European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00098.17K.0913.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Das Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht wies mit Beschluss vom 5. 4. 2016 (auch) den dritten Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme des bei diesem Gericht anhängig gewesenen Sozialrechtsverfahrens AZ 31 Cgs 77/09i zurück.
Zwecks Einbringung eines Rekurses gegen diese Entscheidung beantragte der Kläger die Verfahrenshilfe.
Gegen den Beschluss mit dem sein Verfahrenshilfeantrag abgewiesen wurde, erhob der Kläger Rekurs, in dem er nicht nur den Richter (der seinerzeit auch Vorsitzender im wiederaufzunehmenden Verfahren AZ 31 Cgs 77/09i gewesen war) wegen vielfacher „Rechtsbrüche“ als befangen ablehnte, sondern weitere siebenundreißig namentlich genannte Richter/Innen und Staatsanwält/Innen, ua die drei Richter des zur Entscheidung über den Rekurs zuständigen Rechtsmittelsenats des Oberlandesgerichtes Linz. Als Grund für die Befangenheit dieser drei Richter wird ausgeführt, dass sie in zweiter Instanz bereits mit der Sozialrechtssache AZ 31 Cgs 77/09i befasst gewesen wären und bei neuerlicher Befassung ihre „rechtswidrige Amtsführung“ eingestehen und zugeben müssten, dass sie bisher falsch gehandelt haben.
Das Oberlandesgericht Linz wies die gegen die Richter des zuständigen Rechtsmittelsenats gerichteten Ablehnungsanträge zurück.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs gegen diese Entscheidung ist zulässig, weil die Ablehnungserklärung nicht bloß das Verfahren über den Verfahrenshilfeantrag, sondern auch den dieses Ablehnungsverfahren auslösenden Rechtsstreit betrifft, sodass die Rechtsmittelbeschränkung für Streitigkeiten über die Verfahrenshilfe (§ 528 Abs 2 Z 4 ZPO) nicht zum Tragen kommt (6 Ob 62/01p mwN). Der Rekurs ist aber nicht berechtigt:
1. Da der Rechtsmittelwerber den Rekurs persönlich erhoben hat, ohne dass die Rekursschrift von einem Rechtsanwalt unterfertigt ist, ist vorerst auszuführen, dass sich das Rekursverfahren in Ablehnungssachen und auch die Frage, ob für die Erhebung eines Rechtsmittels Vertretungszwang besteht, nach den Vorschriften richtet, die für das Hauptverfahren maßgeblich sind (RIS‑Justiz RS0035708; RS0006000). Besteht im Ausgangsverfahren keine Anwaltspflicht, müssen schriftliche Rekurse nicht mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen sein (RIS‑Justiz RS0006000). In Verfahrenshilfesachen ist gemäß § 72 Abs 3 ZPO keine Anwaltspflicht vorgesehen. Neben Protokollaranträgen kommen daher auch schriftliche Parteienrekurse in Betracht (Fucik in Rechberger, ZPO4 § 72 Rz 3). Für die Frage der Anwaltspflicht ist daher zu prüfen, ob die bekämpfte Entscheidung noch in Verfahrenshilfefragen ergangen ist.
2. Grundsätzlich bedarf es eines untrennbaren Zusammenhangs zwischen Ablehnungsverfahren und der Verfahrenshilfe, damit ein schriftlicher Rekurs gegen die Zurückweisung des Ablehnungsantrags keiner Anwaltsfertigung bedarf (RIS‑Justiz RS0036113). Fehlt es an einem solchen Zusammenhang, kommt die allgemeine Regel des § 520 Abs 1 letzter Satz ZPO zum Tragen, die für schriftliche Rekurse zwingend die Unterschrift durch einen Rechtsanwalt verlangt.
3. Ein derartig untrennbarer Zusammenhang zwischen Ablehnungsverfahren und Verfahrenshilfe ist im vorliegenden Fall zu bejahen, weil im Rekursverfahren über den behaupteten Ablehnungsgrund die Vertretung durch einen (allenfalls) im Wege der Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt erforderlich wäre. Die Zulässigkeit des vom Kläger persönlich erhobenen schriftlichen Rekurses im Ablehnungsverfahren im Zusammenhang mit dem Verfahrenshilfeantrag ist daher zu bejahen (Fucik in Rechberger, ZPO4 § 72 Rz 3).Dieser Rekurs kann demnach inhaltlich behandelt werden, ohne dass die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens erforderlich wäre.
4. Das Wesen der Befangeheit besteht in der Hemmung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive. Nach Ansicht des Rekurswerbers ist diese Hemmung darin gelegen, dass die abgelehnten Richter bereits in einem Vorverfahren an einer (seinen Vorstellungen widersprechenden) Rechtsmittelentscheidung beteiligt gewesen waren. Eine Besorgnis der Befangenheit liegt aber erst dann vor, wenn sich konkret der Anschein ergibt, dass die abgelehnten Richter nicht bereit sind, ihre Meinung neuerlich zu überprüfen und entgegenstehendes Vorbringen der Verfahrensbeteiligten unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0036155 [T3]). Ein ausreichend konkretes Tatsachensubstrat, das diese Bereitschaft in Zweifel ziehen könnte, ist den Rekursausführungen aber nicht zu entnehmen. Wenngleich im Interesse des Ansehens der Justiz bei der Beurteilung der Befangenheit ein strenger Maßstab anzulegen ist (RIS‑Justiz RS0045949; RS0046052; Mayr in Rechberger ZPO4 § 19 JN Rz 4), darf doch nicht die Möglichkeit geboten werden, sich nicht genehmer Richter zu entledigen (RIS‑Justiz RS0109379).
Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.
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