlangen, es sei denn, dass die Klägerinnen auch keinen Eintrittspreis verlangen, soweit dies planmäßig und mehrfach erfolgt und die Veranstaltungen der gleichen künstlerischen Darstellungsform zuzuordnen sind.

Den Wert des Entscheidungsgegenstands bemaß das Rekursgericht mit 30.000 EUR übersteigend, den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für nicht zulässig.

Weder die Klägerinnen noch die Beklagten zeigen in ihren außerordentlichen Revisionsrekursen erhebliche Rechtsfragen auf.

Rechtliche Beurteilung

1. Zum Revisionsrekurs der Klägerinnen:

1.1. Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, das vom Rekursgericht erlassene Verbot sei nicht weit genug: Zum einen sei die Einschränkung auf 48 Stunden zwischen den Veranstaltungen nicht ausreichend, vielmehr sei eine Ausdehnung – wie beantragt – auf einen Abstand von 10 Tagen erforderlich. Weiters sei die Einschränkung des Unterlassungsgebots auf kostenlose Veranstaltungen nicht sachgerecht, zumal die Beklagten dies durch sehr niedrige Preise umgehen könnten. Schließlich sei auch die Einschränkung auf die gleiche Darbietungsform nicht sachgerecht und eine Rechtfertigung für die Erfordernisse der „Planmäßigkeit und Wiederholung“ nicht zu erkennen.

1.2. Das Eindringen in den Kundenkreis der Konkurrenten gehört zum Wesen des Wettbewerbs (RIS‑Justiz RS0078508). Allerdings sind Maßnahmen, die ihrer Natur nach allein der Behinderung des Mitbewerbers dienen, regelmäßig wettbewerbswidrig; typische Mittel des Leistungswettbewerbs sind dagegen grundsätzlich erlaubt und nur bei Hinzutreten besonderer Umstände, die den Leistungswettbewerb zum Behinderungswettbewerb machen, unlauter. Ob eine bestimmte Maßnahme im Sinne dieser Grundsätze noch im Rahmen des Zulässigen liegt oder in Wahrheit bereits eine auf Ausschaltung anderer Mitbewerber vom Wettbewerb zielende unlautere Behinderung ist, muss nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0077524).

1.3. Im konkreten Einzelfall ist das Rekursgericht im Sinne der obigen Rechtsprechung vertretbar davon ausgegangen, dass das Durchführen von Veranstaltungen zum selben Termin samt Preisunterbieten für sich allein noch nicht wettbewerbswidrig ist und es der im Unterlassungsgebot genannten zusätzlichen Voraussetzungen bedarf, damit die Tätigkeit der Beklagten als unlautere Behinderung zu werten ist, die auf die Ausschaltung der Klägerinnen vom Wettbewerb zielt. Bei der Festlegung dieser Voraussetzungen ist dem Rekursgericht keine (grobe) Fehlbeurteilung unterlaufen, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre.

1.4. Soweit sich der Revisionsrekurs der Klägerinnen gegen die Kostenentscheidung des Rekursgerichts wendet, ist er gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO iVm § 78 Abs 1, § 402 Abs 4 EO jedenfalls unzulässig.

2. Zum Revisionsrekurs der Beklagten:

2.1. Die Beklagten machen Nichtigkeit geltend, weil der Spruch der angefochtenen Entscheidung aufgrund der und/oder-Kombinationen in sich widersprüchlich sei; das Rekursverfahren sei mangelhaft, weil das Rekursgericht Einwendungen der Beklagten nicht berücksichtigt habe; § 405 ZPO sei verletzt, weil das Rekursgericht nicht den im Antrag enthaltenen Begriff „Darbietungsform“, sondern „Darstellungsform“ verwendet habe; ein Eventualbegehren könne nicht durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden; zwischen den Streitteilen bestehe kein Wettbewerbsverhältnis, da die Klägerinnen Vermietungen durchführten, während die Beklagten selbst Veranstalter seien; die zeitliche Orientierung des Unterlassungsgebots an den Terminen der Klägerinnen bewirke eine Geschäftssperre; ihre Handlungen seien bloße Reaktionen auf unlauteres Verhalten der Klägerinnen.

2.2. Und/oder‑Verknüpfungen sind im Lauterkeitsrecht gängige Praxis (vgl jüngst 4 Ob 30/17s; 4 Ob 241/16v) und führen in der Regel – so auch hier – zu keinen Verständnisschwierigkeiten.

2.3. Die Beklagten legen nicht dar, welche konkreten Einwendungen nicht berücksichtigt worden seien. Soweit lediglich auf andere Schriftsätze verwiesen wird, ist dies unzulässig (vgl RIS‑Justiz RS0043616).

2.4. Ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 405 ZPO bewirkt keine Nichtigkeit; das Rechtsmittelgericht kann ihm nur aufgrund einer Mängelrüge Beachtung schenken (RIS‑Justiz RS0041240). Die Beklagten zeigen aber nicht auf, inwiefern die Ersetzung des Wortes „Darbietungsform“ durch das Wort „Darstellungsform“ die Unrichtigkeit der Entscheidung bewirkt haben soll. Im Übrigen ist das Gericht befugt, dem Urteilsspruch eine klare und deutliche, vom Begehren abweichende Fassung zu geben, wenn sich letztere im Wesentlichen mit dem Begehren deckt (RIS‑Justiz RS0039357).

2.5. Wenn Urteilshaupt- und Eventualbegehren einander nicht ausschließen, ist die Sicherung des Eventualbegehrens durch einstweilige Verfügung zulässig (vgl 8 Ob 618/91). Im vorliegenden Fall haben die Beklagten nicht geltend gemacht, dass die Haupt- und Eventualsicherungsbegehren einander ausschlössen; dies ist auch nicht zu erkennen, weil die Eventualbegehren bloß jeweils ein Minus zum Haupt- und zu den „übergeordneten“ Eventualbegehren sind.

2.6. Für die Annahme eines Wettbewerbs-verhältnisses müssen die Geschäftsbetriebe nicht vollständig übereinstimmen (RIS‑Justiz RS0077675). Davon ausgehend ist die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, weil Klägerinnen und Beklagte mit ihren unternehmerischen Tätigkeiten gleichermaßen Festivalbesucher ansprechen.

2.7. Wie schon zuvor zum Revisionsrekurs der Klägerinnen ausgeführt, ist die Sicherungsverfügung des Rekursgerichts eine vertretbare Maßnahme zur Abstellung von Behinderungswettbewerb, ohne einen lauteren Wettbewerb zu verhindern. Das vom Rekursgericht ausgesprochene Verbot bewirkt keine absolute Geschäftssperre zu Lasten der Beklagten, hängt es doch von zusätzlichen Voraussetzungen, wie insbesondere jener der planmäßigen und wiederholten Vorgangsweise, ab.

2.8. Das Klagerecht des Mitbewerbers nach § 14 UWG geht durch eigene, gleichartige Wettbewerbsverstöße nicht verloren (RIS‑Justiz RS0014242). Allfällige Wettbewerbsverstöße der Klägerinnen haben daher bei der Beurteilung der klagsgegenständlichen Handlungen der Beklagten außer Betracht zu bleiben.

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