OGH 13Os32/17f

OGH13Os32/17f6.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Ante T***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2. Dezember 2016, GZ 5 Hv 68/15i‑36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00032.17F.0906.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 3, demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Vor der Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche durch das Oberlandesgericht Graz werden die Akten dem Landesgericht für Strafsachen Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ante T***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (1) und jeweils mehrerer Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (2) sowie der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (3) schuldig erkannt.

Danach hat er in G***** und andernorts

(1) von Februar 2011 bis November 2012 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schweren Betrugs ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, Walter Tr***** durch Vorgabe seiner Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit in sieben (im Ersturteil näher bezeichneten) Angriffen zu Handlungen, nämlich zur Gewährung von Darlehen (in großteils je 5.000 Euro übersteigender Höhe), verleitet, die ihn um insgesamt 238.500 Euro am Vermögen schädigten;

(2) Walter Tr***** durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, nämlich

(a) im Frühjahr 2013 durch die Äußerung, er werde ihm „soviel Scheiße im Kopf machen“ und seine Mutter und seine Kinder „ficken“;

(b) im Mai 2013 durch die Äußerung: „Wenn du meine Familie angehst, werde ich dich zerstören. Wir in Kroatien haben einen Krieg mitgemacht, da ist ein Menschenleben nicht viel wert. Meine Freunde aus Kroatien sind in zwei Stunden da und auch in zwei Stunden wieder zurück in Kroatien“,

jeweils zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von einer Darlehensrückforderung, zu nötigen versucht;

(3) in den Jahren 2013 und 2014 Mag. Michael K***** in mehreren Angriffen jeweils durch Äußerungen des Inhalts, der Genannte solle „überlegen“, da er „Familie“ habe; er (der Angeklagte) werde „kommen und alle erschießen“; er werde „Albaner“ oder „die kroatische Mafia schicken“ sowie, „Leute von Kroatien“ seien „in ein paar Stunden in W***** und wieder zurück“, zumindest mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.

 

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und „9a“ StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

 

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verfiel der Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung der Ana B***** zum Beweis dafür, dass sie „beauftragt ist, die Grundstücke, die sich aus dem Liegenschaftskaufvorvertrag ergeben, zu Gunsten des […] Walter Tr***** im Grundbuch eintragen zu lassen, wofür die entsprechenden Grundbuchsanträge bereits gestellt worden“ seien (ON 28 S 17), zu Recht der Abweisung (ON 35 S 11). Denn er legte nicht dar, inwieweit der angesprochene – für sich genommen keine entscheidende Tatsache betreffende (zur Bedeutsamkeit nachträglicher Schadensgutmachung bloß für die Strafbemessung vgl RIS‑Justiz RS0099015) – Umstand hätte geeignet sein können, die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage zu beeinflussen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 328, 332). Außerdem sah das Schöffengericht den unter Beweis zu stellenden Umstand – im Sinn einer geplanten Besicherung der weiterhin zur Gänze aushaftenden (US 6) Darlehen durch bücherliche Übertragung von Liegenschaften an Tr***** (US 3 f; vgl ON 35 S 11) – ohnehin als erwiesen an (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO; RIS-Justiz RS0124908 [T1]).

In der Beschwerde nachgetragenes Antragsvorbringen ist prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).

Das Erstgericht ging davon aus, Tr***** habe dem Angeklagten Geldbeträge als Darlehen ausbezahlt (US 4 f, 7 ff). Vor allem aus dem Unterbleiben deren Rückzahlung folgerte es die den Schuldspruch 1 tragenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 10 f).

Die dagegen gerichtete Mängelrüge (Z 5) führt den erwähnten „Liegenschaftsvorkaufvertrag“ (ON 2 S 17 f) sowie Bestätigungen über Zahlungen des Tr***** (von insgesamt 195.000 Euro) ins Treffen, auf denen diese teils als „Akontozahlung“ bezeichnet werden (ON 2 S 21, 23), teils als Verwendungszweck „Teil Kaufpreis“ angegeben ist (ON 2 S 25). Aus diesen Beweisergebnissen sei abzuleiten, dass Tr***** die Zahlungen (nicht als Darlehen, sondern) als Teilzahlungen auf den Kaufpreis für von ihm zu erwerben gedachte Liegenschaften geleistet habe.

Dem Beschwerdevorbringen zuwider wurden die relevierten Beweisergebnisse von den Tatrichtern aber keineswegs übergangen (Z 5 zweiter Fall), sondern eingehend erörtert (US 9 f). Dass daraus auch andere Schlüsse hätten gezogen werden können, stellt den Nichtigkeitsgrund nicht her (RIS-Justiz RS0099455).

Ebenso wenig wird mit dem Einwand, diese Beweismittel würden gegen getroffene Feststellungen sprechen, ein Widerspruch in der Bedeutung der Z 5 dritter Fall aufgezeigt (Ratz, WK‑StPO §§ 437, 439).

Das gegen den Schuldspruch 1 gerichtete Vorbringen zur Rechtsrüge (Z 9 lit a) hält nicht an den tatrichterlichen Feststellungen zur Darlehensgewährung (US 4 f, 6), zum subjektiven Handlungselement (US 6) und zur „Gewerbsmäßigkeit“ (US 6; insoweit der Sache nach Z 10) fest, sondern bestreitet diese anhand eigenständiger Würdigung von Verfahrensergebnissen. Damit verfehlt sie den – im Urteilssachverhalt gelegenen – Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810, RS0099724).

Gleiches gilt für die (ebenfalls aus Z 9 lit a erhobene) bloße Behauptung, bei „den Äußerungen“ gegenüber Tr***** und Mag. K***** (Schuldsprüche 2 und 3) habe es sich jeweils um „milieubedingte Äußerungen“ gehandelt.

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

 

Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass dem Ersturteil in Ansehung des Schuldspruchs 3 nicht geltend gemachte, gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet. Denn es enthält überhaupt keine Feststellungen zu dem § 107 Abs 1 StGB unterstellten Tatgeschehen; allein die Tatbeschreibung im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermag fehlende Feststellungen nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0114639; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 580).

Der darin gelegene Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordert die sofortige Aufhebung des Schuldspruchs 3 schon bei nichtöffentlicher Beratung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

Dies hat die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge, worauf der Angeklagte mit seiner dagegen gerichteten Berufung zu verweisen war.

Die Entscheidung über die Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis – das im von der Aufhebung unberührten Schuldspruch 1 Deckung findet (vgl Ratz , WK‑StPO § 289 Rz 7) – kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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